Franziska ist 29 Jahre alt und seit 2010 Hebamme. Sie arbeitet mit zwei Kolleginnen gemeinsam in einer Praxis. Hier erzählt sie von der Geburt ihres zweiten Kindes, das im Februar diesen Jahres geboren wurde. Ihr Geburtsbericht zeigt gut, warum auch Hebammen natürlich Hebammen brauchen.
Die Schwangerschaft mit diesem Kind kommt total überraschend, aber nicht ungeplant. Bereits im ersten Zyklus bin ich schwanger geworden. Ich melde mich sofort bei einer Kollegin zur Beleggeburt an, weil die Geburtsbetreuung bei meinem ersten Kind eine kleine Katastrophe war, die ich nicht noch einmal erleben wollte.
Alles ist ganz anders als beim ersten Kind. Ich habe keine vorzeitigen Wehen und liege nicht die ganze Zeit, sondern arbeite bis zur 29. Schwangerschaftswoche. Bis auf die drei Ultraschalle sieht mich die Frauenärztin nicht, denn ich genieße wunderbare Hebammenvorsorge bei meiner Kollegin Steffi, die mich immer wieder erdet und bei allen kleinen Problemchen tiefenentspannt bleibt. Das habe ich auch bitter nötig, denn ich bin ein absolut verkopfter Mensch und male mir immer alles in den schrecklichsten Farben aus.
Der Geburtstermin rückt näher und bei mir kommen ziemliche Ängste auf, was die Geburt angeht. Das erste Kind war groß und schwer, die Geburt sehr lang. Ich bin sehr sehr zierlich und befürchte, dass in mir wieder so ein Riese heranwächst. Steffi bestätigt das durch ihre Untersuchungen, bleibt aber entspannt und macht mir Mut, dass alles genauso wird, wie ich es möchte.
Heute kommt mein Kind zur Welt
Der Termin ist für den 31. Januar 2016 ausgerechnet und ich bin sehr genervt und dünnhäutig, als dieser wieder verstreicht. Ich bin in der 40+2 Schwangerschaftswoche und die Hebamme akupunktiert mich. Nichts sieht nach einer baldigen Geburt aus und ich bin noch genervter, denn ich fahre jedes Mal 40 Kilometer zu ihr – und ich mag das jetzt nicht alle zwei Tage machen.
In der Nacht um 1:15 Uhr gehe ich zum tausendsten Mal auf die Toilette und merke, dass ich eine leichte Zeichnungsblutung habe. Sofort fange ich an zu zittern, vor Freude und Aufregung. Heute kommt mein Kind zur Welt. Da ich noch Kraft tanken will, lege ich mich wieder ins Bett und versuche zu ruhen. Das klappt höchstens zehn Minuten, danach spüre ich leichte Kontraktionen, die ich aber schon veratmen muss. Ich informiere schnell meinen Mann, dass er heute nicht zur Arbeit gehen wird und dass ich jetzt aufstehe, damit das große Kind nicht wach wird. Ich gehe ins Wohnzimmer und mache es mir gemütlich, mein Mann kommt dazu. Die Wehen sind sehr leicht und unregelmäßig, gut auszuhalten. Wir essen und vertreiben uns die Zeit.
Ich fühle mich unwohl, weil der Große noch da ist und schaue ständig auf die Uhr, wann ich meine Mutter anrufen kann, ohne dass sie mitten im Tiefschlaf überrascht wird. Um Sechs kommt dann die Oma, um den großen Sohn zu holen. Wir frühstücken noch und ich muss immer nur kurz innehalten, wenn eine Wehe kommt. Langsam werde ich unsicher, da die Wehen weder stärker noch schwächer werden. Ich versuche natürlich, nach meinem Muttermund zu tasten, scheitere aber kläglich und bilde mir ein, dass nichts vorangeht.
