Schon seit einigen Jahren verdichtet sich das Angebot an Fortbildungen, Kursen und Workshops, die Menschen für die Arbeit mit Schwangeren und Eltern ausbilden sollen. Ob Schwangerenbegleiterin, Geburtscoach oder Wochenbettunterstützerin – die meisten dieser Angebote sind darauf ausgerichtet, junge Familien vor und nach der Geburt eines Kindes zu unterstützen. Der Markt ist mittlerweile groß, die Nachfrage ist da. Gerade heutzutage, wo es nicht mehr selbstverständlich ist, eine Hebamme für die Betreuung vor, bei oder auch „nur“ nach der Geburt zu bekommen.
Gleichzeitig sinkt die Anzahl der Bewerberinnen an den Hebammenschulen beständig. Auch die Verweildauer der examinierten Hebammen im Beruf scheint immer kürzer zu werden. Trotzdem haben offenkundig viele Frauen – und einige wenige Männer – den Wunsch, Familien in dieser ganz besonderen Lebensphase zu begleiten. Doch Hebamme werden möchte keiner mehr.
Natürlich wissen die meisten, dass sich die Arbeitssituation stetig verschlechtert hat bzw. die Vergütung nicht zu den eklatant gestiegenen Berufsausgaben passt. Allerdings glaube ich, dass man auch als Schwangerenbegleiterin oder Familienberaterin nicht allzu großartig verdienen wird. Deshalb habe ich mich schon oft gefragt, was Frauen letztlich davon abhält, einen unmittelbar für diese Lebensphase ausbildenden Beruf zu erlernen. Natürlich ist der Weg wesentlich länger als einen Wochenendkurs zu belegen. Aber viele besuchen auch nicht nur eine Fort- oder Weiterbildung zu diesem Themenbereich.
Familien nach der Geburt ohne Hebammenhilfe – und dann?
Ist es vielleicht letztlich die Angst vor der nicht gerade kleinen Verantwortung? Denn natürlich bin ich als Hebamme schnell sachlich haftbar, wenn sich Verläufe nicht wie erwünscht gestalten. Und das betrifft nicht nur die Geburtshilfe. Wer keine Hebamme ist, sondern „nur in diesem Bereich“ arbeitet, muss sich weder besonders kostenintensiv versichern noch kann wirklich belangt werden, wenn ein Schadensfall entsteht, weil falsch beraten oder etwas übersehen wurde. Als Hebamme nimmt man seine Fälle gerne mal mit ins Bett und überlegt auch noch nach Feierabend, ob auch wirklich an alles gedacht wurde. Das macht den Beruf sicherlich auch außerhalb seiner Dienstzeiten bisweilen recht anstrengend.
Erst vor einigen Tagen habe ich eine Hebammenfortbildung besucht, bei der es auch um Notfälle im Wochenbett ging. Natürlich treten diese Ausnahmesituationen vergleichsweise selten auf, was aber sicherlich auch daran liegt, dass bei guter Hebammenbetreuung die Frühwarnsymptome erkannt und Mutter oder Kind rechtzeitig behandelt werden. Doch was passiert, wenn Familien nach der Geburt keine Hebammenhilfe mehr bekommen? Ich habe jetzt bereits immer wieder mal mit Kindern in der Stillberatung zu tun, bei denen eine Gedeihstörung einfach nicht erkannt wurde. Der Grund dafür: Es war in den ersten Tagen oder Wochen keine Hebamme bei der Familie. Einfach weil die Familie keine Hebammen für die Wochenbettbetreuung mehr gefunden hatte.
Wir brauchen nicht nur schöne Kurse
Trotzdem werden Mütter mit ihren Babys immer früher aus der Klinik entlassen, weil das für die Krankenhäuser finanziell attraktiver ist. Aber erkennen wirklich alle Eltern die Anzeichen für eine Neugeborenengelbsucht oder für Störungen der Rückbildung bei der Mutter selbst? Zum Glück haben die Eltern oft ein ganz gutes Gespür für Probleme und suchen dann einen Arzt oder die Klinik auf, was aber gerade im Wochenbett ein erheblicher Stressfaktor ist. Und manchmal ist es auch nicht der Fall, weil es den Eltern selbst nicht gut geht oder sie einfach nicht wissen, welches Verhalten für ein Neugeborenes normal ist und welches nicht. Darum und auch aus anderen Gründen ist eine fachliche Begleitung in dieser Lebensphase sinnvoll – und die meisten Familien wissen eine solche Begleitung auch sehr zu schätzen.
Nun stellt sich die Frage: Werden die vielen neuen Unterstützungsangebote, die durch die immer weniger werdenden Hebammen entstehende Versorgungslücke füllen können? Nein, eher nicht, weil dafür die Grundkenntnisse der Hebammenausbildung fehlen. Und was nützt die optimalste Vorbereitung auf die Geburt, wenn in den Kreißsäalen nicht mehr genug Hebammen arbeiten, um Frauen überhaupt zu begleiten? Wir brauchen nämlich nicht nur schöne Kurse, sondern vor allem auch unter der Geburt eine entsprechend an den Bedürfnissen der Frauen orientierte Begleitung.
Keine Hebammen mehr, dafür höheres Gesundheitsrisiko
In den nächsten Jahren werden viele ältere Kolleginnen in den Ruhestand gehen und das Problem des Hebammenmangels wird sich weiter verschärfen. Fortbildungen und Wochenendseminare für Quereinsteiger in den oben genannten Weiterbildungen werden das Problem nicht lösen. Ohnehin sind all diese Angebote stets eine private Selbstzahlerleistung. Damit sind sie nur für einen ausreichend wohlhabenden Anteil der Familien zugänglich.
Wer gerne in diesem Bereich arbeiten möchte, sollte vielleicht doch noch mal darüber nachdenken, ob nicht die Hebammenausbildung der richtige Weg ist. Die Ausbildung bzw. das Hebammenstudium sind kein Zuckerschlecken. Auch die Bedingungen hinterher sind oftmals alles andere als optimal. Aber trotz allem halte ich den Hebammenberuf nach wie vor für einen der schönsten Berufe im Gesundheitsbereich. Wenn aber niemand mehr Hebamme werden will, haben wir bald Bedingungen, wie sie in anderen Ländern längst üblich sind. Einhergehend mit höheren gesundheitlichen Risiken für Mutter und Kind,
Die ganzen Zusatzangebote können sicherlich so manchen Aspekt der Hebammenarbeit gut ergänzen, aber diese eben keinesfalls ersetzen. Darum denke ich oft, dass es doch schade ist, wenn so engagierte Frauen dann nicht in einem Beruf landen, in dem sie so unmittelbar viel für eine gute Versorgung und Begleitung von Eltern und Kindern tun könnten – ob vor, bei oder nach der Geburt. Vielleicht denkt also die eine oder andere da draußen doch noch mal darüber nach, ob Hebamme vielleicht nicht doch ein ganz passender Beruf für sie wäre.
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