Wenn man sich ein Kind gewünscht hat, sind die ersten Schwangerschaftsanzeichen und vor allem dann der erste positive Test in den Händen ganz besondere Momente. Große Vorfreude auf das, was da kommen wird, macht sich breit. Aber diese wird schnell getrübt, wenn die ersten Sorgen und Ängste auftauchen. Die gute Hoffnung weicht nicht selten dem Zweifel, dass doch etwas schief laufen könnte. Genährt wird dies sicherlich auch ein wenig durch unser Vorsorgesystem. Das ist wesentlich mehr auf Fehlersuche, als dass es die Gesundheit von Mutter und Kind aktiv fördert.
Es fängt mit Kleinigkeiten an. Statt einem „Herzlichen Glückwunsch“ beim ersten Frauenarzttermin heißt es oft „Wir schauen jetzt mal, ob die Schwangerschaft intakt ist“. Mütter wird lieber nicht erzählt, wie sie mit einer ausgewogenen und leckeren Ernährung gut für sich und ihr Kind sorgen können. Dafür gibt es ganze Broschüren, in denen die „verbotenen“ Lebensmittel aufgeführt sind. Statt sich von der Schwangeren berichten zu lassen und zu tasten, wie es ihrem Kind im Bauch geht, bringt scheinbar nur der Ultraschallblick in den Bauch die Bestätigung, dass alles in Ordnung ist.
Blutdruck, Gewicht und Urinstixergebnisse haben oft mehr Bedeutung als die momentane Gefühlslage der Mutter. Schon im ersten Schwangerschaftsdrittel müssen sich Eltern Gedanken über Untersuchungen mit weitreichenden Folgen machen. Untersuchungen, die die gute Hoffnung wieder in Frage stellen. Mit ihren Fragen und Sorgen diesbezüglich stehen die Eltern nicht selten alleine da.
Sorge in der Vorsorge
Irgendwann geht dann der Stress in Richtung Geburt weiter. Da wird in der 30. Schwangerschaftswoche die Beckenendlage als „Geburtsrisiko“ angesprochen, obwohl das Baby zu diesem Zeitpunkt noch genug Zeit und Platz im Bauch zum Drehen hat. Später wird dann das Baby wahlweise als zu klein oder zu groß geschallt – und wieder belästigen Sorgen und Zweifel die Gefühlswelt der Schwangeren.
Ich möchte damit überhaupt nicht sagen, dass die Schwangerenvorsorge generell falsch und überflüssig ist. Aber es steckt mehr Sorge in der Vorsorge, als dass ein wirklicher Beitrag zum Wohlbefinden der Schwangeren und damit auch zu dem des Kindes geleistet wird. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit wie folgt:
„Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ („Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity.“)
Ja, körperlich werden Mutter und Kind sicherlich sehr umfassend „überwacht“. Doch genau diese Überwachung macht aus dem erst einmal an sich gesunden Zustand Schwangerschaft schnell etwas „Krankhaftes“. Und wo bleibt das von der WHO zitierte geistige Wohlbefinden? Ist das der kurze Moment der Beruhigung, wenn der Ultraschall bestätigt: Es ist jetzt gerade in diesem Moment alles okay? Aber was ist dann mit den Zeiträumen zwischen den Untersuchungen? Was macht es mit Schwangeren, wenn zum Teil bereits ab der 28. SSW regelmäßig ein CTG geschrieben wird, ohne dass es irgendeine Indikation dafür gäbe? Wie wäre es wohl, wenn man in dieser halben Stunde stattdessen mit der Schwangeren bespricht, wie es ihr geht und worauf sie sich freut oder auch, was ihr vielleicht Sorgen macht?
Werte statt Wohlbefinden
Auch der Mutterpass lässt viel mehr Platz, um die Ergebnisse von in der Regel gar nicht in dieser Häufigkeit erforderlichen vaginalen Untersuchungen einzutragen. Da ist aber kaum Raum, etwas über das Befinden von Mutter und Kind zu notieren. Es gibt keinen Platz, um dort aufzuschreiben, dass das Baby vielleicht am Abend besonders aktiv ist oder die Mutter sich gerade sehr wohl fühlt. Stattdessen werden dort primär „Fehler“ gesucht – in der eigentlich meist ganz gut von alleine funktionierenden Lebensphase der Schwangerschaft. Und eine als gesund erlebte Schwangerschaft ist sicherlich die beste Geburtsvorbereitung. Denn als Frau lernt man dadurch, seinem Körper und seinem Kind zu vertrauen. Wichtige Voraussetzungen, um auch guter Hoffnung in die Geburt zu gehen.
Auch Väter sind oft eher verunsichert von der Vielzahl an Untersuchungen und Vermessungen des Kindes. Und wer fragt die eigentlich mal, wie es ihnen dieser neuen besonderen Lebensphase geht? Ebenso ist es bei nicht ganz komplikationslosen Schwangerschaftsverläufen sehr sinnvoll den Fokus auf die gesunden Anteile zu setzen. Denn gerade dann, wenn Schwierigkeiten vorhanden sind, ist doch die gute Hoffnung ganz besonders wichtig. Auch wenn in Deutschland die meisten Schwangeren primär zum Arzt und zur Geburt dann in ein Krankenhaus gehen, sind sie trotzdem nicht krank. Es ist erwiesen, dass Angst und Stress gesundheitliche Risiken für die Schwangerschaft erzeugen können. Es ist also längst Zeit, sich damit zu befassen, wie sich beides reduzieren lässt. Zum Beispiel durch eine Schwangerenvorsorge, bei der nicht nur ermittelte Werte, sondern auch das Wohlbefinden eine entscheidende Rolle spielen.
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