Manchmal wird schon bei der ersten Anfrage am Telefon nachgefragt. Spätestens aber beim persönlichen Vorgespräch kommt die Frage nach den eigenen Kindern. Wahrscheinlich kennen auch Lehrer:innen, Erzieher:innen oder Kinderkrankenschwestern diese Fragen. Aber bei Hebammen wird es scheinbar manchmal sogar zum Entscheidungskriterium für die Hebammenwahl. Doch sind eigene Kinder zwingend notwendig, um Mütter einfühlsam und umfassend begleiten zu können?
Ich will nicht bestreiten, dass ich viel durch meine eigenen Schwangerschaften, die Geburten und Babyzeiten meiner Kinder dazugelernt habe. Sozusagen eine sehr intensive, interne Fortbildung. Aber die Basis für den Beruf ist die Hebammenausbildung, mit den Jahren ergänzt durch diverse Fortbildungen. Alles andere hätte den Charakter einer Mutter-zu-Mutter-Beratung, wie sie zum Beispiel in der Stillgruppe untereinander stattfindet. Eine Hebamme muss jedoch mehr wissen als das, was sie die eigene Mutterschaft über das Kinderkriegen und Kinderhaben gelehrt hat.
Mit den eigenen Kindern als Beispiel kommt immer auch die Gefahr, dass sich das Persönliche mit dem Beruflichen vermischt. Denn als Mutter möchte man doch irgendwie am liebsten, dass es alle anderen genauso machen. Sozusagen als Bestätigung dafür, dass man es „richtig“ macht. Aber was ist schon richtig?! Die ideale Schwangerschaft, die perfekte Geburt… manchmal kann sich das durchaus so anfühlen. Und trotzdem darf man darf nie vergessen, dass dies nicht der Weg für alle anderen Menschen sein kann und wird.
Die Palette an nicht erlebten Dingen ist ungleich größer
Dank unserer eigenen Kinder ist das persönliche Repertoire zwar mittlerweile recht breit gefächert: Krankenhausgeburt, Geburtshausgeburt, Hausgeburt, spontane Beckenendlage, Wassergeburt, im Hocken, im Knien, in Seitenlage – alles erlebt und dabei gewesen. Trotzdem ist es für die Beratung und Begleitung der Frauen relativ unerheblich. Zudem ist die Palette an nicht erlebten Dingen ungleich größer. Und auch die persönliche Stilldauer ist nun mal kein Beratungsmaßstab.
Bin ich also wirklich die bessere Hebamme, wenn ich eigene Kinder habe? Ich glaube nicht. Die berufliche Weiterentwicklung findet vor allem durch mehr Erfahrung im Beruf statt und nicht durch mehr Erfahrung im eigenen Muttersein. Verständnis für die neue Lebenssituation von Müttern ist für mich eine Grundvoraussetzung. Die entsteht nicht erst, wenn ich mir selbst in einer Schwangerschaft Sorgen um mein Kind gemacht, eine wirklich anstrengende Geburt erlebt oder selbst gefühlt habe, wie unendlich müde und erschöpft man als Mutter tatsächlich sein kann. Im Umkehrschluss könnte ja auch das Fazit sein: „Stell Dich nicht so an. Da musste ich auch durch.“
Empathie ist eine Fähigkeit, die sich zum Glück nicht erst mit den eigenen Kindern entwickelt. Neben dem fachlichen Know-how ist sie sicher eine entscheidende Grundvoraussetzung für den Hebammenberuf. Von den Hebammen, die mich als werdende Mutter begleitet haben, war und ist mir eine Kollegin am wichtigsten in dieser Zeit gewesen. Diese Kollegin hat keine Kinder – zumindest keine eigenen. Denn in ihrem Leben gibt es natürlich trotzdem viele Kinder: Patenkinder, Nichten, Neffen und nicht zuletzt die so zahlreichen Babys, die sie mit ins Leben begleitet hat. Aber nicht die Kinderanzahl, sondern ihr Wissen, ihre Ruhe und ihr Einfühlungsvermögen haben uns gut und entspannt durch diese aufregende Zeit gehen lassen.
Genausowenig, wie mich also das Begleiten meiner eigenen Kinder durch das Kindergartenalter zur Erzieherin macht, wird nicht erst mit den eigenen Geburten die „Hebamme in mir“ geboren. Also liebe Hebammensuchende, ihr könnt gerne nach eigenen Kindern fragen. Aber über die Qualifikation als „gute Hebamme“ sagt das nicht wirklich viel aus.
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