„Du hast zu diesem Zeitpunkt die beste Entscheidung getroffen.“ Diesen Satz sage ich Müttern in der Hebammenbetreuung ganz oft, wenn sie mir erzählen, dass sie bestimmte Entscheidungen später bereuen. Sie tun das primär, weil sie denken, etwas nicht doll genug versucht zu haben. Oder weil sie sich schuldig fühlen, nicht doch noch dieses oder jenes zum Beispiel bei Stillproblemen ausprobiert zu haben.
Dafür gibt es jedoch keinen Grund. Wir können unsere Entscheidungen immer nur mit dem Wissen und den Ressourcen treffen, die uns im Moment der Entscheidungsfindung zur Verfügung stehen. Gerade in der Lebensphase des Kinderkriegens werden wir als Eltern aber mit so viel neuen Informationen überflutet.
Und auch mit Emotionen, die uns manchmal die Sachebene anders beurteilen lassen. In all dieser Informationsflut müssen wir zudem auch noch immer schauen, wie es uns ganz individuell geht und was machbar ist – und was eben auch nicht.
Keine Schuldgefühle
Auch wenn ich mir für alle Frauen wirklich ausgewogen informierte Entscheidungen wünschen würde, weiß ich, dass das nicht der Realität entspricht. Es ist dafür zu wenig Zeit und kaum Budget in der Betreuung rund um die Geburt vorgesehen. Sowohl bei Hebammen als auch bei Gynäkologen und Kinderärzten ist die Beratung zwar oft die zeitintensivste, aber auch die am schlechtesten oder gar nicht vergütete Leistung.
Und das hat Auswirkungen. Eine Klinik erhält umso mehr Geld pro Fall, desto mehr invasive Maßnahmen erfolgen. Für eine Beratung, die einen Eingriff in so einigen Fällen sogar verhindern könnte, ist keine Zeit vorgesehen – aus rein wirtschaftlichen Gründen ist das ja ohnehin kontraproduktiv.
Und somit ist es Glückssache, Zufall oder was auch immer, das bestimmt, welche Informationen und welche Unterstützung Eltern vor, während und nach der Geburt erhalten. Und auf dieser mehr oder weniger guten Grundlage müssen sie dann eben ihre eigenen Entscheidungen treffen – meist ganz unmittelbar und eben nicht später. Später erfahren sie dann vielleicht von anderen Optionen, die es auch noch gegeben hätte. Und das kann traurig oder vielleicht sogar wütend machen. Aber es sollte auf keinen Fall Schuldgefühle erzeugen.
Zweifel an der Entscheidungsfindung
Auch im Kontext Stillen machen sich viele Mütter im Nachhinein Gedanken und zweifeln vielleicht auch an ihren zuvor getroffenen Entscheidungen. Dies wird natürlich auch genährt von den Äußerungen anderer. Doch andere haben ihre Entscheidungen unter anderen Bedingungen getroffen. Vielleicht hatten sie bessere Informationen, mehr Unterstützung oder einfach gerade auch bessere persönliche Ressourcen. Wer weiß das schon?
Ich habe in meinen vielen Hebammenjahren keine identischen Geburten oder exakt gleichen Stillverläufe erlebt. Jede Mutter, jede Familie bringt ihre eigene Geschichte mit und trifft unter ganz verschiedenen Bedingungen die bestmögliche Entscheidung für sich und ihr Kind. Denn eines war und ist in all diesen Jahren doch immer gleich geblieben: alle Eltern haben den Wunsch, gute Eltern zu sein und möglichst gute Entscheidungen zu treffen. Die Rahmenbedingungen dafür sind dennoch sehr unterschiedlich.
Deshalb sollte niemand vergessen: Du hast die beste Entscheidung für Dich und Dein Kind zu diesem Zeitpunkt getroffen. Auch wenn Du es heute ganz anders machen würdest oder bei einem weiteren Kind sogar machst.
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