Ich muss zugeben, ich hatte ganz leichte Bedenken, als ich an diesem Wochenende mein Wissen zum Thema „Baby tragen“ in einem Trageberaterinnen-Grundkurs für Hebammen mal wieder ein bisschen gebündelter updaten wollte. Denn mir sind durchaus schon (nur einige wenige) Trageberaterinnen begegnet, die nun ja, sagen wir mal, so sehr von ihren eigenen Thesen überzeugt waren, dass man sich am Ende gar nicht mehr traute, den Eltern noch irgend etwas zu empfehlen, weil so viel schief gehen könnte. Falsches Material, falsche Länge, falscher Knoten und überhaupt erst die unflexiblen Fertigtragen – alles falsch. Und auch bei den Bindetechniken kann die vor kurzem noch empfohlene Variante plötzlich das absolute No-Go sein.
Denn wie in vielen Bereichen rund ums Baby ändert sich die Meinung zum Thema Tragen auch gefühlt stündlich. Was vor acht Jahren bei meinem ersten Kind noch das Nonplusultra im Tragebereich war, käme jetzt der Tragetodsünde gleich. Aber irgendwie war es damals fast ein bisschen leichter, weil es zumindest nicht ein solches Überangebot an Fertigtragen gab. Schon gar nicht an vernünftigen Fertigtragen. Vielleicht stellte ich wohl deshalb gleich relativ am Anfang der Fortbildung die Frage, was ich denn nun den Eltern sage, die mir stolz den für 140 Euro erworbenen Babybjörn präsentieren und vielleicht nicht bereit sind, noch mal in eine wesentlich babyfreundlichere Tragevariante oder am besten gleich in ein Tragetuch zu investieren.
Die Antwort der beiden Trageberaterinnen, die die Fortbildung hielten, hat mir gefallen. So wie mir eigentlich alles an diesem Wochenende gefallen hat. Es gab ausreichend Hintergrundinformationen, technisches Know-how und vor allem mal wieder das darauf Besinnen, worum es bei der ganzen Geschichte eigentlich geht:
- Kleine Kinder und ihre Eltern spüren Nähe, Bindung und Liebe beim Tragen.
- Tragen verlängert sozusagen noch ein bisschen die Bauchzeit und hilft beim Ankommen auf der Welt. Tragen erleichtert den Alltag. Es macht die Hände frei zum Beispiel für die ebenso bedürftigen kleinen großen Geschwister. Außerdem ist das Tuch oder die Tragehilfe in vielen Situationen (öffentliche Verkehrsmittel, Wald, Strand, auf dem vollen Wochenmarkt…) dem Kinderwagen weit überlegen.
- Es lässt Babys in Geborgenheit nach und nach die Welt entdecken mit genug Gelegenheit zum Rückzug, wenn alles zu viel wird.
- Das Tragen hilft bei Bauchweh, bei Gebärmutterheimweh oder auch, wenn das Baby oder Kleinkind mal krank ist.
- Es ist normal, denn Menschenkinder sind nun mal Traglinge
- Alle Babys werden irgendwie getragen. Das Tragetuch macht es nur wesentlich bequemer als den kleinen Lieblingsmensch immer nur auf dem Arm zu schuckeln.
- Es ist einfach schön. Punkt.
Und all diese Dinge gelten erst einmal für jede Tragevariante. Natürlich gibt es empfehlenswerte Tragevarianten, die die Anatomie des Säugling und die des Tragenden ausreichend berücksichtigen. Aber der Wunsch der Eltern sollte nicht von Fachpersonal ausgebremst werden, weil die schon angeschaffte Trage nicht alle Anforderungen erfüllt. Am besten ist es natürlich, wenn Eltern schon vor der Geburt gut beraten werden und so die richtige Wahl im Tragedschungel finden können. Wenn Eltern wissen, wie so ein Babyrücken gestützt werden muss und was es mit der Anhockspreizhaltung auf sich hat, werden sie selbst erkennen, daß eine Trage, die den Rücken platt festdrückt und die Beinchen wahlweise überspreizt oder nach unten baumeln lässt, keine so empfehlenswerte Trageoption ist.
Kleine oder eingeschlafene Babys brauchen genug Halt für ihr Köpfchen, was auch einige Tragehilfenhersteller scheinbar ganz vergessen oder nicht sinnvoll umgesetzt haben. Das fällt Eltern in der Regel schnell auf beim Tragen. Ein Tragetuch ist deshalb unschlagbar in Anpassungsfähigkeit und Flexibilität, aber auch hier müssen Eltern vernünftig zum Binden angeleitet werden, sonst hängen die Kinder da genauso leidlich drin, wie in der ungeeigneten Fertigtrage. Eltern sollten vielleicht wissen, dass vermeintliches Fachpersonal in Babygeschäften nicht immer über ausreichendes Tragewissen verfügt und so werden einfach nur die Herstellerangaben zitiert. Und da hält natürlich jeder sein Produkt für das Beste.
Aber auch bei generell empfehlenswerten Fertigtragen oder auch bei den Bindeweisen, gibt es nicht einen Deckel, der auf alle Töpfe passt. Dabei hilft eine vernünftige Beratung. Und dafür ist es auch wichtig, dass die Beratenden sich auskennen. Aber das ist ja in der Stillberatung genau das Gleiche. Man muss viel wissen, um Mutter und Kind so zu informieren, dass sie letztendlich ihren eigenen guten Weg finden können. Und genauso wenig, wie die meisten Stillberaterinnen der gerne zitierten Stillmafia angehören, sind sich bestimmt auch die allermeisten Trageberaterinnen bewusst, worum es wirklich geht: um gern und liebevoll getragene Kinder und ihre damit glücklichen Eltern – in welcher (Binde-)Weise auch immer.
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