Konstanze Elisabeth ist 34 Jahre alt und kommt aus Dresden. Seit 2005 ist sie Hebamme. Sie hat eine lange und und schwere Kinderwunschzeit hinter sich, die durch die Arbeit als Hebamme oft zusätzlich belastet wurde. Nach einer gerade anfangs nicht einfachen Schwangerschaft durfte sie nach einer schönen Geburtshausgeburt endlich ihr so lange gewünschtes und erwartetes Baby in den Armen halten. Heute ist Konstanze Elisabeth Mutter von zwei Kindern.
Die Idee, Hebamme zu werden und mein eigener Kinderwunsch wurden vermutlich um dieselbe Zeit herum geboren, nämlich zu einer Zeit, wo viele Mädels sicher noch gar nicht so an das Thema Kinderkriegen denken. Schon nach meiner Konfirmation rechnete ich nach, ob ich mir denn von dem geschenkten Geld eine Erstausstattung für mein erstes Kind leisten könnte, denn ich wusste, dass ich nach Abitur und Hebammenausbildung ganz schnell schwanger werden wollte. Mit 22 traf ich dann meinen Mr. Perfect und nach schon zwei Monaten waren wir uns sicher, dass wir uns schon jetzt sofort Kinder zusammen wünschen.
Monat für Monat verging, noch nie hatte ich einen annähernd regelmäßigen Zyklus und Eisprünge vielleicht ein oder zwei pro Jahr. Dazu lebten wir in einer Pendelbeziehung, uns trennten 650km. Aber ich war noch recht zuversichtlich, begab mich in die Hände von Heilpraktikern, Körpertherapeuten, las viel über alternative Methoden der Zyklusregulation – aber nichts tat sich.
Anfangs noch relativ entspannt, wurde der Wunsch immer größer und schmerzvoller. Um mich herum wurden alle schwanger. Der Freundeskreis veränderte sich, überall kamen Kinder zur Welt. Es waren mittlerweile fünf Jahre vergangen, in denen ich teilweise monatsweise drei, vier negative Schwangerschaftstests in der Hand hielt – denn Körper und Seele können einen hervorragend an der Nase herumführen und vorspiegeln, dass es ja vielleicht doch geklappt haben könnte. Zunehmend wurde es für mich schwerer zu arbeiten. Es tat einfach so weh, Familien beim ersten, zweiten, dritten Kind zu begleiten, vielleicht zum Teil ungeplante oder sogar unerwünschte Kinder in die Familien kommen zu sehen – und selbst immer häufiger die Frage gestellt zu bekommen: „Und, wann bekommst Du mal ein Kind?“ Oder Aussagen zu hören wie: „Du willst Dir wohl die Schmerzen nicht antun!“ Oder: „Ihr müsst einfach mal abschalten, dann klappt es auch.“ Oder: „Vielleicht denkt sich die Natur ja auch was dabei, wenn sie nicht will, dass jemand ein Kind bekommt“ (Ausspruch von einer betreuten Frau, die gerade ihr fünftes Kind bekommen hatte und mir tags zuvor noch am Boden zerstört klagte, dass sie viel lieber ein Mädchen bekommen hätte!).
Nicht den Eisprung verpassen
Zwischen den Terminen saß ich immer häufiger weinend und verzweifelt im Auto, mein Mann wollte aber konnte mir nicht helfen. Und kurz vorm Zusammenbruch beschloss ich doch, den Weg in eine Kinderwunschklinik zu gehen. Ich, die ich mir in meinen Träumen alles nur so natürlich wie möglich erwünscht hatte, musste mir nun täglich Hormone spritzen, ständig Ultraschallkontrollen über mich ergehen lassen. Es folgten Operationen, Behandlungsfehler, der ganze Tages- und Wochenplan richtete sich nur noch nach der Behandlung (das Medikament musste immer zur gleichen Zeit gespritzt werden, was bei mir abends war, so dass Kino oder Theater nicht möglich waren). Schlussendlich gab es einen Zettel in die Hand, auf dem geschrieben stand, wann man „Lust“ haben sollte, um nicht den Eisprung zu verpassen und wieder hunderte Euro in den Sand gesetzt zu haben. Immer alles in der riesigen Hoffnung, dass doch endlich die Qualen vorbei sein mögen und der positive Schwangerschaftstest in der Hand sei.
Nachdem die Kinderwunschklinik uns kaum noch Hoffnungen machte – und ich mir sicher war, den Beruf am Jahresende an den Nagel zu hängen, weil ich es einfach nicht mehr aushalten konnte, gab es einen letzten Versuch… und der war positiv. Ich schwebte eine Woche lang wie auf Wolken. Konnte es kaum glauben. Ich sollte tatsächlich Mama werden. Eine Woche nach dem positiven Test bekam ich regelstarke Blutungen. Ich hatte Angst, Panik, dachte, alles ist vorbei. Es blutete weiter, aber der Ultraschall sagte: alles gut. Ich musste liegen, Ende der 6. SSW war sich die Ärztin auf einmal nicht mehr sicher, ob alles gut sei – und überwies mich zur Beobachtung in die Klinik.
