Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett und Stillzeit gehören zusammen. Die Hebammenarbeit umfasst all diese Bereiche. Und doch hat wahrscheinlich jede Hebamme ihre beruflichen Vorlieben. Es sind Zeiträume in diesem Betreuungskontinuum, die sie besonders gern begleitet. Mir persönlich lag schon immer besonders das Wochenbett am Herzen.
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Das Wochenbett, diese Zeit zwischen Ausnahmezustand und Ankommen. Es ist eine so besondere und so schützenswerte Zeit. So emotional, so offen, so ehrlich. Manche Frauen haben ich trotz intensiver Betreuung bereits in der Schwangerschaft erst im Wochenbett richtig kennengelernt. Es ist eine sehr sensible Zeit, in der Stress und unbedacht gesagte Worte so viele Probleme machen können. Aber auch eine Zeit, in der Mütter (und auch Väter) oft über sich hinaus wachsen.
Es ist eine Zeit, die immer geschützt und gut begleitet werden sollte. Als Hebamme verstehe ich mich darum auch immer ein bisschen als „Hüterin des Wochenbettes“. Und auch beim vierten Kind hat mir die regelmäßige Ermahnung unserer Hebammen, nicht zu viel und nicht zu schnell zu machen, wieder dabei geholfen, diese Zeit nach der Geburt so stressfrei wie möglich zu gestalten.
Eltern werden zunehmend alleine gelassen
Dazu gehört für mich auch, dass Mütter bei Problemen schnelle Hilfe bekommen. Und auch wenn es keine wirklichen Probleme sind, sollten sie Beruhigung und Zuspruch für all ihre Sorgen bekommen. Denn alles hat seine Berechtigung. Doch diese Unterstützung in Form der „aufsuchenden Wochenbettbetreuung“ durch die Hebamme bröckelt nach und nach weg. Erst passierte es ganz leise. Vor ein paar Jahren fanden dann jene Frauen keine Hebamme mehr, die sich „erst“ nach der 20. Schwangerschaftswoche darum gekümmert hatten. Mittlerweile rufen Schwangere bereits in der 5. Schwangerschaftswoche etliche Hebamme an – und finden doch keine.
Parallel ist die Verweildauer nach der Geburt auf der Wochenbettstation immer kürzer geworden. Und die Unterstützung in der Klinik ist letztich auch nur so gut, wie es der vielerorts immer ausgedünntere Personalstand zulässt. Eltern werden also schlichtweg zunehmend mehr alleine gelassen. Längst lese ich das auch aus den Anfragen an mich heraus, die ich von verzweifelten Eltern nach der Geburt bekomme. Es sind die „typischen“ Stillschwierigkeiten der ersten Tage, die schnell zum großen Problem werden, weil die Eltern über Tage allein herumdoktern, bevor sie sich auf die Suche nach Hilfe machen.
Häufig ist es anfangs die Suche im Internet. Denn das ist nun mal fast immer und schnell erreichbar, wenn am späten Abend das Baby untröstlich weint oder die Brustwarzen schmerzen. Wenn das Wochenbett voller Tränen ist und Eltern diese Emotionen nicht einordnen können. Wenn die Kaiserschnittnarbe „so komisch“ aussieht.
Kein Ersatz für die Hebammenarbeit
Neben den Anfragen für kurzfristige Hilfe bekomme ich immer wieder auch E-Mails von Eltern, die sich für den einen oder anderen Artikel bei Von Guten Eltern bedanken, weil er ihnen in Information und Beruhigung geben konnte. Noch immer denke ich dann: „Eigentlich solltet ihr eine Hebamme haben, die genau das tut“. Aber die Realität sieht längst anders auch. Auch die Rückmeldungen zu meinem „Wochenbettbuch“ spiegeln das wider.
Es gab auch schon die Kritik, dass ich darin häufiger auf die Kontaktaufnahme mit der Hebamme verweise. Jene Hebamme, die eben viele Eltern nicht mehr haben. Aber trotzdem gab und gibt es auch weiterhin genug Situationen, die sich eben nicht weglesen oder via Onlineberatung lösen lassen. Auch die Sorge mancher Kolleginnen darüber, dass Hebammen ihr Wissen ins Netz oder in Bücher schreiben, ist wohl eher unbegründet. Denn nichts davon wird und kann jemals die Hebammenarbeit vor Ort mit den Familien ersetzen können. Denn die persönliche und individuelle Betreuung ist anders einfach nicht möglich.
Trotzdem können gut recherchierte und sachlich korrekte Informationen natürlich helfen, eine Situation vielleicht etwas besser einschätzen zu können. Und dann zu erkennen, wenn wirklich akuter Unterstützungsbedarf besteht. Und zu erfahren, welche Möglichkeiten es dann gibt. Als Hebammen haben wir im Wochenbett auch eine Art Lotsenfunktion und leiten bei Bedarf weiter: an Ärzte, an Psychologinnen, an Therapeuten. So ist das im Gesundheitswesen auch eigentlich gedacht. Doch mehr und mehr müssen sich Eltern in belasteten Situationen alleine „durchwurschteln“. Um zumindest ein paar hoffentlich hier und da hilfreiche Informationen für die Wochenbettzeit bereit zu stellen, wird es auf dem Blog nun die neue Reihe „Wochenbettwissen“ geben, mit Artikeln zu vielen Fragen und Themen, die diese besondere Zeit nach der Geburt betreffen.
Versuche zumindest, eine Hebamme zu finden
Mein wichtigster Tipp fürs Wochenbett für jede Mutter aber bleibt: Versuche zumindest, eine Hebamme zu finden, die in dieser Zeit für Dich und Dein Baby eine vertrauensvolle Begleiterin und Ansprechpartnerin bei Schwierigkeiten ist. Die Hebammenbetreuung im Wochenbett ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Laut Sozialgesetzbuch hat jede Frau Anspruch darauf. Sofern das Kind nach der Entbindung nicht von der Versicherten versorgt werden kann, hat das versicherte Kind Anspruch auf die Leistungen der Hebammenhilfe, die sich auf dieses beziehen. Das ist zum Beispiel für Adoptiveltern relevant. Die Leistung umfasst eine Betreuung bis zu zwölf Wochen nach der Geburt. In den ersten zehn Tagen sind bis zu 20 Hausbesuche oder Beratungen per Kommunikationsmedium möglich. Danach sind noch 16 weitere Hebammenkontakte im regulären Leistungsspektrum bis zu zwölf Wochen nach der Geburt vorgesehen.
Mit einer ärztlichen Anordung zum Beispiel bei Stillschwierigkeiten sind auch mehr Hausbesuche bzw. telefonische Beratungen möglich. Mittlerweile werden die Kosten auch für Wochenbettbetreuung übernommen, die zum Beispiel in Hebammenpraxen oder Familienzentren stattfinden. Warum diese Form der Wochenbettbegleitung aber auch kritisch zu betrachten ist, habe ich in diesem Blogpost schon mal geschrieben
Ich wünsche mir für jede Familie, die es möchte, eine Hebamme, die sie durch das Wochenbett begleitet. Aber auch durch die Schwangerschaft, die Geburt und die Stillzeit. Damit Bücher, Zeitungsartikel, Blogs oder Videos weiterhin einfach nur eine Informationsmöglichkeit bleiben – und nicht die Hebammen „ersetzen“ müssen, die viel zu viele Familien nicht mehr finden können.
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