Eltern, die eine so ganz anders als geplant verlaufene Geburt erlebt haben, sagen oft hinterher: „Das hätte man uns mal jemand im Geburtsvorbereitungskurs sagen sollen.“ Ja, gelegentlich denke ich das auch, wenn ich von so manch invasivem Eingriff höre. Zum Beispiel vom unter der Geburt angewandten Kristeller-Handgriff, den die Frauen oft hinterher mit Sätzen wie „Und die Ärztin ist auf meinen Bauch gesprungen und hat das Kind von oben heraus geschoben“ beschreiben. Auch der Einsatz von Wehenmitteln oder anderen Medikamenten kommt doch recht häufig vor.
Natürlich spreche ich als Hebamme in der Geburtsvorbereitung auch von anders verlaufenden Geburten, von operativen Eingriffen und auch vom Kaiserschnitt. Ich erkläre, zeige Bilder und beantworte Fragen. Doch sind Eltern damit auf alles vorbereitet, was kommen könnte? Nein, ich glaube nicht. Und was wiederum macht es mit dem Vertrauen in die eigene Gebärfähigkeit, wenn sämtliche Komplikationen bis ins letzte Detail besprochen werden? Derweil verlaufen nur noch weniger als zehn Prozent aller Geburten überhaupt komplett ohne Interventionen in Form von medizinischen Eingriffen ab.
Zu spät für andere Optionen
Im Kurs erzähle ich, wie die Hebamme unter der Geburt die Frau begleitet. Doch gleichzeitig weiß ich, dass niemand weiß, ob eine Hebamme dafür überhaupt ausreichend Zeit haben wird. Da komme ich mir bisweilen fast ein bisschen wie ein Gesundheitsminister vor, der auch immer noch erzählt, wie gut die Geburtshilfe in Deutschland doch sei, während Kreißsäle notorisch unterbesetzt sind und eine Geburtsklinik nach der anderen schließt.
Natürlich erzähle ich auch von Beleghebammen oder der Option, in einem Geburtshaus oder zu Hause mit einer Hebamme zu gebären. Aber wenn die Paare im Wochenendkurs sitzen, sind es meist nur noch wenige Wochen bis zum errechneten Geburtstermin. Es ist in aller Regel völlig utopisch, an diesem Zeitpunkt noch eine freie Hebamme für eine 1:1-Betreuung zu bekommen. Selbst sich noch in einer anderen Klinik anzumelden, ist meist nicht mehr möglich. Also kann man nur das Beste aus den noch verbliebenen Optionen machen.
Worauf soll die Geburtsvorbereitung also vorbereiten? Auf die normale Geburt, wie es sie kaum noch gibt? Darauf, dass Eltern zumindest wissen, was alles auf sie zukommen kann und sie es nicht erst untern Wehen das erste Mal davon hören? Gute Hoffnung vermitteln, die aber möglicherweise fernab der Realität ist? Aufzeigen, was gehen könnte, in der Realität aber kaum noch geht?
Recht auf einen guten Anfang
Jedes Elternpaar in einem Kurs bringt seine eigene Geschichte mit. So wird man niemandem in einem 14-stündigen Geburstvorbereitungskurs das Vertrauen in den eigenen Körper und die Gebärfähigkeit zurückgeben können, wenn schon viele Untersuchungen und Äußerungen in der Schwangerschaft Eltern extrem verunsichert haben. Es ist auch ein eher schwieriger Zeitpunkt, das bisher Erlebte nun so in Frage zu stellen. Innerlich denke ich oft: „Warum ist diese Mutter an so vielen Stellen grundlos verunsichert worden?“ Die Erwartungen an Geburtsvorbereitungskurse sehen so unterschiedlich aus, wie die Menschen, die sie besuchen. Es bleibt also nicht aus, dass auch manche Eltern enttäuscht aus dieser Veranstaltung gehen. Die einen werden sagen, dass es ihnen zu unrealistisch und vielleicht sogar zu esoterisch war. Die anderen werden sich an zu ausführlichen Beschreibungen von eher unangenehmen Aspekten stören, die ihnen vielleicht sogar Angst gemacht haben.
Es ist eigentlich nicht machbar, zehn Paare, also zwanzig verschiedene Menschen, in einem Kurs auf ein so persönliches und individuelles Ereignis wie die Geburt vorzubereiten. Viele Fragen oder Sorgen besprechen Eltern zum Glück meistens noch mal im Einzelgespräch mit ihrer Hebamme. Trotzdem halte ich Geburtsvorbereitungskurse generell für sinnvoll. Viele Punkte können zwar einfach nur angestoßen werden, aber führen vielleicht dazu, dass Eltern sich bewusst machen, dass sie das Recht auf einen guten und gut begleiteten Anfang haben. Dass sie die Hauptakteure in diesem Geschehen sind und ihre Selbstbestimmung nicht auf der Strecke bleiben darf. Auch und gerade dann, wenn die Geburt dann letztlich ganz anders als erwartet verläuft.
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