Die Worte der Ärztin dort werde ich, die ich wie ein Häuflein Elend vor ihr saß, nie vergessen: „Haben Sie heute schon was gegessen, oder können wir gleich ausschaben, sonst verbluten Sie am Wochenende!“ Und da war Gott sei Dank unter all der traurigen Schwangeren die Hebamme wieder da. Ich wusste, dass das nicht stimmt. Ich wollte nicht dort bleiben, wollte nur nach Hause. Die Ärztin wurde kaltschnäuzig, betonte nochmals, dass ich sicher verbluten würde und zumindest einen Ultraschall würde sie noch machen. Nach der äußerst unangenehmen, fast schon brutalen Ultraschalluntersuchung, meinte Sie: „Wenn es bis jetzt keine Fehlgeburt war, dann ist es jetzt eine!“ Ich ließ mich entlassen, lag zwei Tage heulend und blutend auf der Couch… um am Montag einen Termin bei meinem Gynäkologen wahrzunehmen. Er schallte behutsam und auf dem Monitor war ein winzigkleines, schlagendes Herz zu sehen.
„Dein Kind hat noch Zeit!“
So lag ich bis zur 15. Woche auf dem Sofa, blutete reichlich, dazu war mir stark übel (was mich aber gefreut hat, weil ich so immer hoffte, dass die Schwangerschaft stark ist) und ich hatte eine riesengroße Angst um mein Kind. Von einem auf den anderen Tag war die Blutung – deren Ursache niemand gefunden hat, trotz gefühlt tausender Ultraschalluntersuchungen. Vor der Schwangerschaft war ich sicher, nur drei Ultraschalle machen zu lassen – wenn überhaupt. Die restliche Schwangerschaft verlief nahezu bilderbuchmäßig, um die 32. SSW wurde bei einer Untersuchung nach einem Treppensturz ein schon ziemlich verkürzter Gebärmutterhals festgestellt, der mich auch zu mehr Ruhe gemahnte – aber ansonsten freute ich mich vorbehaltlos auf die Geburt, die mit den zwei tollsten Hebammen überhaupt im Geburtshaus stattfinden sollte.
Da mein Mann beruflich weit weg beschäftigt ist, war meine größte Sorge, dass er es nicht zur Geburt schaffen würde. Deshalb besprach ich mit unserem Sohn, dass es schön wäre, wenn er sich das Karnevalswochenende (39. SSW) zum Geborenwerden aussuchen würde. Und so kam es auch. Nach ein klein wenig Anschubsversuchen von Mama und Papa bekam ich wunderbar regelmäßige, schmerzhafte Wehen, die erst in größeren, dann in kürzeren Abständen alle drei bis vier Minuten kamen – und die mich schon ganz schön mitatmen ließen. Mein Muttermund war zu dem Zeitpunkt ungefähr vier Zentimeter (Selbstuntersuchung) und da es nach fünf Stunden Wehen Richtung Nacht ging, wollte ich gern versuchen, zwischen den Wehen noch ein wenig auszuruhen.
Ab dem Moment, in dem ich im Bett lag, vergrößerten sich die Abstände. Fünf Minuten, sieben, zehn und dann 30 Minuten… und am nächsten Morgen war weit und breit keine Wehe mehr zu spüren. Ich war traurig, wütend, frustriert. Ich telefonierte mit meiner Hebamme, die mir das sagte, was ich sonst auch jeder Schwangeren geraten hätte: Dein Kind hat noch Zeit, gib sie ihm! Wir verbrachten das Wochenende nochmal richtig als Paar: Zoobesuch, Therme, Kino, lange Hundespaziergänge… es war schön und stressig, die Panik stieg allerdings, dass unser Sohn vielleicht doch erst zur Welt kommen wollte, wenn der Papa schon wieder weit weg ist. Doch Sonntagabend begannen die Wehen wieder, und dieses Mal fuhren wir nach zwei Stunden ins Geburtshaus.
