Wenn Hebammen Kinder kriegen: Cordula (2. Geburt)

Cordula ist seit 2006 Hebamme und arbeitet seitdem freiberuflich im Kreißsaal einer Level-1-Klinik sowie im Bereich der Schwangerenvorsorge und Wochenbettbetreuung. Außerdem gibt sie Kurse für Schwangere und Mütter. Bei der Geburt ihres ersten Kindes war sie 27 Jahre alt. Ihre Tochter kam bei einer schönen Hausgeburt zur Welt, der sich leider eine schwierige Wochenbettzeit mit großen Stillproblemen anschloss. Hier erzählt sie nun von der Geburt ihres zweiten Kindes zu Hause im Gebärpool. Auch diesmal schloss sich wieder eine durch einen Krankenhausaufenthalt anfangs sehr belastete Wochenbettzeit an.

Eines Tages nach dem Vorschlafen vor dem Nachtdienst rief ich meinen Mann an, er solle mir bitte Grapefruitschorle mitbringen und irgendetwas zu Essen. Es war das zweite Mal innerhalb weniger Tage, dass ich solche Gelüste hatte. Da meinte er zu mir: Du bist doch bestimmt schwanger. Also an den Kalender und ich: Nein, das funktioniert so nicht, hatte ja erst. Im Nachtdienst erzählte ich es meiner Kollegin und sie dann nur: „Dann mach doch einfach einen Test!“ Ich erklärte sie und meinen Mann für verrückt, konnte es ja laut meinem Kalender nicht sein. Also rein, aus Spaß einen Test gemacht und ja, er war nach wenigen Sekunden positiv. Gleich meinen Mann angerufen und zurückgerechnet: Es war keine Periodenblutung, sondern eine sehr lange Nidationsblutung (Anm. d. Red.: Einnistungsblutung).

Die Freude war groß und wir hatten einen Termin zum Ultraschall ausgemacht. Meine neue Frauenärztin war auch super und es war klar, dass sie jeden Weg mit mir gehen würde. Mein Mann hatte auch zu dem Termin Zeit, und so gingen wir gemeinsam. Es waren sehr, sehr bange Minuten, denn Samuel hatte sich in der letzten hintersten Ecke eingenistet. Von da an war er sprichwörtlich unsere kleine Zecke. Denn nebendran war auch noch ein relativ großes Hämatom und es hieß bangen.

Er hielt sich aber in seinem Eck sehr gut fest und es gab nur noch einmal eine kleine Blutung, mit der ich aber diesmal sehr gut umgehen konnte. Weniger schön war, dass relativ früh wieder meine Symphysenbeschwerden angefangen haben und auch Blockaden im Kreuzbein dazugekommen sind. Doch mit osteopathischer Behandlung von meiner Hebamme habe ich es sehr weit geschafft. Wir hatten nur drei Ultraschalltermine und in der 36. SSW hatten wir uns zu einem Kontrolltermin getroffen. Leider lag Samuel zu diesem Zeitpunkt in Beckenendlage und ich sah meine Hausgeburt schwinden. Also alles mögliche probiert: Moxen, indische Brücke und so weiter. Gleichzeitig einen Termin in unserer Ambulanz beim Chef ausgemacht zwecks einer eventuellen äußeren Wendung.

Keine Hausgeburt wegen Beckenendlage?

Lange konnte ich mich nicht entscheiden, was wir machen sollten. Ganz klar war, dass wir einen spontanen Verlauf probieren, wenn er sich nicht mehr dreht. Und nach langem Zwiegespräch beschloss ich dann mit meinem Mann, dass wir einen Wendeversuch machen. Am Tag der Wendung war ich mehr als aufgeregt. Mein Mann musste auf Isabella aufpassen, da sich der Termin nach hinten verschoben hat, war aber abrufbereit. Als es endlich losging, war ich unter wehenhemmender Wirkung, wodurch ich sehr hohen Puls bekam. Das war sehr unangenehm. Der Chef- und Oberazt kamen dann mit meiner Hebamme und starteten. Nach knapp einer Vierteldrehung habe ich um kurze Pause zum Durchatmen gebeten, da mir schier die Luft weggeblieben ist. Nach drei Atemzügen konnte es weiter gehen und Samuel hat sich auch drehen lassen. In einem Zug, nicht mal nach drei Minuten war es erledigt. Vor Erleichterung flossen die Tränen. Einzig und allein einen derben Muskelkater hatte ich bekommen.

Wie es dann so sein sollte, ging er noch über Termin. Meine Beschwerden, Schmerzen und Blockaden wurden immer schlimmer. Doch ich kämpfte mich durch jeden Tag, auch wenn ich oft vor Schmerzen weinte.

