Alle Jahre wieder am 5. Mai zum Internationalen Hebammentag überlegt die Gesellschaft, wie man den Hebammen denn eine Freude machen kann. Doch gute Wünsche oder Schokolade sind nicht unbedingt das, was Hebammen glücklich macht.
Ich freue mich in meinem Hebammenalltag über ganz andere Dinge:
- Wenn das Baby nach einem schweren Stillstart den Weg gut an die Brust geschafft hat.
- Wenn es für eine Familie nach vielen anstrengenden Wochen auf der Neugeborenenintensivstation mit ihrem viel zu früh geborenen Baby nach Hause geht.
- Wenn die zweite Geburt die emotionalen Wunden des ersten Geburtserlebnisses heilen lässt.
- Wenn Familien im Wochenbett von Familien oder Freunden umsorgt und bekocht werden.
- Wenn Eltern im Wochenbett erzählen, dass sie das ganze Wochenende mit dem Baby im Bett gekuschelt haben.
- Wenn Frauen voller Stolz von ihrer Geburt erzählen, unabhängig davon, auf welchem Weg ihr Baby auf die Welt gekommen ist.
- Wenn die Schwangerschaftsübelkeit endlich etwas nachlässt.
- Wenn der Wochenfluss wieder läuft, nachdem die manchmal wichtigen Tränen zuvor geflossen sind.
- Wenn das veränderte Stillmanagement das Baby wieder gut zunehmen lässt.
- Wenn Familien in der Wochenbettzeit gut in ihre neue Rolle hineingewachsen sind.
- Wenn sich Eltern mit dem zweiten, dritten, vierten… Kind wieder zur Hebammenbetreuung anmelden.
Alle Jahre wieder die gleichen Probleme
Hebammenarbeit ist an vielen Stellen auch ein Mitfreuen mit jenen Menschen, die wir Hebammen in dieser besonderen Lebenssituation begleiten. Aber oftmals ist es auch ein Mitbegleiten von sehr herausfordernden Momenten im Leben. Wohl kaum eine Kolleg:in hinterfragt also die Sinnhaftigkeit ihres Tuns.
Ich habe bisher auch keine Hebamme getroffen, die ihre Berufswahl aufgrund der damit verknüpften Anforderungen grundlegend bereut hat. Es sind viel mehr die Bedingungen drumherum, die seit Jahren dafür sorgen, dass sich der Arbeitsalltag nur noch in Teilzeit oder irgendwann gar nicht mehr aushalten lässt. Die Berufsverweildauer von Hebammen verkürzt sich beständig und liegt inzwischen je nach Quelle nur noch bei vier bis sieben Jahren.
Besonders in den Kliniken wird der Hebammenmangel Jahr für Jahr größer. Und mehr Studienplätze sorgen eben nicht automatisch für mehr Hebammen. Denn schon während der praktischen Ausbildung wird vielen Hebammenstudent:innen klar, dass sie in diesem geburtshilflichen System nicht lange oder gar nicht erst arbeiten wollen.
Ausweg in die Freiberuflichkeit?
Der vermeintliche Ausweg in die Freiberuflichkeit funktioniert auch oft genug leider nur kurzzeitig. Denn recht bald merkten junge Hebammen, dass mit den vielen Nebenkosten für Haftpflichtversicherung, Berufsgenossenschaft, Abrechnungsdienstleister, Berufsverband, Qualitätsmanangement, Fortbildungspflicht und so weiter am Ende einer Betreuung nicht so viel übrig bleibt von der Leistungsvergütung der Krankenkassen.
Während die Vergütung der Hebammen seit Jahren keinen Cent gestiegen ist, haben sich sämtliche andere Kosten drumherum nicht daran orientiert. So passiert es regelmäßig, dass man bei einer angemessenen Arbeitsweise – was in der Regel nicht bedeutet, einen Wochenbettbesuch in 15 bis 20 Minuten zu absolvieren – schnell weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn liegt. Und dies bei einer immens hohen Verantwortung für Mutter und Kind.
Es ist also nur allzu nachvollziehbar, dass nicht wenige Hebammen ihre Brötchen bald anders verdienen. All diese Probleme sind bekannt. Ich schreibe an dieser Stelle seit über zehn Jahren darüber. Alle Jahre wieder ist besonders am 5. Mai das Interesse daran hoch. Doch spätestens am 6. Mai geht es wie gewohnt unter gleich schlechten Bedingungen weiter. Daran ändern weder Glückwünsche, Blumen, Schokolade oder die alljährlichen Berichte in den Medien etwas.
Was Hebammen wirklich freuen würde
Was mich also wirklich als Hebamme freuen würde – und das nicht nur am Welthebammentag:
- Wenn jede Familie, die Hebammenunterstützung möchte, diese einfach und ohne wochenlange Suche bekommt.
- Wenn jede Gebärende eine 1: 1-Betreuung während der Geburt hätte und zwar ab dem Zeitpunkt, ab dem sie es braucht.
- Wenn die Arbeitsbedingungen in den Kliniken so wären, dass Hebammen nicht nach nur wenigen Jahren ihre Tätigkeit dort wegen Überlastung reduzieren müssen.
- Wenn es endlich eine gesamtgesellschaftliche Lösung für die Haftpflichtversicherungsproblematik der Hebammen gibt.
- Wenn in der Freiberuflichkeit Beratungen, Wochenbettbesuche, Geburten und Kurse ihrem Aufwand entsprechend vergütet werden.
Schreibe einen Kommentar