Beim ersten Kind nehmen Eltern vieles ganz genau und bereiten sich akribisch vor. Trotzdem ist es immer wieder erstaunlich, wie wenig das am Ende auf die Wahl des Geburtsortes zutrifft. Tatsächlich wird oft mehr Energie in die Auswahl des perfekten Kinderwagens gesteckt – selbst wenn das Baby dann später hauptsächlich im Tragetuch sitzt.
Na klar, viele Eltern schauen sich ein, zwei Kliniken oder Geburtshäuser an. Aber ganz oft höre ich von Eltern, dass sie einfach dahin gehen, wo die Kollegin oder die Nachbarin „ganz zufrieden“ war. Manchmal ist auch die Nähe das Entscheidungskriterium. Und je nach Region gibt es vielleicht auch gar nicht viel zu entscheiden, weil die geburtshilfliche Versorgungslage so gering ist.
Beim zweiten Kind sieht die Sache oft anders aus – als direktes Resultat aus vorherigen Erfahrungen. Aber es ist ja auch schwer vorstellbar, was einen unter der Geburt erwartet und was man in dieser Situation nun wirklich braucht. Und sooooo groß werden die Unterschiede doch nicht sein? Doch, sind sie! Und das liegt nicht daran, dass in einer Klinik vielleicht böse Drachen und woanders liebe Feen arbeiten. Aber der Personalschlüssel passt oft nicht zur Geburtenzahl, die Fortbildungsbereitschaft ist auch unterschiedlich und manchmal wird an alten Konzepten (zu) lange festgehalten. Somit gibt es doch Unterschiede – allein in der Berliner Geburtslandschaft.
Dies hier ist kein Plädoyer für „Auf alle Fälle diese und jede Klinik“ oder „Auf jeden Fall eine Hausgeburt“ . Aber es ist wichtig, an dieser Stelle gut für sich selbst zu sorgen. Ich habe je ein Kind in der Klinik, im Geburtshaus und zu Hause geboren. Rückblickend habe ich alle Geburten als sehr schön und vor allem selbstbestimmt erlebt. Selbst die etwas chaotische Geburt meiner ersten Tochter, die aufgrund einer überraschenden Beckenendlage viel länger als gedacht dauerte.
Allerbeste Begleitung am Geburtsort verdient
Ich hatte in allen Settings vorher die Option zu schauen, von wem ich mich in dieser besonderen Situation begleiten lassen möchte. Mir ist bewusst, dass dies in den letzten Jahren nicht einfacher geworden war. So war es selbst für mich als Hebamme beim vierten Kind eine Herausforderung, eine neue Geburtsbegleiterin zu finden, als unsere ursprüngliche Hebamme in der 10. Schwangerschaftswoche aus privaten Gründen die Betreuung absagen musste.
Ein guter Geburtsort hängt viel weniger von einer kuscheligen Kreißsaal- oder Geburtshausausstattung ab. Es wird jeder Frau im Nachhinein egal sein, ob die Klinik einen Flatscreen im Kreißsaal, ein Luxusbuffett oder tolle Kunstdrucke an den Wänden hatte. Man wird sich aber immer daran erinnern, ob und wie jemand unter der Geburt für einen selbst da war. Am „Geburts-Tag“ hat jede Frau die allerbeste Begleitung verdient. Egal, wo und wie das Kind zu Welt kommt. Eine Frau unter der Geburt braucht Zeit, Zutrauen, Respekt und eine liebevolle Umsorgung. Also genau hinschauen und nachfragen. Um außerklinisch arbeitende Hebammen oder eine Beleghebamme sollte man sich übrigens früh in der Schwangerschaft kümmern. Es gibt immer weniger davon und diese wenigen sind alle sehr schnell ausgebucht.
Aber auch viele Kliniken nehmen nur noch eine bestimmte Anzahl von Anmeldungen pro Geburtenmonat entgegen. Dadurch müssen sich Schwangere oft schon in den ersten drei bis vier Monaten auf eine Klinik festlegen. Und dann gibt es natürlich auch Landkreise, in denen Frauen kaum noch eine Wahl haben – außer sie fahren dann unter Wehen etliche Kilometer weit. Auch Beleg- und Hausgeburtshebammen stehen in machen Regionen gar nicht mehr zur Verfügung. Trotzdem ist es sinnvoll schon relativ früh in der Schwangerschaft zu schauen, was man sich vorstellt und welche Optionen verfügbar sind.
Ein paar Denkenanstöße dazu, die zusammen mit dem Partner besprochen werden sollten:
- Was wünsche ich mir für die Geburt? Was will ich auf keinen Fall? Eine Wunschliste kann helfen, sich zu sortieren und eventuelle Ängste zu erkennen. Zusammen mit der Hebamme können diese Punkte besprochen werden. Auch mögliche medizinische Maßnahmen bei Komplikationen sollten zumindest besprochen werden.
- Wo habe ich das Gefühl wirklich loslassen zu können? Das ist eine Grundvoraussetzung zum Gebären. Wenn die Infoabendatmosphäre also schon beklemmend ist: weitersuchen! Angst, Lärm, Kälte, Licht, Unruhe und Alleingelassensein unter der Geburt hemmen die Geburtshormone. Zu Hause sind diese Faktoren meist ausgeschlossen. Wichtig ist aber auch, dass beide Eltern sich mit einer Hausgeburt wohlfühlen.
- Wie viele Hebammen sind für wie viele Geburten zuständig? Ist mit diesem Personalschlüssel eine 1:1- Betreuung zumindest in der fortgeschrittenen Geburtsphase möglich?
- Wie wird das Bonding unterstützt? Kann ich mein Kind ungestört im direkten Hautkontakt kennenlernen, bevor Routinemaßnahmen geschehen? Ein mütter- und babyfreundliche Betreuung gibt es in entsprechend nach der WHO/UNICEF-Empfehlung arbeitenden Babyfreundlichen Krankenhäuser. Allerdings ist eine Umsetzung immer nur mit einem ausreichenden Personalschlüssel möglich. Wie viele Hebammen, Ärzte und Krankenschwestern begleiten wie viele Geburten und frühe Wochenbettverläufe?
- Möchte ich bei einer Klinikgeburt ein paar Tage bleiben oder ambulant nach Hause gehen? Wie sieht die Wochenbettbetreuung in der Klinik aus? Welche Hebamme unterstützt mich zuhause? Wie lange kann mich die Hebamme im häuslichen Wochenbett (acht Wochen) unterstützen?
- Wie wird das Stillen unterstützt? Gerade hier gibt es qualitativ große Unterschiede.
- Auch bei einem geplanten oder ungeplanten Kaiserschnitt sollen Mütter bestmöglich begleitet werden und beim Bonding und Stillen unterstützt werden.
Schwangere haben oft eine gute Intuition für ihre eigentlichen Bedürfnisse. Dieses Bauchgefühl sollte ernst genommen werden, damit der Tag der Geburt ein positives und selbstbestimmtes Ereignis wird.
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