Durchschnittlich drei von 1000 Frauen entwickeln nach der Geburt eine Wochenbettpsychose. Es wird aber immer noch wenig darüber gesprochen, was die betroffenen Frauen und ihre Familien in dieser hoch belasteten Zeit der Erkrankung erleben.
Hebamme Christina hat hier ihre Geschichte erzählt. Heute teilen wir an dieser Stelle einen weiteren persönlichen Erfahrungsbericht, in dem Alina von ihrer Erkrankungsphase und ihrem Heilungsweg berichtet. Weitere Informationen über Entstehung, Verlauf und Therapie einer Wochenbettpsychose sind hier zu finden.
Keine weiß, welcher Frau sie blüht… Wochenbettpsychose! Ich kann mich noch so gut erinnern wie schön die Schwangerschaft war und wie schnell die Geburt ging, bis mein kleiner Engel endlich in meinen Armen lag.
Ich war überschüttet von Glücksgefühlen und hörte nicht auf meinen Körper, empfing Besuch und schlief kaum, weil es mir wichtiger war, diesen kleinen süßen Menschen zu beobachten. Deshalb frage ich mich auch heute noch manchmal, ob ich hätte etwas besser machen können. Doch ich denke, das Schicksal hat mich wohl einfach getroffen. Und ich hätte dem nicht davon laufen können.
Nach ein paar Tagen durften wir nach Hause. Ich freute mich so sehr auf die bevorstehende Zeit. Womit ich nicht gerechnet habe: Dass bald die schlimmste Zeit meines Lebens folgen wird.
Ich war voller Energie und Tatendrang, hatte keine ruhige Minute und wollte am liebsten alles auf einmal. Spazieren gehen, einkaufen, shoppen. Der erste Spaziergang, den ich mir mit meinem Kind zumutete, war auch viel zu groß. Danach tat mir alles weh! Erst hat sich darum keiner große Sorgen gemacht. Eher waren sie froh, dass ich nicht in eine Depression verfalle. Dass es aber auf eine Wochenbettpsychose hinausläuft, ahnte niemand.
Halluzinationen und Wahnvorstellungen
Ich schlief immer weniger, hatte kaum Hemmschwellen, wollte die Wohnung aufräumen und umgestalten, doch machte mir einfach nur immer mehr Arbeit und Chaos. Ich bekam Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Und langsam merkte meine Familie eine Veränderung und riet mir, mir Hilfe zu suchen.
Das wollte ich aber irgendwie nicht wahr haben. Für mich war alles so normal und ich fühlte mich doch so gut!
An vieles kann ich mich leider oder Gott sei Dank nicht mehr erinnern. Es ist einfach wie ausgelöscht. Manche Dinge erzählt mir meine Familie und ich glaube dann meist selber nicht, dass ich solche Äußerungen getätigt habe. Ich weiß nicht, wie weit es hätte kommen müssen, bis ich mir freiwillig Hilfe gesucht hätte. Vielleicht hat es auch einfach mein Körper für mich geregelt und mich daher zum kompletten Streik gezwungen. Und dann bin ich in die Psychiatrie eingeliefert worden.
Wochenbettpsychose in der Psychiatrie
Eine endlose Fahrt im Krankenwagen und ich verstand überhaupt nicht, wo ich hingefahren werde. An die Ankunft und Aufnahme im Krankenhaus kann ich mich überhaupt nicht mehr erinnern. Ich glaube, ich habe dann erstmal geschlafen und bin dann nachts irgendwann aufgewacht. Ich wollte natürlich nach Hause. Vor allem wollte ich zu meinem Kind.