Um 7:45 Uhr rufe ich die Hebamme an, muss aber an meinen Mann weitergeben, weil ich mittlerweile stärker wehe. Um 9:00 Uhr ist Steffi da und beobachtet mich eine Weile. Ich habe tierische Angst, dass die Wehen nichts ausrichten und gebe mich kurz meiner Verzweiflung hin. Eine Untersuchung ergibt, dass der Muttermund bereits drei Zentimeter geöffnet ist. Ich bekomme noch ein paar Akupunkturnadeln gesetzt und soll eine halbe Stunde auf der Seite liegen bleiben, damit sich der Kopf gut ins Becken einstellt.
Von den Wehen total überrollt
Wir verabreden, dass Steffi noch einen Hausbesuch macht und wir uns dann in der Klinik treffen.
Sofort nachdem sie weg ist, werden die Wehen wieder unregelmäßiger und schwächer. Ich merke, dass ich die Anwesenheit meiner Hebamme benötige, sonst wird sich die Geburt noch bis abends hinziehen. Um 11:15 Uhr halte ich es nicht mehr aus und wir fahren in den Kreißsaal. Die Wehen sind gut auszuhalten und die 20 Minuten Autofahrt gehen recht gut. Im Kreißsaal angekommen, schreiben wir ein schnelles CTG und die Hebamme schmeißt erstmal den Oberarzt raus, der „nur mal Hallo sagen“ wollte. Was für eine Wohltat. Da ich eine Wassergeburt möchte, steige ich in die Wanne. Es ist 12 Uhr und der Muttermund ist gerade mal bei fünf Zentimetern. Ich fühle mich von den Wehen total überrollt und komme kaum zum Luftholen. Die Wanne tut mir leider gar nicht gut und ich entschließe mich, auszusteigen und ein Schmerzmittel zu nehmen. Zu dem Zeitpunkt packt mich die Angst vor dem Kommenden und ich heule die ganze Zeit.
Das Schmerzmittel hilft gefühlt leider gar nicht, im Gegenteil, die Wehen werden immer unaushaltbarer, mein Becken fühlt sich an, als würde es zerreißen. Ich schreie mir die Seele aus dem Leib. Mein armer Mann tut mir so unendlich leid. Ich halte das Liegen nicht mehr aus und knie mich ins Bett. Während der Wehe beiße ich ins Kissen, um die Schmerzen irgendwie auszuhalten. Steffi motiviert mich toll und wenig später verspüre ich Pressdrang. Ich kann mir trotzdem noch nicht vorstellen, dass ich gleich dieses Kind im Arm halte, da beim Großen die Austreibungsphase (Anm. d. Red.: letzte Geburtsphase, wenn der Muttermund vollständig eröffnet ist und das Kind geboren wird) drei Stunden gedauert hat. Steffi fragt mich, ob ich knien bleiben will oder auf den Hocker. Ich frage mich, wieso sie das jetzt schon wissen will und warum sie den Geburtentisch (Anm. d. Red.: Tisch, auf dem das sterile Geburtsbesteck, also Nabelklemme, Schere und Tücher liegen) schon gerichtet hat. Ich springe noch schnell auf den Hocker zwischen zwei Wehen, schreie die dazu kommende Ärztin an, dass sie ihre Finger von mir lassen soll und keine zehn Minuten später ist der Kopf geboren. Ich bin total überwältigt, dass alles so schnell ging und lache erstmal. Ich habe das Bedürfnis, mein Becken zu schaukeln, was sich im Nachhinein als gute Intuition herausstellt, denn die Schulter rutscht in der nächsten Wehe nicht ganz problemlos.
Um 14:08 Uhr ist es geschafft, mein kleiner Junge liegt vor mir auf dem Boden und schaut empört im hellen Zimmer umher. Ich nehme ihn mir selbst hoch und genieße drei Stunden inniges Kuscheln und Stillen. Genau wie erwartet, hat dieses Kind wieder knapp vier Kilogramm und einen recht großen Kopf. Ich bin aber unverletzt und drei Stunden später liegen wir zu viert zu Hause in unserem Bett. Rückblickend denke ich, dass ich die Hebamme viel eher hätte anrufen sollen. Das hätte mir sicher ein paar Stunden frustrierende Wehen erspart, denn ich habe ihre Anwesenheit einfach gebraucht, um mich sicher zu fühlen.
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