Eine gar nicht so kleine Anzahl von Schwangerschaften endet vorzeitig in den ersten drei Monaten. Genaue Zahlen gibt es nicht, da Schwangerschaften auch manchmal unbemerkt eintreten und enden, was von der betroffenen Frau nur als späte und vielleicht etwas stärker einsetzende Regelblutung bemerkt wird.
Doch auch wenn eine Schwangerschaft eindeutig festgestellt wurde, enden immer noch zwischen zehn bis 20 Prozent in einer Fehlgeburt. Wurde per Ultraschall bereits ein Herzschlag festgestellt, sinkt das Risiko stark. Jenseits der zwölften Schwangerschaftswoche kommen Fehlgeburten viel seltener vor als in den vorherigen Wochen.
Die meisten Frauen wissen das wahrscheinlich, auch wenn die Häufigkeit von Fehlgeburten häufig eher unterschätzt wird. Manche Frauen wissen all dies auch aus eigener Erfahrung. Vielleicht haben sie eine Fehlgeburt erlebt. Vielleicht hat sich sogar mehrfach ein Kind vorzeitig wieder verabschiedet.
Angst und Sorge, sein Kind wieder zu verlieren
Diese ersten drei Monate sind also nicht nur eine Zeit der Vorfreude auf ein Baby, sondern auch geprägt von Angst und Sorge, sein Kind wieder zu verlieren. Ganz besonders, wenn dies zuvor schon einmal oder sogar häufiger passiert ist. Dieses Wissen sorgt vielleicht dafür, dass man es nur wenigen Menschen erzählt oder seine Freude auf das Kind nicht offensiv nach außen zeigt.
Doch wird die verhaltene Freude einen möglichen Schmerz später mildern? In den meisten Fällen wird gelten: nein. Denn die Gefühle, die sich dann zeigen, sind sicherlich nicht davon abhängig, wie vielen Menschen jemand bereits von der Schwangerschaft erzählt hat oder ob schon die ersten Babysöckchen gekauft wurden. Oft wird gerade letzteres schnell von außen verurteilt. Schließlich sei es ja total übertrieben, für das gerade erst Reiskorn-große Kind Kleidung zu kaufen.
Doch meist geht es dabei ja nicht darum, die Erstausstattung bereits in den ersten Monaten komplett zu haben. Der Kauf soll das Ganze etwas greifbarer machen. Manche Frauen machen dafür gefühlte 100 Schwangerschaftstests. Andere kaufen gleich nach dem Test die erste Spieluhr. Und manche werdende Eltern verkünden sofort Familie, Freunden und vielleicht auch Kollegen die frohe Botschaft. Wenn alles gut verläuft, interessiert es später doch auch kaum noch jemanden, wann was gesagt oder angeschafft wurde.
Gefühle nach einer Fehlgeburt sind vielfältig
Endet jedoch eine Schwangerschaft vorzeitig, wird schnell das Verhalten in den ersten Monaten be- und manchmal auch verurteilt. Warum hat sie es bloß allen schon so früh gesagt? Musste wirklich schon der erste Strampler gekauft werden? Bestimmt wäre die Trauer jetzt nicht so groß, wenn man sich mit der Vorfreude auf dieses Baby mehr zurück gehalten hätte!
Ich glaube nicht, dass das stimmt. Denn die Gefühle nach einer Fehlgeburt sind so vielfältig, wie Menschen es nun mal auch sind. Jeder geht anders damit um. Die einen haben ein hohes Bedürfnis nach Rückzug, andere wollen ganz viel darüber reden. Manche weinen leise, andere schreien den Schmerz laut heraus. Einige Frauen haben sehr rationale Gedanken zu dem Thema. Das Verstehen möglicher medizinischer Gründe hilft ihnen bei der Verarbeitung. Andere sind fassungslos, warum gerade ihnen das alles widerfahren musste. Manchen hilft ihre Religion oder Spiritualität dabei, das Geschehen anzunehmen.
Es setzt in jedem Fall so viele Emotionen frei, wenn eine Schwangerschaft vorzeitig endet. Auch Freude und Dankbarkeit darüber, dass es diese kurze Zeit mit diesem Kind gab, gehören dazu. Und dann sind die direkt nach dem Test gekauften Babysöckchen vielleicht gar keine Verstärker der Trauer, sondern etwas Greifbares, um sich an dieses Kind zu erinnern. Das Urteilen darüber, wie früh oder euphorisch sich Frauen über eine Schwangerschaft freuen, hängt wahrscheinlich viel mehr mit den eigenen Emotionen der Außenstehenden zusammen.
Keine „Schwangerschaft auf Probe“
Denn was denkt und sagt man eigentlich, wenn die Freundin, Schwester oder Kollegin erzählt, dass sie nun nicht mehr schwanger ist? Oft fehlen die Worte. Man möchte trösten, weiß aber nicht wie. Und vielleicht gibt es ja auch gar keinen Trost in diesem Moment. Und dann kommt der Gedanke, dass sich vielleicht einfach auch ein bisschen zu früh auf dieses Kind gefreut wurde. Hätte man nicht noch abwarten können, es allen zu erzählen? Musste wirklich schon sichtbar das erste Ultraschallbild aus der neunten Schwangerschaftswoche an den Kühlschrank gepinnt werden? Und mit dem Kauf der ersten Umstandshose hätte ja auch noch ein bisschen gewartet werden können…
Doch wäre der Schmerz dann jetzt wirklich geringer, wenn die Vorfreude zuvor verhaltener ausgefallen wäre? Bestimmt nicht, denn die ersten drei Monate sind nun mal keine „Schwangerschaft auf Probe“. Und auch darüber hinaus gibt es Fehlgeburten und auch noch spätere Verluste von Kindern. Sorge um sein Kind hat man immer, von der ersten Sekunde an. Doch diese sollte nicht die Vorfreude bremsen, wenn sie da ist.
Unser Kind hat sich damals in der zwölften, fast dreizehnten Woche wieder verabschiedet. Zu einem Zeitpunkt, als die kritischen Wochen fast schon vorbei waren. Gefreut haben wir uns ab dem ersten Tag auf dieses Baby. Und gerade rückblickend auf diese viel zu kurze Zeit bin ich froh und dankbar dafür. Ein kleines für dieses Baby „viel zu früh“ gekauftes Spielzeug wird uns ebenso wie ein Ultraschallbild immer an dieses Kind erinnern. Und das ist okay so.
Gerade beim Elternwerden und Elternsein können größtes Glück und unfassbarer Schmerz manchmal sehr dicht beieinander liegen. Das ist so und lässt sich nicht dadurch regulieren, dass ich die damit verbundenen Emotionen nur mit angezogener Handbremse zulasse. Was an Gefühlen da ist, ist da. Und es darf da sein. Die vielleicht eher ambivalenten Gefühle nach dem positiven Test gehören ebenso dazu wie die pure und reine Vorfreude.
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