Ich wurde immer wieder auf den nächsten Morgen vertröstet. Ich hatte auch keinen Schimmer, dass ich mich in einer Psychiatrie befinde. Was ich genau dachte, kann ich leider auch nicht mehr berichten. Aber irgendwie war alles nicht real. Auch in der Klinik hatte ich noch diesen Wahn, Sachen zu ordnen. Im Badezimmer gestaltete ich die Deko neu und schaute mir die Schminketuis der Mitpatientinnen an. Zu dem Zeitpunkt war mir nicht bewusst, dass es nicht mein Eigentum ist. Ich war im Glauben, dass es alte Stücke von mir sind und es irgendwas zu bedeuten hat.
Also wie man merkt: Ich stand total neben mir. Aber das sind wenige Erinnerungen, die ich habe. Am nächsten Tag bekam ich endlich Besuch und realisierte so langsam, dass ich dort bleiben muss, aber immer noch nicht, wo ich bin. Ich starb vor Sehnsucht nach meinem Kind. Aber es hat mich dort mal besuchen dürfen. Ich habe es auch ständig in dem Krankenhaus gesucht, ich dachte mein kleiner Engel wäre mit meiner Hebamme dort.
Dann konnte ich mein Kind sehen
Dann fehlt mir eine ganze Zeit die komplette Erinnerung. Ich weiß nicht, was mein Kopf mit dieser gemacht hat aber vielleicht ist es besser so. Ich habe da nur so vereinzelte Fetzen im Kopf wie zum Beispiel einige Pfleger oder Ärzte sowie ein Mittagsessen im Speisesaal. Aber den Erzählungen nach war es auch wirklich keine schöne Zeit. Und es war keine Besserung in Sicht. Ich schlief sehr viel und hatte große Angst vor einigen Mitpatienten. Ich habe dann auch gemerkt, dass es Psychiatrien und psychisch Kranken gegenüber große Vorurteile gibt. Denn ich habe mir gedacht, die sind hier ja eh alle gestört und was suche ich bloß hier?! Dabei war auch ich in dem Moment psychisch erkrankt und wohl richtig aufgehoben.
Da es mir nicht sonderlich besser ging und sich auch nicht richtig um mich gekümmert wurde, veranlasste meine Familie einen Klinikwechsel. Mit diesem Klinikwechsel ging es mir rasch besser. Die Medikation wurde von dem einen auf den anderen Tag enorm runter geschraubt und mein Zustand verbesserte sich. Ich nahm an Therapien wie beispielsweise Malen und Gesprächstherapien teil.
Schon bald durfte ich zu Belastungserprobungen nach Hause. Dann konnte ich mein Kind sehen, das war mein Highlight. Natürlich freute ich mich auch über die Zeit mit meinem Partner, doch war ich leider noch nicht in der Lage, die Versorgung ganz alleine zu übernehmen, was mich sehr verletzte.
Darüber bin ich einfach nur glücklich
Mit den nächsten Wochen ging es mir immer besser und ich wurde irgendwann entlassen. Im Anschluss an die Behandlung bin ich gemeinsam mit meiner Tochter noch in eine Klinik für Mutter und Kind gegangen. Ich hatte zwar gar keine Lust mehr auf einen weiteren Krankenhausaufenthalt, aber meine Vernunft siegte. Und ich war der Überzeugung, dass es für mich und mein Kind das Beste ist, sodass wir wieder in einen gemeinsamen Alltag finden.
Und so war es, es war eine super Zeit für uns beide. Wir waren ab da wieder jeden Tag zusammen und unsere Bindung war genau so wunderbar wie seit dem Moment, als die Hebamme mir mein Kind auf die Brust gelegt hat. Wir hatten bindungsfördernde Therapien und auch Therapien wie Haushaltstraining, um wieder in den Alltag zu finden.
Die Zeit tat uns beiden sehr gut, nach vier Monaten wurden wir nach Hause entlassen und sind nun wieder als Familie komplett. Ich mache nun eine ambulante Therapie, um alles erlebte zu verarbeiten. Ich konnte im Therapieverlauf merken, wie ich immer mehr „die Alte“ wurde – und darüber bin ich einfach nur glücklich.
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