Ich nehme das sieben Monate alte Babymädchen auf den Arm. Gerade noch hat sie auf dem Boden gelegen an ihrem kleinen Lieblingskörbchen und gespielt. Dann wird sie plötzlich unruhig. Ich nehme sie also hoch, sie schaut mich sofort zufrieden an. Ich gehe los in Richtung Küche und treffe auf Anja, die gerade aus dem Bad kommt.
Sie schaut die Kleine verliebt wie immer an. Die Kleine schaut zurück und grinst. Dann gehe ich weiter. Eine Sekunde später kreischt das Babymädchen fassungslos und beginnt, lauthals zu weinen. Ich rede ihr gut zu und stubse ihr Näschen, sie beruhigt sich wieder. Aber ihre Blickrichtung und das Schluchzen signalisieren deutlich, wo sie eigentlich gerade lieber wäre: bei ihrer Mama.
Was ist passiert? Nun, es ist das gleiche Phänomen, das ich auch schon von den anderen drei Kindern kenne: Irgendwas ist doof, dann ist nur noch bei Mama auf dem Arm gut. Die Nabelschnur zwischen Mutter und Kind besteht eben auch über das Abnabeln hinaus. Und sicherlich sorgt auch das Stillen dafür, dass Mama eben Mama und damit Nummer Eins ist. Das ist halt so, und in unserem Fall auch kein bisschen schlimm. Ich nehme es nicht persönlich und bringe die Kleine schnell zu Anja. Es sind ja noch genug Kinder da, bei denen ich aktuell doch etwas mehr punkten kann.
So lassen sich Familie und Arbeit vereinbaren
Ich mache ja aktuell ein Jahr Elternzeit und kümmere mich gemeinsam mit Anja um die Kleinste und die drei größeren Kids. Anja arbeitet derweil freiberuflich. Primär hält sie in diesem Jahr Vorträge und schreibt und arbeitet an Büchern, Hebammenprojekten und hier am Blog. Das lässt sich gut vereinbaren mit dem bisweilen etwas verlangsamten Familienleben. Zum Glück ist unser Tag recht flexibel planbar. Insbesondere Vorträge kann Anja prima halten, obwohl man dazu bisweilen in andere Städte reisen muss. Das ist mit der Kleinen und den großen Geschwister in aller Regel dennoch gut zu handhaben. Ein Dankeschön an die Großeltern an dieser Stelle, die uns mit den Schulkindern unterstützen, wenn die Vorträge nicht in der Ferienzeit stattfinden.
Mir gefällt es durchaus, wenn die Familie oder Teile davon mit zu Kongressen oder Veranstaltungen reist. In der Regel sind die Veranstalter und Ausrichter sehr darum bemüht, mitreisenden Eltern von Babys und Kleinkindern das Leben so einfach wie machbar zu gestalten. Das Zeitfenster für einen Vortrag selbst und somit die mütterliche Abwesenheit ist beschränkt groß, so dass die Laune des Babys eigentlich nie komplett kippt. Es ist eine gut machbare Situation, für mich als betreuenden Vater und für das „noch nicht ganz abgenabelte“ Baby. So lassen sich Familie und Arbeit ganz gut vereinbaren.
Vor ein paar Tagen wurde Anja für einen Fachkongress als Referentin angefragt. Recht kurzfristig, denn die eigentliche Referentin musste absagen. Die Vergütung für den Vortrag ist überschaubar: null Euro, aber es gibt die kostenlose Teilnahme am Kongress dafür. Nun gut, den Wocheneinkauf kann man davon nicht bezahlen. Aber Anja erklärt mir im nächsten Atemzug, das sei ein sehr angesehener Fachkongress. Und das Thema „Stillen“, für das sie angefragt wurde, käme da immer zu kurz. Nun… wenn das so ist, dann gehe ich da mit hin und passe derweil auf die Kleine auf.
Ist ja auch ein irrer Gedanke
Das ist allerdings zunächst nicht so einfach. Denn als Vater des Babys und Betreuer der Kleinen während der Vortragszeit darf ich nicht einfach so mitkommen. Steht jedenfalls in einer E-Mail des Veranstalters, mit der ein Gratis-Ticket für die Babybetreuung vor Ort mitgeschickt wird. Ich könne natürlich gerne mitkommen, müsse mir dann aber ein Tagesticket kaufen. Was bitte?
Dass ein mitreisendes Elternteil auf das eigene Baby aufpassen will, scheint schlicht nicht vorgesehen zu sein. Ist ja auch ein irrer Gedanke! Das Thema Stillen kommt auf diesem Kongress scheinbar wirklich zu kurz, wenn die Annahme besteht, dass man ein so kleines noch nahezu ausschließlich gestilltes Baby mal eben so in der Kinderbetreuung abgibt. Ich verweise mal kurz innerlich auf die oben geschilderte Situation und schaue Anja dabei zu, wie sie etwas die Fassung verliert.
Anja hat die Teilnahme am Kongress innerlich schon erbost abgesagt und schreibt eine genervte E-Mail an die Ausrichter. Kurze Zeit später bekommt sie als Antwort, dass in einem solchen Fall wie unserem der Vater natürlich dann doch gratis mitkommen dürfe. Oh, wie gnädig, denke ich mir, der ich nun zum Fall geworden bin. Aber: Warum nicht einfach gleich so?! In Sachen Vereinbarkeit ist also selbst in jenen Kreisen, die beruflich mit Eltern und Kindern arbeiten, nach wie vor noch einiges zu tun.
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