Während immer noch überlegt wird, ob und wie man die Hebammengeburtshilfe erhalten kann, bröckelt es stetig weiter an der gesamten Hebammenversorgung. So erstaunt mich weder die Tatsache, dass Frauen mittlerweile bei eBay-Kleinanzeigen nach Hebammen suchen, noch dass ganze Landkreise unterversorgt sind mit Hebammen, die Mütter vor und nach der Geburt begleiten. Es ist natürlich nett, dass das Krankenhaus dort als „Alternative“ anbietet, Mütter ein, zwei Tage später als geplant nach der Geburt zu entlassen, aber dies ersetzt mit Sicherheit keine vernünftige Wochenbettbetreuung.
Auch die Option, nach der Geburt bei Problemen in die Klinikambulanz zu kommen, ist keine schöne Vorstellung. Denn weder bei einem Milchstau, einer schmerzenden Naht oder sonstigen im Wochenbett vorkommenden Problemen ist es förderlich, wenn die Wöchnerin nun auch noch mit ihrem Kind in die Klinik fahren muss, um sich dort nach sehr wahrscheinlich längerer Wartezeit von einem Arzt behandeln zu lassen, der weder sie noch den Wochenbettverlauf kennt.
Aber so wird wohl die Zukunft aussehen, wenn sich nicht doch noch endlich etwas tut. Rundherum geben nämlich auch die Kolleginnen, die „nur“ noch die Schwangerschaft und das Wochenbett betreuen, auch diese Tätigkeit auf. Denn auch hier sind mit den Kosten für die Haftpflichtversicherung, die Mitgliedschaft im Berufsverband (ohne den ich die entsprechende Versicherung gar nicht erst abschließen kann) und für die Pflichtunfallversicherung über die Berufsgenossenschaft schon mal knappe 1000 Euro fällig. Bei einem Durchschnittsstundenlohn von 8,25 Euro kann man sich ausrechnen, wie viele Wochenbettbesuche jemand allein für diese Kosten machen muss.
Zu früh oder zu spät im Kreißsaal
Doch gerade diese Betreuung wird häufig von Hebammen in Teilzeit angeboten, weil viele Kolleginnen parallel in der klinischen Geburtshilfe oder in der Fort-und Weiterbildung arbeiten, studieren oder die Familiensituation es schlicht erfordert. Doch genau diese vielen Kolleginnen hören nach und nach auf, einfach weil es sich nicht mehr lohnt. Oder weil sie im schlimmsten Fall sogar noch draufzahlen.
Die Versicherungsprämie, die ich heute nur für die Tätigkeit in Schwangerschaft und Wochenbett aufbringen muss, hat 2003 sogar noch die Geburtshilfe mit versichert. Die Versicherung für das komplette Spektrum der Hebammenhilfe ist schon längst nicht mehr bezahlbar, wenn man dieses Arbeit nicht mindestens 60 Stunden pro Woche und in Dauerrufbereitschaft ausübt. Auch die bei außerklinischen Geburten anwesende zweite Hebamme kann diese Summe nicht stemmen, weil nur die erste Hebamme die Geburt entsprechend abrechnen kann.
Als es noch finanzierbar war, sich geburtshilflich zu versichern, konnten die Schwangeren mich beim fraglichen Geburtsbeginn anrufen und ich habe sie zu Hause so lange betreut, bis sie mit guter Wehentätigkeit und einem geburtsreifen Befund in die Klinik fahren konnten. Dies hat oft verhindert, dass Frauen mit „Fehlalarm“ oder viel zu früh in der Klinik aufkreuzten. Heute müssen das die Kreißsaalkolleginnen alles mit abfangen, wodurch ihnen noch weniger Zeit für die Geburtsbegleitung zur Verfügung steht.
Andere Eltern werden aus Sorge vor einem „Fehlalarm“ vielleicht auch zu spät in Richtung Kreißsaal fahren. Doch aus versicherungstechnischer Sicht ist die Geburt zu so einem „gefährlichen und unberechenbaren“ Lebensereignis geworden, so dass man sich als nicht geburtshilflich versicherte Hebamme am besten weit fern von Frauen mit einem möglichen Geburtsbeginn aufhält. Was für eine absurde Situation, die garantiert nicht zu einer verbesserten und sichereren Begleitung führt! Doch auch Schwangerschaft und Wochenbett werden dadurch zunehmend zu Hochrisiko-Vorgängen stilisiert, wenn man sich auch hier die Prämienentwicklung anschaut. Natürlich ist die Erhöhung nicht so absurd hoch wie in der Geburtshilfe. Doch jede zwanzigprozentige Erhöhung – wie in diesem Sommer gerade stattgefunden und für Juli 2015 bereits erneut angekündigt – treibt natürlich auch die Kosten für die Versicherungsformen ohne Geburtshilfe ordentlich in die Höhe. An der Höhe der Gebühren, die Hebammen mit den Krankenkassen abrechnen können, hat sich leider vergleichsweise kaum etwas verbessert in den letzten Jahren.
