Zu alt zum Kinderkriegen?

65 Jahre alt. 13 Kinder und alleinerziehend. Schwanger mit Vierlingen. Man kam 2015 selbst außerhalb von Berlin nicht umhin, etwas über die damals 65-jährige Schwangere zu lesen, die im Sommer Vierlinge erwartete. Und natürlich hat hierzu jeder eigene Meinung. Denn es treffen so viele Extreme aufeinander, die schon einzeln für die meisten Menschen nicht mehr nachvollziehbar sind.

Mich persönlich beschäftigt das ganze nicht mehr so sehr, wie es das vor ein paar Jahren getan hätte. Denn in dieser vergleichsweise kurzen Zeit sind die Schwangeren deutlich älter geworden – und die reproduktionsmedizinischen Möglichkeiten umfangreicher. Frauen, die mit über 40 ihr erstes Kind erwarten, sind ebenso nicht mehr ungewöhnlich wie Kinder, die im Ausland mittels bei uns nicht erlaubter Eizellspende gezeugt wurden. Diese Entwicklung passierte und passiert so rasend schnell, dass manchmal gar keine Zeit bleibt, sich bezüglich der ethischen und moralischen Seiten Gedanken zu machen.

Vielleicht ist das auch gut so. Denn oft würde ich mit wesentlich mehr Vorbehalten in die Hebammenarbeit gehen – und das wiederum ist nicht gut. Denn am Ende geht es immer darum, den Anfang für eine Familie gut zu gestalten – ganz egal, wie die Umstände sind. Auch die Kinder einer sehr jungen Mutter verleiten zu Vorurteilen. Ja, es stimmt, oft sind situationsbedingt mehr Schwierigkeiten zu überwinden. Aber auch das kann genauso gut oder schlecht gelingen, wie im vermeintlich besten Schwangerschaftsalter.

Und Fakt ist nun mal, dass sich Kinder die Umstände nicht aussuchen können, in die sie hinein geboren werden. Wenn diese nachhaltig schlecht für sie sind, ist es Aufgabe unserer Gesellschaft dafür zu sorgen, dass sich die Umstände bessern. Dafür ist es wohl erst mal die wichtigste Voraussetzung, den Eltern unvoreingenommen zu begegnen. Wahrlich nicht immer eine leichte Aufgabe. Und manchmal ist es auch besser, diese an andere abzugeben, wenn es einem selbst nicht gelingt.

Schwangerschaft verbunden mit Altersrisiko

Versuche ich es, den Fall der 65-Jährigen neutral zu betrachten, ist da eine erfahrene alleinerziehende Mutter, die im fortgeschrittenen Alter vier Kinder gleichzeitig erwartet. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Schwangere lange Zeit in einer Klinik verbringen wird, ist extrem hoch. Die mittlere Tragzeit bei Vierlingen liegt bei nur rund 31 Schwangerschaftswochen. Und die Krankenhausaufnahme erfolgt meist schon wesentlich früher. Dazu kommen also sicher auch die Sorgen um die Betreuung ihrer neunjährigen Tochter in dieser Zeit, die da als einziges Kind noch bei der Mutter lebt.

Es sind ähnliche Sorgen, wie sie auch andere schwangere Frauen täglich erleben. Der Punkt ist hier, dass es zu der Situation wohl nicht gekommen wäre, wenn Reproduktionsmediziner dies nicht möglich gemacht hätten. Wo sind die Grenzen, alles Machbare auch zu machen? Deutschland erlaubt die Eizellspende zwar nicht, aber andere europäische Länder haben dazu keine gesetzlichen Regelungen und dulden sie generell. Wobei sich die 65-Jährige in der Ukraine künstlich befruchten ließ. Die Frage nach dem Alter ist noch mal eine andere. Ebenso wie das Einsetzen von so vielen befruchteten Eizellen und dem damit verbundenen Risiko einer höhergradigen Mehrlingsschwangerschaft sowie dem dadurch höheren Risiko für Mutter und Kinder. Wurde die Frau da wirklich umfassend aufgeklärt, was eine solche Schwangerschaft verbunden mit dem Altersrisiko bedeuten kann? Ich bezweifle es…

Auch wenn dieser Fall sicher ein Extrem ist, skizziert er schon ein bisschen den Wandel, den das Kinderkriegen in den letzten Jahren mitmacht. Ist das gut? Ist das schlecht? Ich weiß es persönlich nicht und maße mir nicht an, darüber individuell urteilen zu können. Vielleicht würde es mir schwer fallen, diese Situation als Hebamme völlig unvoreingenommen zu betreuen. Doch das habe ich ja vielleicht auch mal vor 15 Jahren gedacht über Frauen, die mit 46 Jahren ihr erstes Kind bekommen…

