Seit ich im Alter von rund 20 Jahren die ersten Geburten sehen durfte, bin ich ich tief beeindruckt von der immensen Kraft, die der weibliche Körper entwickeln kann. Und auch wenn das Kinderkriegen ganz „normal“ ist, können wir Frauen uns schon ganz schön feiern dafür, was der Körper vor, während und nach einer Geburt leistet. Und mit „leisten“ ist nicht gemeint, wer die meisten Wehenstunden auf dem Partogramm stehen hat. Gemeint ist die Tatsache, dass wir einen ganz realen kleinen Menschen zur Welt bringen können. Ganz egal, wie auch immer dieser Weg aussehen mag.
Ich habe vor dieser Leistung den höchsten Respekt, vor allen Müttern und auch vor mir selbst. Mein Körper hat in den Schwangerschaften und bei den Geburten meiner Kinder wirklich einen guten Job gemacht. Und deshalb hat er auch anschließend etwas Erholungszeit und Liebe verdient. Und das mit der Selbstliebe zum veränderten Körper hat Bloggerin Anna Frost ziemlich passend so beschrieben:
„Die Sache mit der Selbstliebe fällt mir zur Zeit schwer. Ich bin da knallhart ehrlich. Vielleicht zu knallhart und sollte es eigentlich nicht sein, so mit mir selbst. Zur Zeit jedoch fällt es mir sehr schwer, mich so gut zu finden, wie ich aktuell bin. Also meinen Körper, mein Spiegelbild und die Körperform, die ich zur Zeit habe. ,Zur Zeit‘, damit ist jetzt gemeint. Jetzt nach der Schwangerschaft.“
Weich und haltlos
So wie Anna geht es vielen Frauen. Die meisten haben noch nicht einmal unrealistische Erwartungen gehabt für die Zeit nach der Geburt. Kaum eine Frau möchte noch im Wochenbett in Unterwäsche auf dem Laufsteg spazieren. Und dennoch sind die meisten Mütter irritiert oder auch geschockt, wenn sich dann plötzlich alles so weich und so haltlos anfühlt. Wenn der Körper nach der Geburt so aus seiner Mitte geraten ist. Wenn der Bauch von rechts nach links kippt und die blau geäderte Brust gleichzeitig spannt und tropft.
Und es nervt vielleicht auch, dass die alte Kleidung (noch) nicht passt. Das Schwangerenzeug kann man aber auch nicht mehr sehen. Der Körper ist im Wandel – an allen Ecken und Enden. Diese Zeit der Veränderung geht weit über das Wochenbett hinaus. In den ersten Wochen sind viele Frauen noch recht milde mit ihrem Körper. Danach stört alles oft wesentlich mehr. Denn nachdem man anfangs rund um die Uhr mit dem Baby beschäftigt ist, kommt dann vielleicht wieder etwas mehr Zeit, um sich und seinen Körper zu sehen und zu fühlen. Oder vielleicht auch nichts zu fühlen, wenn es zum Beispiel um den Beckenboden geht.
Es kann ein wirklich unheimliches Gefühl sein, wenn man die Muskulatur in diesem Bereich nicht oder nur noch sehr schwach spürt. Das gefühlte Unbehagen mit dem neuen Körperbild ist also nicht nur dem Umstand geschuldet, dass man im Spiegel anders aussieht. Es fühlt sich eben auch ganz sachlich vieles, wenn nicht gar alles, so komplett anders an.
Babyliebe kommt oft vor Selbstliebe
Ich hatte in allen Schwangerschaften zum Ende hin das Gefühl, meine ganze Kraft sei einfach in die Gebärmutter gerutscht. Für die Geburt war das wahrscheinlich eine gute Voraussetzung. Doch danach fühlte ich mich immer entsprechend instabil. Auch dann noch, wenn die alten Hosen wieder passten, was meist so nach rund fünf Monaten wieder der Fall war. Das reine Spiegelbild war für mich okay, aber dieses schwammige Körpergefühl blieb doch wesentlich länger. Die „hormonellen Weichmacher“ der Stillzeit taten ihr übriges.
Ich hatte also nicht unbedingt das Bedürfnis wieder anders auszusehen, aber mich anders zu fühlen. Ich wollte die Kraft, die sich in der Schwangerschaft in der Körpermitte gesammelt hat, auch mal wieder in meinen Armen und Beinen spüren. Und ich hatte den Drang mich mehr bewegen, als gefühlt nur das Baby vom rechten zum linken Arm zu heben. Aber der noch weiche Beckenboden, die Hebammenvernunft und letztlich auch der Zeitmangel haben mich in den ersten Monaten ausgebremst. Und dieses unfreiwillige Ausgebremstsein hat mich manchmal ganz schön genervt. Mehr als einmal habe ich Christian vorgeworfen, wie unfair das mit dem Kinderkriegen zwischen uns verteilt sei.
Manchmal mehr Selbstaufgabe als Selbstliebe
Selbstliebe wäre in solchen Momenten wohl gewesen, Zeit für mich und die Form von Bewegung zu haben, die mir gut tut. Aber Babyliebe kommt dann oft vor Selbstliebe. Denn der kleine Mensch vermag mit seinen Bedürfnissen eben nicht zu warten. Oder das Mutterherz kann einfach noch keine längere Abwesenheit verkraften. Generell sind manche Zeiten mit Kindern mehr von Selbstaufgabe als von Selbstliebe geprägt. Manchmal kommt man kaum zum Essen und Trinken. Oder zum Duschen. Viele Mütter sitzen stillend mit dem Baby auf dem Klo, weil es gerade in diesem Moment irgendwie nicht anders machbar ist. Von durchwachten Nächten mit kranken Kindern möchte ich hier gar nicht erst anfangen. So ist es zum Glück nicht ständig und dauerhaft. Aber manche Zeiten sind einfach wirklich hart. Und das auch, wenn man sich das Elternsein mit dem Partner gut aufteilt.
Darum ist es wichtig, auch sagen zu können, dass man sich in seinem Körper nicht wohl fühlt – unabhängig davon, was der alles schon gerockt hat. Ein hängender Beckenboden, eine Geburtsverletzung, die Rektusdiastase oder zehn Kilo mehr sind spür- und sichtbare körperliche Veränderungen. Manche davon wirken sich gravierend auf das Wohlbefinden aus. Wir dürfen als Mütter sagen, was sich ungut anfühlt oder in unseren Augen seltsam aussieht. Für das Kinderkriegen knapsen wir unserem Körper etliche Ressourcen ab. Das sieht man und das fühlt man. Es verändert sich auch wieder in vielen Punkten. Wir werden wieder stabiler, äußerlich wie innerlich. Irgendwie und irgendwann. Aber diese Prozesse zeitlich einzuordnen oder zu bewerten ist genauso unsinnig wie das Vergleichen der Qualität von Geburten.
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