Hebammensuche direkt nach dem positiven Test
Hebammen, aber vor allem auch werdende Eltern, spüren schon längst die Auswirkungen des ganzen Dilemmas, denn wer in manchen Regionen jenseits der 10. SSW noch eine Hebamme für die Vor- und Nachbetreuung sucht, wird keine finden. Eine Hebamme für eine außerklinische Geburt oder eine Beleggeburt zu finden, ist nahezu aussichtslos geworden, wenn man nicht direkt nach dem positiven Schwangerschaftstest mit der Suche beginnt.
Ich hatte mir irgendwann mal angewöhnt, meine Betreuungsanfragen sporadisch mittels einfacher Strichliste zu dokumentieren. Als Berufsanfängerin war für mich noch die Fragestellung dahinter, ob man denn überhaupt genug Anfragen hat, um ausreichend arbeiten zu können. Diese Sorge war nie berechtigt. Jetzt aber ist es eher mittlerweile eine traurige Chronologie des Hebammensterbens. Denn die Anfragen nehmen deutlich zu und damit auch die Anzahl von Frauen, denen ich keine Betreuung anbieten kann. Und meine Kolleginnen auch nicht. Weil sie keine Kapazitäten mehr haben. Weil sie ganz aufgegeben haben.
Erst gestern meldete sich eine verzweifelte Frau mit Stillproblemen. Ihre Tochter ist fünf Tage alt und sie hat keine Hebamme für ihre Wochenbettbetreuung gefunden. Sie hatte übrigens früh genug mit der Suche begonnen! Die Sommer- und damit Ferienzeit ist und war schon immer ein Zeitraum, in dem es schwerer ist, eine Hebamme zu finden. Zwar ist kaum eine Hebamme sechs Wochen am Stück weg – schon allein, weil das Budget es nicht hergibt. Doch mittlerweile findet man auch keine Kolleginnen mehr, die einen als Hebamme in den eigenen Urlaubswochen vertreten könnten. Und ohne Vertretung kann man keine Betreuung annehmen, da nie planbar ist, wann ein Baby geboren wird und damit die betreuungsintensivste Zeit sein wird. Deshalb spitzt sich in dieser Zeit die Lage besonders zu. Frauen sagen in ihrer Verzweiflung dann häufig, dass das auch schon ohne Vertretung gehen werde. Doch darauf kann und sollte sich keine Hebamme und auch keine Schwangere einlassen. Weil IMMER genau dann das Kind kommt oder die Probleme auftreten, wenn die Hebamme weg ist.
Wochenbett im Wartezimmer
Das ist dann eine genauso unsichere Schwangeren- und Wochenbettbetreuung wie eine Geburtshilfe, bei der die Hebamme nur alle Stunde mal zur Kreißsaaltür herein schauen kann, weil sie drei andere Frauen parallel betreut. Die Arbeit auf den geburtshilflichen Stationen wird übrigens auch nicht weniger werden, wenn dann noch die unbetreuten Wöchnerinnen mit schmerzender Naht oder Stillproblemen in der Ambulanz sitzen und vom Klinikpersonal mit versorgt werden müssen.
Die Richtung ist klar. Ein kleiner Blick auf meine Strichlistenstatistik sagt mir, dass ich diesen Monat bereits 26 Betreuungsanfragen absagen musste und das in gerade mal elf Tagen. Werden diese Frauen noch eine Hebamme finden? Oder werden sie statt gut versorgt im Wochenbett nun mit ihren kleinen Babys und all ihren Sorgen und Nöten der Anfangszeit in der Klinikambulanz oder in überfüllten Wartezimmern beim Kinderarzt oder Gynäkologen herumsitzen? Bekommen sie dort wirklich die Hilfe und Unterstützung, die sie in dieser besonderen Lebensphase brauchen? Ich höre besser auf, diese Gedanken bis zu Ende zu denken. Denn es würde nur dazu führen, dass ich mehr arbeite als unser Familienalltag verkraftet und ich wie viele engagierte Kolleginnen unaufhaltsam in einen Burnout hineinrutsche. Und mich damit einreihe in die lange Liste von Hebammen, die ihre Arbeit bereits aufgegeben mussten…
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