Der Moment, auf den ich gut 15 Jahre gewartet habe
Der Wehenschmerz war heftig, aber ich konnte die Wehen gut verarbeiten und war überrascht, weil ich mir den Schmerz noch intensiver und stärker vorgestellt hatte. Im Geburtshaus angekommen war der Muttermund schon vollständig eröffnet, nun musste mein Sohn nur noch den Weg durchs Becken gehen… und das war recht schwierig. Also leiteten die besten Hebammen der Welt mich wunderbar an (auch wenn sich das in dem Moment der Wehen dann nicht mehr so wunderbar anfühlte) und während ich turnte und atmete, redete ich immer und immer wieder mit unserem Sohn, dass er bitte jetzt langsam mal rauskommen soll und das alles ganz prima macht. Nach eineinhalb Stunden, es war kurz nach Mitternacht, wurde er im Vierfüßlerstand geboren. Ich konnte mich währenddessen an meinen Mann lehnen, fühlte mich sicher und geborgen und hatte zu keinem Zeitpunkt Angst. Nun war er da. Der Moment, auf den ich gut 15 Jahre gewartet und mich danach gesehnt habe. Ich hatte Bruno auf dem Bauch, während die Hebammen (relativ lang) einen Riss versorgten, und habe wohl währenddessen zu meinem Mann und den Hebammen gesagt „drei Mal mache ich das noch!“
Es war ein wundervolles, kraftvolles Erlebnis… auch die drei Stunden, die wir danach noch im Geburtshaus verbrachten, fühlten sich heilig und so richtig an. Sie entschädigten so für viele Jahre des schmerzvollen Kinderwunsches und für die panikreiche Frühschwangerschaft.
Leider warteten im Wochenbett auch ein paar Stolpersteine auf uns. Als Bruno vier Tage alt war, mussten wir in die Klinik wegen einer Neugeborenengelbsucht. Bruno lag fast sieben Tage lang unter Blaulicht, hatte permanent Sauerstoffabfälle (um die 85 Prozent), auf die niemand reagierte (es gab Nasentropfen, das war alles – bis heute weiß ich nicht, warum ich damals nicht interveniert habe – aber ich war eben Mutter, verzweifelt, hatte unendlich Angst um mein Kind und war einfach keine Fachfrau mehr. Wir lagen wegen Überfüllung der Klinik auf einer chirurgischen Station, wahrscheinlich war das einfach nicht deren Thema.
Fast 24 Stunden am Tag hatte ich den Kopf mit im Inkubator, weil Bruno, sobald ich nicht ganz nah bei ihm war, hysterisch schrie und sich die Maske von den Augen riss. Ich hatte Angst um mein Kind, zwar wissend, dass ein Ikterus durchaus normal ist und normalerweise auch gut behandelbar, aber Brunos Bilirubinwert sank und sank nicht. Zeitgleich ging es zuhause meiner elfjährigen Hündin sehr schlecht, das bekam ich nur wie durch eine Nebelschicht mit. Auch, dass sie zwei Tage nach der Klinikentlassung über die Regenbogenbrücke wandern musste bekam ich mehr in Trance mit (und vermisse sie bis heute).
… aber dann wird es gut
Die Stillerei – als Hebamme und Stillberaterin mit absolutem Stillspleen war natürlich klar, dass lange und reichlich gestillt würde – funktionierte gar nicht mehr, Bruno konnte nicht mehr saugen. Umgehend wurde meine Milch weniger. Das machte mir Angst, weil die Ärzte in der Klinik eine Gewichtszunahme als wesentliches Kriterium für die Entlassung ansahen. Also schlich ich nachts in die Teeküche, holte mir aus einem Schrank heimlich eine Prenahrung und fütterte sie ihm, als ich mal nicht genug Milch abpumpen konnte, unter Tränen. Nach der Klinikentlassung (Bruno war fast zwölf Wochen gelb wie eine Zitrone!) sagte meine Hebamme mit Blick auf den fehlenden Saugreflex: „Das wird nichts mit dem Stillen, denke ich“. Einen Satz, den ich nicht akzeptieren wollte.
Also habe ich weitere zwölf Wochen lang gekämpft, habe gepumpt, gefüttert, versucht anzulegen, geheult, war verzweifelt, war zwölf Wochen lang auf einem anderen Stern. Ich wollte mich einigeln, alleine sein (mit Kind und Mann, aber letzterer war ja wieder weit weg), niemanden sehen. Alles stresste mich, da ich so viel Kraft für Stillen, Pumpen und Füttern brauchte. Doch irgendwann schaffte er es, mit Hütchen (beißend, nicht saugend) zu trinken. Kaputte Brustwarzen waren die Folge. Bruno trank Blut, spuckte es wieder aus. Aber ich wollte nicht aufgeben. Nach zwölf Wochen, von einem Tag auf den anderen, trank er ohne Hütchen. Ohne Beißen. Und dann fast zwei Jahre lang.
So wie Schwangerschaft und Stillzeit begannen, so ist es auch heute mit meinem Sohn. Alles braucht ein bisschen Zeit, aber dann wird es gut. Ich bin für die unheimlich schöne Geburt sehr dankbar! Nach dreieinhalb Jahren kam dann – ziemlich überraschend – noch eine kleine Schwester hinzu. Aber das ist eine andere Geschichte…
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