Freitag, 15. Juni 2012
In der Früh war ich zur Vorsorge mit meiner Hebamme in der Klinik. Mittlerweile ET+8. Nachdem ich alles versucht habe, Wehen zu bekommen (Wehencocktail, Tee, Öl etc.) habe ich aufgegeben. Er soll nun kommen, wann er will. Den Gefallen will ich ihm tun, nachdem er sich hat wenden lassen. Das CTG war bestens in Ordnung, ebenso die restlichen Werte. Marie hat mich dann nochmal osteopathisch wegen meiner Kreuzbeinbeschwerden behandelt. Eine andere Kollegin akupunktierte zum Wehenfördern.

Mir wurde noch Calcium carbonicum C30 (Anm. d. Red.: homöopathisches Mittel) empfohlen, dass ich mir holen sollte (hatte Marie nicht zu Hause und in der Klinik hatten wir es auch nicht) und an dem Tag zwei Mal nehmen sollte. Gesagt getan, fuhr ich noch zwei Apotheken an, wob vor keiner ein Parkplatz frei war. War total müde und dachte mir, dass ich mir das nachmittags hole. Heim, gegessen und Mittagsschläfchen gehalten. Danach Grünabfälle mit Sandro weggefahren und wieder beide Apotheken angefahren – leider hatte keine von beiden das Mittel da. Also ab in unsere Stammapotheke, wo wir wussten, die bekommen das auf jeden Fall in 30 Minuten notfalls vom Großhändler. Diese liegt in einem Supermarkt und wir mussten ja eh einkaufen. Waren dann dort noch Essen und da hab ich gegen 17:30 Uhr die erste Gabe genommen. Daheim um 19 Uhr die zweite Gabe und eine halbe Stunde später eine erste Wehe. Dachte mir ja nix dabei, hatte das öfter. Um 20 Uhr die nächste Wehe, als ich Isa ins Bett brachte.

Ab in den Gebärpool…

Wir richteten uns grad im Bett für den DVD-Abend ein… nach zehn Minuten (da war es 21 Uhr Uhr) rumorte es in meinem Becken richtig heftig. Wahnsinnige Kindsbewegungen und dann ging es Schlag auf Schlag mit Wehenbeginn alle drei Minuten. Um 21:45 Uhr hat Sandro dann mal Marie informiert, dass Wehen da sind, aber ich mir nicht sicher bin, ob die bleiben oder ob das was ist. Um 22:15 Uhr die Info an sie, das sie soll kommen. 15 Minuten später war sie dann da und der Muttermund war bei 3cm (in der Früh bei 2-3). Also 2. Hebamme informiert (Lena), die den letzten Abend noch da war vor ihrer Abreise – und ich ab in den Gebärpool.
Es war wieder der Druck, der super heftig war und ich habe schon geschimpft, warum ich mir es unbedingt zu Hause antun muss. Zu Beginn konnte ich zwischen den Wehen noch witzeln, aber bald ging das nicht mehr. Relativ schnell bekam ich wieder heftigen Druck und Marie hat untersucht: „Alles weich, total schön!“ und ich: „Wie weit!?!! – „4cm“ war die ernüchternde Antwort.

Ich wollte nicht mehr – wollte verlegen – oder zumindest was gegen die Schmerzen. Sandro hat mir gut zugeredet, dass es bei Isa auch so war und es dann so schnell ging. Also gut. Buscopan und Spascupreel (Anm. d. Red.: krampflösende und schmerzstillende Medikamente) bekommen und nochmal Calcium carbonicum knapp zehn Minuten später.

Samstag, 16. Juni 2012
Kurz nach den Medikamenten extremer Pressdrang. Erneute vaginale Untersuchung, noch schnell die Wehe veratmen, Muttermund ist noch nicht vollständig offen. Ich habe dann drei bis vier Wehen geschafft… danach hab ich gesagt, es geht nicht mehr und drückte mit. Marie meinte nur, wir schauen mal eine Wehe lang, ob der Muttermund das mitmacht – er hat, kurz darauf war Samuel nämlich schon auf dem Beckenboden angelangt und wenige Wehen später war er da. Die Geburt war um 00:50 Uhr im Wasser. Die Plazenta kam kurz darauf hinterher und es war alles gut. Wir haben gekuschelt und sind dann in unser Bett, um uns aufzuwärmen. Verletzung hatte ich diesmal keine – juhuu.

Während der Geburt hat Isa alles verschlafen. Sie kam erst im Schlafsack angetappst, weil Samuel gequäkt hatte, als ich ihn zum Stillen an die andere Seite gelegt hab. Erst war sie ganz verdattert, dann hat sie sich so gefreut und nur noch gesagt: „Samuel, Samuel, Baby da oh oh oh!“ und gleich geküsst, gestreichelt, gekuschelt… total überschwänglich und stolz.

Die Odyssee danach…

Am gleichen Tag hab ich schon zu meiner Hebamme gesagt, dass ich es schwer mit dem Atmen habe und dem aufrechtem Gehen… Aber ich mach langsam, weil ich vermute, dass es am Reorganisieren der Organe bzw. am Zwerchfellhochstand (Anm. d. Red: Nach der Geburt müssen die Organe erst mal wieder alle an ihren ursprünglichen Platz gelangen, von dem sie durch die wachsende Gebärmutter verdrängt worden) liegt.

