Stillvertrauen

Vertrauen in die eigene Stillfähigkeit ist etwas, das ich allen Frauen wünsche, die ihr Baby nach der Geburt stillen möchten. Dieses Vertrauen zu stärken ist eine wichtige Aufgabe in der Hebammenarbeit. Denn nicht wenige Frauen sagen vorab, dass sie stillen möchten – wenn es denn hinterher klappt. Dieser Nachsatz zeigt die Skepsis, mit der viele Mütter in die Stillzeit starten.

Doch wo kommt die her? Es sind sicherlich viel weniger negative Stillerlebnisse im Freundinnenkreis. Es ist eher die Tatsache, dass viele Frauen das Stillen im Alltag gar nicht als etwas selbstverständliches erleben, bevor sie selbst ein Kind bekommen. Stattdessen lesen sie womöglich noch vom angeblichen Stilldruck und stellen vielleicht etwas in Frage, das sie noch gar nicht so richtig einschätzen können.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass nur wenige Frauen von ihren Müttern genug Vertrauen in die Fähigkeit mitbekommen haben, ein Baby zu stillen. Nur selten wird das beginnende Wachstum der Brust als Anlass genommen, darüber zu reden, dass sich der Körper bereits jetzt auf eine mögliche spätere Stilzeit einstellt. Genau wie bei der Menstruation geht es bei diesem Thema auch eher darum, ob man jetzt einen BH braucht oder nicht.

Stillprobleme sind nicht „erblich“ bedingt

Die heutigen Mütter sind selbst häufig nur kurz oder gar nicht gestillt. Oft wird familiär überliefert, dass mehrere Generationen Mütter nicht in der Lage waren, ihre Babys (länger) zu stillen. Manchmal wird es auf die „Form der Brust“ geschoben. Oft genug gibt es schlicht keine logische Erklärung, wenn nicht konkret nachgefragt wird.

Denn dann stellt sich meist heraus, dass das zeitlich getaktete Stillen, die Trennung von Mutter und Kind oder das frühzeitige Zufüttern der Grund waren, weshalb nie eine ausreichende Milchbildung aufgebaut bzw. aufrecht erhalten werden konnte. Vielleicht gab es auch eine ungerechtfertigte Abstillempfehlung wegen einer Brustentzündung oder einer nötigen Medikamenteneinnahme. Beides sind keine Gründe, die ein zwingendes Abstillen erfordern.

Man muss also schon genau nachfragen und etwas Vorwissen mitbringen, um zu verstehen, dass die Stillprobleme der eigenen Mutter oder der Großmutter nicht „erblich“ sind. Sie sind meist das Resultat von falschen Empfehlungen und einer unzureichenden Unterstützung.

Mit viel Stillvertrauen an die zukünftige Ernährung des Babys denken

Sein Kind nicht wie gewünscht stillen zu können, ist für viele Frauen mit einem emotionalen Schmerz verknüpft, oft auch viele Jahre oder Jahrzehnte später noch. Aus Selbstschutz spricht dann häufig niemand über mögliche Gründe. Genau dies ist der Grund, weshalb die Oma das Stillen manchmal mit sehr gemischten Gefühlen betrachtet. Gerade eine längere Stillzeit wird vielleicht kritisch eingeordnet.

Aber gute Stillerfahrungen werden natürlich auch weitergegeben. Es ist eine wertvolle Ressource, wenn die eigene Mutter oder auch die Schwiegermutter bestärkende und wertschätzende Worte für das Stillen findet. Oder es einfach unterstützt, in dem sie an anderer Stelle der Stillenden helfen.

Traditionell wird das Stillwissen von Frau zu Frau innerhalb der Familie weitergegeben – und nicht von der Hebamme oder der Stillberaterin. Trotzdem ist es natürlich gut, dass Mütter heute auf fachlicher Ebene die passende Unterstützung und auch die emotionale Bestärkung bekommen können. Das ist gerade in Stillkrisen sehr wertvoll. Aber wie gut wäre es, wenn Frauen schon vorher mit viel Stillvertrauen an die zukünftige Ernährung ihres Babys denken und entsprechend in die Stillzeit starten würden.