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Kommentare

8 Antworten zu „Zu alt zum Kinderkriegen?“

  1. K
    Katarina

    Wo das Thema gerade aktuell ist… ich bin frisch 40 und denke über ein zweites Kind nach. Meine erste Tochter ist 9.
    Was haltet ihr davon?
    Zu alt?
    Ich finde nicht, mache mir aber dnnoch Gedanken ob der im Netz kursierenden Meinungen…

    1. A
      Anja

      Liebe Katarina,

      ich begleite hier als Hebamme recht viele Frauen, die mit Ü40 ein zweites , drittes oder ab und zu auch ein erstes Kind bekommen. Ausser mehr Stress in Bezug auf Pränataldiganostik, sind die meisten Verläufe genauso unkompliziert wie Schwangerschaften in jüngeren Jahren.
      Wie belastet oder erschöpft man sich fühlt, ist nicht primär Alters-sondern Typsache.
      Und in der Regel sagen alle Frauen hinterher, dass der Zeitpunkt für sie genau passend war, egal wie jung oder alt sie bei der Geburt letztlich waren. Das hat sich die Natur wahrscheinlich schon ganz schlau ausgedacht, dass wir hinterher so fühlen;)

      Alles Gute für Dich und Deine Pläne,

      Anja

  2. H
    heb. mama

    Danke für diesen Artikel!

    „Dafür ist es wohl erst mal die wichtigste Voraussetzung, den Eltern unvoreingenommen zu begegnen. Wahrlich nicht immer eine leichte Aufgabe und manchmal ist es auch besser, diese an andere abzugeben, wenn es nicht gelingt.“

    Dieser Absatz gehört jeder Hebamme ins Stammbuch geschrieben!

  3. K

    Ich gehe davon aus, dass die Frau alles gut durchdacht und auf jede in Kommentarfunktionen welcher Medien auch immer genannten Gegenargumente bereits nachgedacht und ziemlich sicher mit ihren erwachsenen Kindern darüber diskutiert hat.
    Ich wünsche der ganzen Familie alles Gute, tolerante Mitmenschen, Gesundheit, und eine wundervolle Zeit zusammen!

  4. K

    „Schlimm“ an dieser Geschichte finde ich persönlich nicht das Alter oder dass sie schon 13 Kinder hat. Auch nicht, dass sie alleinerziehend ist. Für mich ist das größe Problem tatsächlich das schreckliche Risiko, dass mit einer Vierlingsschwangerschaft einher geht. Und das hätte meines Erachtens wirklich nicht sein gemusst. 2 Embryonen hätten es doch auch getan und wenn es nicht klappt, dann eben nochmal eine Kryo mit weiteren 2.

    Ich habe den von Rosalie verlinkten Artikel gelesen und kann mit seinem Tenor „Nähe und Liebe ist ja genug da, zur Not durch die Geschwister“ nicht viel anfangen. Denn vielleicht überleben ein oder mehrere Kinder die Schwangerschaft nicht mal. Oder müssen (wenn die Mutter diese Entscheidung trifft) zum Erhalt der gesamten Schwangerschaft sogar abgetrieben werden. Und so ein Dilemma hätte mit einer etwas verantwortungsvolleren Reproduktionsmedizin nicht erst entstehen können.

  5. R

    Nun, ich finde durchaus, diese Frau hat nur das getan, was alle anderen auch tun. Sie hat sich weitere Kinder gewünscht, hat das in die Realität umgesetzt und im Gegensatz zu so manch anderem: Sie weiß ja so halbwegs, was sie tut. Es hat sie ja keiner mit vorgehaltener Waffe in eine Klinik gezerrt und ihr eine unbestimmte Zahl an Embryonen eingesetzt. Sie hat sicher auch im Kreis der Familie darüber nachgedacht, ihr Alter erwogen, die Anzahl der Embryonen, sie wurde aufgeklärt, hatte bei 13 Kindern wahrscheinlich durchaus schon eine Mehrlingsgeburt. Sie hat das ja alles selbst genau so entschieden, weil sie es kann. Jungfernzeugung war das nicht. Und die Grundrechenarten, sowie Lesen beherrscht sie wohl auch. Wir sollten ihr also alles Gute wünschen, dass alle gesund bleiben und sich ihre Wünsche erfüllen. Alter schützt eben vor Kinderwunsch nicht, und sie ist ja nicht alleine.

    Katharina hat dazu auch sehr schön gebloggt:
    http://mamahatjetztkeinezeit.ch/2015/04/11/mit-65-nochmal-schwanger-und-dann-gleich-vierlinge/

  6. F

    Ich denke in dem Berliner Fall, es ist gut, daß die Natur eine begrenzte Zeit der Fruchtbarkeit für die Frau gegeben hat.

    1. R

      Die Natur gibt Frauen in der Menopause auch erhöhtes Krebsrisiko.

      Nur mal so nebenbei, die Natur gibt gar nix und generell nicht jedem gleich viel.

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