Letzte Woche habe ich auf dem Hebammenkongress einen Vortrag zum Thema „Vom Stillen nach Bedarf zur Beikost nach Bedarf“ gehalten. Am Tag vorher gab es einen weiteren Vortrag zum Thema Beikost, der sich auch kurz dem Thema Baby led Weaning widmete – eher kritisch, würde ich sagen. So richtig handfeste Argumente, die gegen die selbstbestimmte Beikost oder für eine ausschließliche Breikost sprächen, gibt es eigentlich nicht. Aber trotzdem gab es im Vortrag gleich eine ganze Folie, die mögliche Nachteile von Baby led Weaning aufzeigte. So stand da unter anderem: „Durchkalkuliertes Konzept und Sicherheitsnachweis fehlen“.
Nun, was hier ein bisschen nach Qualitätskriterien der Flugsicherung klingt, bezieht sich auf Beikost. Kurz gesagt: Es geht ums Essen! Essen ist wichtig und unabdingbar, das gilt für Erwachsene, aber eben auch für Säuglinge und Kinder im Wachstum. Darum sollte dieses Essen gesund und von guter Qualität sein. Ein Aspekt, der in vielen Vorträgen oder Artikeln oft zu kurz kommt. Stattdessen stehen Mengen und Zeitpunkte im Fokus, nach denen sich das Baby richten soll: das durchkalkulierte Konzept, mit dem der Säugling mit Sicherheit die benötigte Energie- und Nährstoffmenge aufnimmt.
Wenn er sich denn an diese Pläne hält… und da beginnt schon der Stress. So wissen wir doch vom Stillen, aber auch vom Füttern mit Pre-Nahrung, dass Kinder ganz unterschiedlich viel und oft trinken. Es gibt keine präzisen Vorgaben mehr, wie oft und wie lange ein Baby an der Brust trinken soll, nur ungefähre Anhaltspunkte. Die dienen aber eher dazu, dass Eltern wissen, dass es normal und in Ordnung ist, wenn das Baby nach kurzer Zeit schon wieder stillen möchte.
Bei der Flaschenfütterung könnten wir noch zusammenrechnen, was das Kind getrunken hat – beim Stillen tappen wir nahezu komplett im Dunklen. Aber selbst, wenn wir Mengen bestimmen können, werden wir feststellen, dass nahezu kaum ein Kind jeden Tag die gleiche Menge aufnimmt. Aber vielleicht klappt das ja mit der Beikost, wenn wir uns nach einem „durchkalkulierten Konzept“ richten. Wenn das Kind die vorgegebene Menge isst, haben wir endlich den „Sicherheitsnachweis“, dass es alles bekommt, was es braucht. Und tatsächlich gibt es Kinder, die sich an ausgeklügelte Breipläne halten, genauso wie es manchmal Babys gibt, die nachts schon längere Zeit am Stück „durchschlafen“. Das ist auch okay so. Die Frage ist nur, was mit all den anderen Kindern passiert, die die Beikost-Theorie ignorieren und machen was sie wollen?
Mit Geduld und Liebe begleiten
Denn das beste Konzept zeigt letztlich erst in der praktischen Anwendung, ob es funktioniert. Nach nun bald 15 Jahren, die ich mit gestillten, mit Säuglingsnahrung oder Brei gefütterten und mit Fingerfood essenden Babys verbracht habe, kann ich immer wieder nur feststellen, dass die Kinder nur allzu oft machen, was sie wollen. Und das ist ganz oft nicht das, was sich schlaue Leute in der Theorie dazu überlegt haben. Das soll jetzt nicht heißen, dass ich gegen jegliche Empfehlungen zum Thema Beikost bin, aber ehrlicherweise können wir als Fachleute Eltern nur eine Orientierung dafür geben – und keinen Plan. Denn den bestimmt letztlich das Kind – völlig unkalkuliert und ohne Sicherheitsnachweis. Die einzige Sicherheit, die wir als Eltern wohl haben, ist Vertrauen in unser Kind. Wir vertrauen ja auch darauf, dass unser Kind irgendwann laufen wird – und zwar an dem Punkt, an dem es seine individuelle Entwicklung vorsieht. Dass eine Kind ist mit zehn Monaten soweit. Das andere Kind braucht noch ein halbes Jahr länger dafür.
Auch bei der Umstellungsphase von der reinen (Mutter-)Milchnahrung auf die Familienkost gibt es für jedes Baby ein individuelles Entwicklungsfenster. Beim Laufen lernen ziehen und zerren wir ja (hoffentlich) auch nicht an unserem Kind herum, sondern geben ihm die Gelegenheit und den Raum dafür. Mit der Beikost sollte das an sich nicht groß anders sein. Eltern achten darauf, welche Reifezeichen ihr Kind anzeigt und machen ihm dann ein gesundes Angebot. Natürlich darf man sein Kind dabei unterstützen – ob das nun das Dünsten von Gemüsestücken, in für eine Kinderhand freundlicher Größe ist oder die liebevolle Unterstützung beim Essen mit dem Löffel.
Das Kind selbst bestimmt aber, was und wie viel es von diesem Angebot isst. Und wie viel und wie lange es noch weiter hauptsächlich Milch zu sich nimmt, was im ersten Lebensjahr zunächst weiterhin die primäre Nahrung für einen Säugling – und nicht Beiköstling – bleibt. Elternaufgabe ist auch hier wieder „nur“, das Kind mit Geduld und Liebe zu begleiten. In dem Vertrauen, dass es auch diesen Entwicklungschritt in seinem Tempo machen wird. Und auch in dem Vertrauen in uns als Eltern, dass wir spüren und erkennen, wenn tatsächlich vielleicht mal zusätzliche Unterstützung bei einzelnen Entwicklungsschritten notwenig sein könnte.
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