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Kommentare

4 Antworten zu „Stillvertrauen“

  1. J
    Jasmin

    Hallo. Vielen Dank für den Beitrag. Ich gehöre leider zu den Müttern, die ihrem eigenen Gefühl nicht vertrauen und habe mich was das Stillen angeht zu schnell verunsichern lassen. Ich musste am Anfang längere Zeit zusätzlich die Flasche geben und habe erst nach 3 Monaten voll gestillt. Dann hatte ich oft Probleme mit Milchstau und Rat bei meiner Hebamme gesucht, die dann schon als mein kleiner erst 4,5 Monate alt war, der Meinung war, ich hätte doch jetzt lang genug mit dem Stillen durchgehalten. Ich wollte aber gern mindestens 1 Jahr stillen und habe das auch 6 Monate durchgezogen bis ein Milchstau kam, den ich nicht mehr los wurde. Dann reichte irgendwann die Milch nicht mehr und ich musste dann, da aus der anderen Brust von Anfang an schon kaum etwas kam komplett auf Flasche ausweichen. Nachdem das ganze dann übertanden war konnte ich ihn nicht mehr dazu bringen an der Brust zu trinken und bekam dann von allen Seiten zu hören, es wäre doch nicht wild. Schließlich bekommt er jetzt eh Breimahlzeiten. Nun habe ich vor kurzem von den Brusternährungssets gelesen und frage mich, ob es nicht vielleicht doch Sinn macht, nochmal anzufangen, auch wenn er schon 8 Monate alt ist. Ihre Meinung würde mich sehr interessieren und ich würde mich über eine Antwort freuen. Sorry für den langen Text. Lg, Jasmin

    1. A
      Anja

      Liebe Jasmin,

      vielen Dank für das Teilen Deiner Erfahrung- wie schade, dass Du an gegebener Stelle leider nicht gut unterstützt worden bist. Eine Relaktation kann immer versucht werden. Ob und wie gut das klappt, hängt von vielen Faktoren ab- z.B. wie lange das letzte erfolgreiche Stillen her ist, aber auch natürlich vom Baby selbst. Ein Brusternährungsset kann hier ggf. eine Unterstützung sein- vielleicht wird es Dein Baby mit acht Monaten auch eher „als Spielzeug“ interessant finden. Das kann man tatsächlich nur druch Ausprobieren herausfinden. Wichtig ist- egal wie Du die neuen Stillversuche gestalten möchtest- Dir selbst möglichst keinen Druck zu machen. Stillversuche mit der Einstellung „Kuscheln mit Hautkontakt kann ebenso schön sein wie das Stillen selbst“ führen zu weniger Frust oder „Versagensgefühlen“ als sehr hohe Erwartungen. Ich würde Dir hier die Unterstützung in Form einer Stillberatung empfehlen, um einfach Deine Situation individuell zu besprechen und zu schauen, was noch hilfreich sein könnte.

