Egal wie aufgeklärt und weltoffen wir alle sind, wenn es um die Sprache für Sexualität und Fortpflanzung geht, ist es irgendwie kompliziert. Da gibt es steif formulierte Fachbegriffe, die aus der Gebärmutter einen Fruchthalter machen. Und sie machen aus dem Weg, den das Kind bei der Geburt gehen muss, den Geburtskanal.
Auf der anderen Seite gibt es allerlei Verniedlichungen. So wird der Tag der Geburt zum Schlüpftag und statt eines Babys haben Frauen Würmchen und Gummibärchen im Bauch. Natürlich können Eltern ihren Kindern Kosenamen geben – und das auch in der Schwangerschaft. Aber Kosenamen sind ja meist etwas sehr Persönliches und niemand stellt seinen Partner der Hebamme oder Ärztin mit Schatzi oder Hase vor. Aber auch das Fachpersonal spricht gelegentlich eher vom Mutzelchen als vom Baby. Wobei ich das den eher abstrakt klingenden Begriffen Embryo oder Fetus vielleicht sogar vorziehen würde.
Frida, Schlitzi, Möschen, Muschi, Schnecki, Döschen
Die Verniedlichungen in Bezug auf das Baby sind also irgendwie noch nachvollziehbar. Doch plötzlich wird auch die Hebamme zur Hebi. Erwachsene Frauen kommen leicht verschämt mit Sätzen wie „es läuft Wasser aus der Mumu“ in den Kreißsaal. Hebammen haben wohl schon so ziemlich jedes nur irgendwie erdenkliche Wort für die weiblichen Geschlechtsorgane gehört: Schnecke, Pflaume, Frida, Schlitzi, Möschen, Muschi, Schnecki, Döschen.
Auch in Geburtsvorbereitungskursen wird bisweilen immer noch gekichert, wenn man als Hebamme Vulva, Vulvina oder Vagina sagt. Nicht selten vermitteln Erwachsene ja schon Kindern ein gewisses Schamgefühl beim Benennen der Körperteile, wenn aus dem Penis der Schniepi, Schniedel oder Pipimann gemacht wird. Warum ist das gerade bei unseren geschlechtsspezifischen Körperteilen so „kompliziert“? Die Nase nennt doch in der Regel auch niemand Riechi oder Rotzi!
Körperteile beim Namen nennen
Ich gebe gelegentlich Hebammenunterricht in der Grundschule. Dort offenbaren sich bereits große Unterschiede, wie mit den Themen Sexualität und Fortpflanzung zu Hause umgegangen wird. Dabei haben die meisten Kinder großes Interesse daran, wie sie selbst in den Bauch gekommen. Sie wollen wissen, wie sie dort gewachsen sind und schließlich geboren wurden. Staunend hören sie zu und fragen viel. Es ist ja auch wirklich spannend zu erfahren, wie aus einer Eizelle und einem Spermium ein kleines Menschenkind wird. Die Schulkinder erfahren, dass Babys nicht schlüpfen, sondern geboren werden. Ganz egal, ob es das gerne verwendete Wort Schlüpftag für den Geburtstermin impliziert. Kinder erstehen auch ohne Verniedlichungen gut, was in der Schwangerschaft und bei einer Geburt vor sich geht.
Warum nennen wir also die Dinge bzw. die Körperteile nicht einfach beim Namen? Dann weiß auch die übermüdete Hebamme im Nachtdienst schneller Bescheid und muss nicht rätseln, wenn eine Schwangere mit den Worten „Ich spüre so ein Stechen in meiner Schnegge“ in den Kreißsaal kommt.
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