Am Sonntag morgens um halb neun hatte ich wahnsinnige Schmerzen gürtelförmig unterhalb der Brust… Marie kam und zuvor hatte ich noch was genommen gegen Nachwehen – es gab den Verdacht auf Gallenkolik, als zur Abklärung davon und anderem Möglichkeiten (Lungenembolie etc.) in die Klinik. Dort beschwerdefrei, aber leicht erhöhte Leber- und Gallenwerte, was die Gallenkoliktheorie unterstützt. Durfte aber nach Hause, weil beschwerdefrei und kein dramatischer Anstieg. Abends um halb Zehn ging es wieder los, aber diesmal hat nix geholfen. Wieder in die Klinik. Paracetamol hat 20 Minuten geholfen, Buscopan und Tramal (Anm. d. Red.: krampflösende und schmerzstillende Medikamente) brachten etwas Linderung. Laborwerte weiter angestiegen. Stationäre Aufnahme, nüchtern bleiben (durfte nur Wasser trinken).

Am Montag dann die Laborwerte weiterhin ansteigend (erfuhr ich aber erst nachmittags um 14 uhr). Beschwerdefrei, jedoch zunehmender Gelbstich und Juckreiz. Es sollte eine MRCP mit Kontrastmittelgabe (Anm. d. Red: nicht-invasives, bildgebendes Verfahren zur Darstellung der Gallen- und Pankreasgänge) gemacht werden, entweder noch heute oder am nächsten Tag. Bis dahin hieß es: nüchtern bleiben. Habe nach langer Diskussion abends um Sechs herausgefunden, dass ich nicht mehr drankomme und auf eine Glucoseinfusion bestanden. Samuel durfte bei mir bleiben. Sandro uns Isa hatte ich wieder nach Hause geschickt. Die Zwei durften dann am nächsten Tag um 7:30 Uhr auf der Matte stehen, um Samuel wegen meienr Uutersuchung abzuholen. Samuel war – wie Isa damals auch – knapp bei 10% der Gewichtsabnahme angekommen. Ich zweifelte wieder an mir. Die Hormone spielten wieder verrückt. Ich heulte nur. Alles lief wieder verkehrt.

Am Dienstag um 7:30 Uhr waren meine beiden Süßen wieder da, um den Kleinen abzuholen. Ich hatte die Info bekommen, dass im Zuge einer positiven MRCP (Anm. d. Red: nicht-invasives, bildgebendes Verfahren zur Darstellung der Gallen- und Pankreasgänge mit Kontrastmittelgabe) eine ERCP (Anm. der Red.: endoskopische Weitung der Gallengänge) vorgenommen werden soll. Das waren „tolle Neuigkeiten“, weil ich dann 24 bis 48 Stunden nicht stillen durfte. Im Untersuchungsraum angekommen, war es dann doch „nur“ ein MRT (Anm. d. Red.: Magnetresonanztomographie; bildgebendes Verfahren), weil man das mit Kontrastmittel nicht mehr macht bzw. nur in besonderen Fällen. Habe ich mich gefreut – juchu, weiter stillen, jetzt wo es bei ihm ja klappt und ich Milch habe. Nach der Untersuchung musste ich wieder warten – und ich war immer noch nüchtern. Dann folgte die Visite vom Chefarzt. Ich hoffte einfach, dass die Chirurgen auch bald kommen würden. Ich wollte nicht bis Mittag auf Auswertung der Untersuchung und der Laborwerte warten, nur um dann wieder auf ERCP warten zu müssen, die dann eventuell auch wieder erst am nächsten Tag stattgefunden hätte. Danach hätte ich nochmal 24 Stunden nüchtern bleiben müssen.

Gott sei Dank war aber nichts verstopft und die Werte abfallend, so dass ich essen durfte und mir angeboten wurde, dass ich am nächsten Tag gehen konnte, wenn es mir gut geht, die Werte weiter abfallen und ich das Essen vertrage. Samuel habe ich dann auch noch gewogen und er hatte zugenommen. All diese Informationen ließen mich wieder strahlen. Ich war so glücklich. Das war ein tolles Gefühl, denn es war so ein Stress, auch für meinen Mann. Er musste ja noch in der Zwischenzeit aufs Standesamt den Kleinen anmelden und ständig mit den Sachen hin und herpendeln zwischen Amt, Wohnung, Krankenhaus, Kindergarten. Er musste sogar noch zur U2 zum Kinderarzt, weil der Kleine in der Klinik nur „meine Begleitperson“ war und die Untersuchung deshalb nicht dort durchgeführt werden konnte. Ich war so froh, als ich wieder zu Hause war. Das Wochenbett konnte endlich beginnen.

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