Was machst du eigentlich so?

Mit Kindern lernt man ständig neue Leute kennen. Wenn sich die Frage geklärt hat, welche von den vielen hier immer und überall rumwuselnden Zwergen die eigenen sind, kommt meist DIE Frage. „Was machst Du sonst?“ „Arbeitest Du eigentlich?“ oder kurz „Was machst Du eigentlich?“. Ziemlich absurde Frage, wenn man die Nacht durchgestillt und den Tag wegen des Schulkinds trotzdem um 6.45 Uhr begonnen hat, bereits Tränen getrocknet, Streit geschlichtet, die Waschmaschine bestückt, grundlos rumgemotzt und alles als Motivationtrainer gegeben hat, damit die Kinder und man selbst wenigstens angezogen und mit einer Idee von Frühstück das Haus verlassen können.

Das alles machen nämlich Eltern, bevor sie „richtig arbeiten“ gehen und anschließend geht es ja meist nicht minderstressig weiter. Aber auch ich antworte auf diese Frage fast immer: „Ich arbeite als Hebamme“, selbst wenn dieser Bereich in einem 24-Stunden-Arbeitstag mit kleinen und mittelgroßen Kindern nur einen Bruchteil einnimmt.

Aber die Anerkennung ist garantiert größer, wenn ich von Hausbesuchen oder der Vorbereitung für einen Fachvortrag erzähle. Dabei ist das der wesentlich entspanntere Teil meines Lebens. Denn, wenn ich arbeite, muss (und kann) ich mich nur darauf konzentrieren, kann einen geraden Satz zu Ende sprechen und sogar ohne Baby auf dem Schoss aufs Klo gehen. Wenn ich also arbeiten war, bin ich entspannt durch diese kleine Auszeit vom Familienleben.

Als Selbständiger hat man natürlich (in manchen Bereichen zumindest) die Option den Arbeitsumfang dem Familienleben anzupassen, aber dahinter steckt auch immer gleichzeitig ein gewisser Druck – selbst und ständig halt. Wenn nicht das Gesetz die Mutterschutzfrist bestimmt, muss man auch das selbst tun. Und das ist nicht immer leicht. So habe ich fünf Stunden vor dem Blasensprung bei meinem ersten Kind noch in der Praxis gesessen und die Hebammensprechstunde bestritten. Da sich die kleine Dame zehn Tage vor dem errechneten Termin auf den Weg machte, habe ich bis heute das Gefühl, dass mir doch ein paar exklusive Schwangerschaftstage mit ihr fehlen.

Als Kinderanimateur und Hallenbademeister gearbeitet

Beim dritten (und sehr wahrscheinlich letzten Kind) habe ich die Reißleine ein paar Wochen eher gezogen und mich von meiner Berufshaftpflichtversicherung abgemeldet, damit ich auch wirklich nicht noch ein kleines bisschen vor der Geburt arbeite. Zudem haben dann Sommerferien und gleichzeitig Kitafrei dafür gesorgt, dass ich die letzten Wochen als Kinderanimateur und Hallenbademeister (der verregnete Sommer 2012) gearbeitet habe. Natürlich hatten wir auch jede Menge Spaß, aber innerlich hat sich mein hochschwangerer Körper schon manchmal sehr nach „mal nichts tun“ gesehnt.

Auf die Befindlichkeiten meines Mannes konnte da also noch weniger Rücksicht genommen werden, so dass er sich ausschließlich auf der Arbeit „erholen“ konnte, bevor er den innerfamiliären Staffelstab am späten Nachmittag übernahm.

Mein Plan einer längeren Arbeitsauszeit nach der Geburt wurde auch diesmal von einer schwangeren Freundin durchkreuzt, die gerne von mir betreut werden wollte und die auch ich gerne auf ihrem Weg ins Elternleben begleiten möchte. So kam ich also schneller als geplant wieder zu Schwangerenvorsorge, Stillberatung & Co. – wenn auch in noch geringem Umfang. Aber im oft hektisch-chaotischen Familienalltag ist das Arbeiten für den Brotjob die reinste Entspannung für mich. Auch mein Mann hat hier zu Hause sicher mehr zu stemmen als im Büro. Selbst wenn der monatlich Redaktionsschluss mit hohem Stresspegel und langen Arbeitstagen bei ihm ansteht, kommt er entspannter nach Hause als er nach zwei Stunden Alleinbetreuung der drei Kinder wirkt. Der 24/7-Job, ein Baby zu versorgen, verdient darum viel, viel mehr Wertschätzung, gerade weil man am Monatsende keine Rechnung dafür schreiben kann. Und auch mit größeren Kindern wird die Arbeit nicht weniger, nur anders eben…

Zudem gibt es weder freie Wochenenden, Feiertage noch Urlaub. Ja, wir alle lieben unsere Kinder sehr. Ja, die Mühe lohnt sich. Ja, wir haben es uns das alles selbst so ausgesucht (und sollten jetzt nicht jammern). Aber ein anstrengender Job ist und bleibt es trotzdem. Darum sollten Eltern auf die Frage, was sie eigentlich machen, auch ehrlich antworten. Punkt.

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Kommentare

2 Antworten zu „Was machst du eigentlich so?“

  1. T
    Thomas

    …und Punkt … 😉

  2. C

    Heute mal wieder Redaktionsschluss. Ich komme dann mal entspannt nach Hause.

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