      Alles Gute für euch und liebe Grüße, Anja

  2. A
    Annika

    Dieser Beitrag spricht mir aus dem Herzen. Ich konnte meine beide Kinder nicht wirklich stillen und habe dies sehr betrauert, was in meinem Umfeld leider viel Unverständnis und Kopfschütteln hervorgerufen hat.
    Heute kenne ich die Ursachen bei beiden Kinder. Unser Sohn kam als Frühchen auf die Welt und es wurden verständlicherweise andere Prioritäten gesetzt als ein gelungener Stillstart. Ich pumpte zwar fleißig und erfolgreich Milch ab, konnte aber auch als wir zu Hause waren meinen Sohn nie von der Brust überzeugen. Hatte da leider auch die fasche Hebamme, die nach 4 Wochen fragte, ob ich nicht endlich bereit sei, entweder nur noch zu pumpen oder endlich pre-Nahrung zu füttern. Meine Frauenärztin verlängerte nach 8 Wochen das Rezept für die Milchpumpe nicht mehr und da es mit der Hand echt mühsam war, hörte ich dann nach 10 Wochen daheim zur Erleichterung aller (mein Mann sah wie ich litt und wusste nicht, wie er helfen sollte) auf fürs Stillen zu kämpfen.
    Bei meiner Tochter wollte ich natürlich alles besser machen. Ich hatte mir einen anderen Frauenarzt und eine stillerfahrene Hebamme gesucht. Und es sah nach der spontanen Geburt tatsächlich drei Wochen so aus, als ob es klappen würde. Trotzdem war ich oft verunsichert. Da die Maus nur langsam zunahm und viel an der Brust war, musste ich mir von besorgten Großeltern und Geschwistern anhören, dass ich doch ruhig mal ein Fläschchen zufüttern könnte. Schließlich sei das einfacher für alle. Was ja auch irgendwie stimmte. Mein Sohn war ein großes Mamakind und reagierte sehr eifersüchtig auf seine kleine Schwester vor allem beim Stillen, wollte dazukuscheln und „störte“ so das entspannte Stillen immer etwas. Zum Glück hatte mein Mann 4 Wochen Urlaub nach der Geburt und unterstütze mich hier hervorragend. Ich war guter Dinge, dass es diesmal klappen würde. Doch dann kam die Brustentzündung. Am 3. Freitagabend nach der Geburt bekam ich plötzlich und ohne vorherigen Milchstau fast 40 Fieber. Die Hebamme gab mir sofort Globuli und schickte mich am nächsten Morgen zum ärztlichen Notdienst. Der Arzt schaute mich aber gar nicht richtig an und verschrieb mir nur Schmerzmittel, die das Fieber senken sollten. Doch es sank nicht. Samstag abends fing dann die Maus an zu weinen. Die ganze Nacht über versuchte ich sie anzulegen, aber sie bekam wohl nichts oder es schmeckte ihr nicht mehr, sie dockte ab und schrie. Ich war mit meinen Kräften am Ende. Am nächsten Morgen machte mein Mann ihr nach Absprache mit der Hebamme ein Fläschchen mit pre-Nahrung, das er von der Notfallapotheke geholt hatte. Die Kleine trank es in Rekordzeit und schlief endlich ein. Am Sonntag Nachmittag fuhr mich meine Hebamme direkt zum Frauenarzt in die Praxis, den sie telefonisch verständigt hatte. Der stelle eine bakterielle Brustentzündung fest und verschrieb mir sofort Antibiotika. Doch für meine Maus war das zu spät. Sie wollte einfach nicht mehr an die Brust. Meine Hebamme tat ihr bestes, doch es war nichts zu machen. Erst als alles Antibiotika aus meinem Körper war, trank sie wenigstens die Muttermilch wieder aus dem Fläschchen. Die Brust schrie sie weiterhin nur noch an. Mein Umfeld war der Meinung, dass ich es mit dem abpumpen bis zum 9. Monat übertreiben würde. aber ich musste es dieses Mal einfach so machen. Es mir beweisen, dass ich mein Kind wenigstens mit Muttermilch versorgen kann, wenn auch nicht an der Brust. Die Situation hat trotzdem sehr belastet. Schließlich hatte ich gleich zwei kleine Kinder, die es nicht toll fanden, wenn ich pumpte.
    Jetzt bin ich im 7. Monat mit unserem dritten Kind schwanger. Ich hoffe immer noch drauf, dieses Kind glücklich lange zu stillen, habe aber beschlossen, dass dieses Mal keine Milchpumpe mehr ins Haus kommt. Wenn es nicht sein soll, dann versuche ich das dieses Mal entspannter zu sehen und nicht mehr als mein Versagen als Mutter. Das habe ich meinem Mann versprochen.
    Die Unterstützung meines Umfelds hätte mir sicher sehr geholfen, aber ich verstehe, warum sie nicht gegeben werden konnte. Ich bin ein Spaltkind. Meiner Mutter wurde direkt nach meiner Geburt die Abstilltablette verordnet und bei meinem Bruder, der mit Herzproblemen zur Welt kam, war Stillen ebenfalls kein Thema damals. In der Schwiegerfamilie war kein einziges Kind gestillt, weil sowohl mein Mann als auch seine Geschwister mit unter 3000g zur Welt kamen und man der Auffassung war, dass Muttermilch nicht nahrhaft genug sei für die Kinder. Außerdem hatte man keine Kontrolle über die Trinkmenge. Meiner Schwägerin war die gleichberechtigte Erziehung so wichtig, dass sie aufs Stillen verzichtete, denn dann konnte ja der Partner nachts das Fläschchen geben.

  3. H
    Hanna

    Vielen Dank für diese Perspektive. Ich habe unseren Sohn bis einige Tage vor seinem zweiten Geburtstag gestillt und dafür ab etwa dem dritten Monat sehr, sehr kritische Blicke (und später auch Kommentare) meiner Schwiegermutter bekommen. Das hat unsere Beziehung sehr belastet, in dieser sehr emotionalen Lebenssituation konnte ich damit einfach nicht gut umgehen. Jetzt überlege ich gerade erstmalig, wie eigentlich ihre Sichtweise ist. Falls es mal ein zweites Kind geben sollte, kann ich ihr hoffentlich anders begegnen.

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