Wenn wir an die Zeit rund um die Geburt denken, fallen den meisten von uns wohl als erstes süße Babys mit zwar müden, aber glücklichen Eltern ein. Dass diese Zeit manches Mal auch mit Angst, Schmerz oder Trauer verbunden ist, wird gerne ausgeblendet. Sicherlich ist das auch irgendwie sinnvoll, da es eine Zeit der guten Hoffnung sein soll.
Doch nicht immer ist alles so leicht und unbeschwert, wie wir uns das alles wünschen. Da gibt es das Paar, dass auch selbst mit allen Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin gar nicht erst schwanger wird. Oder Frauen, die ihr Kind in der Schwangerschaft wieder gehen lassen müssen. Oder Eltern, die eine stille Geburt erleben müssen. Babys, die viel zu früh oder krank geboren werden. Mütter, die von der Geburt traumatisiert sind oder auch körperlich verletzt daraus hervor gegangen sind.
Was diese Menschen meist in ihrer persönlichen Situation gemeinsam haben, ist eine gewisse Sprachlosigkeit ihre Umfeldes. Während es doch scheinbar so leicht und schön ist, sich von Herzen mitzufreuen, wenn alles gut verläuft, scheint das Gegenteil umso schwerer zu sein. Neben der Trauer kommt für die betroffenen Eltern noch ein gewisse Isolation hinzu, weil Familie und Freunde sich zurückziehen, statt gerade jetzt da zu sein. Es geschieht oft aus der Hilflosigkeit heraus, ja doch nichts tun zu können. Doch darum geht es den Betroffenen gar nicht. Sie erwarten sicher nicht, dass jemand den Schmerz wegzaubert, sondern ihn anerkennt. Ein einfaches ehrliches „Wie geht es Dir?“ oder „Was kann ich für Dich tun?“ genügt in vielen Fällen schon.
Und so sehr es als Hebamme auch mein Wunsch ist, dass es Eltern und Kindern möglichst gut geht, so muss ich doch immer wieder sehen, dass genau das nicht immer der Fall ist. Und dass man nichts tun kann, um das jetzt in diesem Moment zu ändern. Aber man kann da sein und da bleiben. Die Eltern ein Stück weit begleiten. Jede Hebamme kennt wohl mindestens einen Moment in ihrem Berufsleben, an dem einfach die Worte fehlten und selbst nur noch die Tränen liefen. Und nein, ich denke nicht, dass das nicht professionell ist, sondern schlicht menschlich. Und die Menschlichkeit darf man in seinem Job ebenso wenig verlieren wie sonst im Leben.
Zauberkügelchen gegen den fast nicht aushaltbaren Schmerz
Und einen solchen Schmerz mit den Eltern zusammen ein Stück weit auszuhalten ist wesentlicher menschlicher als sie allein damit zu lassen. Wir können niemanden den Schmerz und die Trauer in bestimmten Situationen abnehmen. Aber wir können als Hebammen mit den Raum und die Zeit dafür geben. Und es ist wichtig, dass Eltern nach einem schmerzvollen Erlebnis genau das nicht auslassen. Genauso wichtig ist es, dass sie nicht allein gelassen werden. Und das auch nicht von Familie und Freunden. Man weiß als Angehöriger und auch im beruflichen Kontext manchmal nicht, was man sagen soll. Das muss man auch gar nicht.
Zuhören und da sein sind oft am wichtigsten in einer Zeit, die von Angst oder Trauer geprägt ist. Viele Eltern verbringen die gefühlt endlosen bangen Wochen, in denen ihr Baby auf der Neonatologie liegen muss, ohne in der Zeit überhaupt Freunde und Familie zu sehen. Auch nach dem Verlust eines Kindes reagiert das Umfeld häufig mit Rückzug. Für manche Eltern ist das vielleicht auch erst mal ein passender Weg, für viele aber eben auch nicht. Man wird es nicht erfahren, wenn man nicht fragt. Und was manchmal das „zu viel“ nach glücklich verlaufenden Geburten ist, ist oft das „zu wenig“ nach glücklosen oder traumatischen Geburten. Einfach aus der falschen Angst heraus, ja eh nichts tun zu können.
Auch ich hätte gerne in machen Situationen das Zauberkügelchen gegen den fast nicht aushaltbaren Schmerz in meinem Hebammenkoffer. Aber das gibt es nun mal nicht und wäre wohl auch falsch, weil es die Trauer letzlich nur wegdrücken würde. Doch es ist gerade so wichtig, dass diese Trauer da sein darf und auch Ausdruck finden kann. Darum habe ich auch immer einfach Taschentücher in meinem Hebammenkoffer. Für die Tränen der Eltern – und manchmal auch für meine eigenen.
Schreibe einen Kommentar