Letzten Freitag sprach ich mit einem Gesundheitswissenschaftler über die Lobbyarbeit der Hebammen. Er sagte mir, dass die Hebammen innerhalb (und auch außerhalb) der Gesundheitspolitik zumindest in der Wahrnehmung ein recht gutes Standing haben. Genaus dieses zwinge die Politik dazu, sich mit den Hebammen zu beschäftigen. Auch wenn die Hebammen gesamtgesellschaftlich betrachtet eine vergleichsweise kleine Berufsgruppe seien. Ja, es stimmt: Die meisten Leute lächeln, wenn man sagt, dass man Hebamme ist. Oft fallen schnell Aussagen wie der „schönste Beruf der Welt“ und den Leuten gehen Bilder einer Hebamme durch den Kopf, die einen schönen runden Bauch abtastet oder neben einer lächelnden Familie und deren neugeborenem Baby sitzt. Wundervoll also – und kein Grund zur Beschwerde…
Doch wenn ich mir anschaue, wie die Hebammen sachlich weiter systematisch verdrängt werden, glaube ich langsam wirklich, dass wir tatsächlich ein ausgemachtes Imageproblem haben. Und zwar dahingehend, dass unser Beruf von der Gesellschaft als viel zu schön und gemütlich wahrgenommen wird. Doch genauso wenig wie Erzieher den ganzen Tag Kastanienmännchen basteln, kuscheln Hebammen mit kleinen Babys oder trinken mit den Müttern Tee, nachdem sie ein Räucherstäbchen angezündet haben.
Mir wurde das mal wieder sehr deutlich bewusst, als wir im Rahmen der Familienhebammenweiterbildung unsere Fallarbeiten vorstellten. Einige arbeiten schon konkret in diesem Bereich, die meisten Fälle waren jedoch aus dem ganz normalen Hebammenalltag und alles andere als schön oder wundervoll. Denn es geht leider nicht allen Müttern und Kindern gut während der Schwangerschaft, der Geburt oder der Zeit danach. Und diese Begleitungen machen den größeren Teil der täglichen Hebammenarbeit aus, eben weil genau diese Familien unsere Hilfe besonders brauchen. Mit diesen Betreuungen verbringt man besonders viele Arbeitsstunden. Und nein, das sind nicht unbedingt die Eltern, die sich jetzt für uns einsetzen, einfach weil sie viel zu viele eigene Probleme und Baustellen haben – und sich einfach nicht anderweitig engagieren können.
Schwere Geburt
Die mediale Darstellung unseres Berufes und die Realität sehen also oft ganz anders aus. Deshalb gibt es im kollegialen Austausch zwischen Hebammen auch kein ständiges glückseeliges Seufzen, sondern es ist ein Abladen von wirklich heftigen Geschichten und Verläufen, die man mit irgendwem teilen muss, damit man es überhaupt aushält. Supervision ist wichtig, aber teuer und wird selbst für angestellte Hebammen nur selten vom Arbeitgeber finanziert. Denn wenn es schlimm läuft, dann auch leider oft so richtig schlimm. Und ohne Schwangerschaft und Geburt zu pathologisieren zu wollen – manchmal geht es einfach um Leben und Tod. Alle Kolleginnen haben Situationen und Ereignisse im Kopf, die sie auch nach Jahren noch nicht loslassen können.
Ich kann mich an jeden Moment meiner ersten als examinierte Hebamme begleiteten schweren Schulterdystokie erinnern – und erst als ich diese Mutter zwei Jahre später mit ihrem ganz gesunden Kind traf, konnte ich das Erlebnis für mich etwas abschließen. Manche Situationen enden allerdings auch nicht so gut. Geburt hat viele Facetten. Während in dem einem Kreißsaal gerade neues Leben geboren wird, kämpft nebenan die Mutter um ihr eigenes Leben. Als Hebamme betreut man bisweilen beides gleichzeitig. Und immer wieder gilt es nach schweren Verläufen sich ins Gedächtnis zu rufen, dass dieses die Ausnahmen sind. Aber man muss sie halt trotzdem immer im Hinterkopf haben, um rechtzeitig zu handeln.
Das gilt auch für die Schwangerschaft und das Wochenbett. Oft ist alles gut, manchmal aber auch alles einfach nur schrecklich. Und dann ist es mein Job, diese verzweifelten Eltern nicht damit allein zu lassen. Und es ist ganz egal, ob ich gerade selbst privat belastet oder vielleicht frühschwanger bin, wenn eine Mutter gerade diagnostiziert bekommt, dass ihr Kind im Bauch nicht lebensfähig sein wird. Das muss man aushalten können, um für die Familie auch in dieser schweren Zeit kompetent dasein zu können. Auch wenn es manchmal kaum machbar ist.
Glückloses Wochenbett
Man muss als Hebamme die Nerven behalten und richtig handeln können, wenn die depressive Mutter plötzlich im Wochenbett in einen psychotischen Zustand reinrutscht und sowohl ihr eigenes als auch das Leben des Kindes gefährdet ist. Vielleicht erlebt man das nur ein oder zwei Mal in seinem Hebammenberufsleben, vielleicht auch häufiger. Keiner weiß, was in dem Rucksack sein wird, denn jede Hebamme in ihrem Berufsleben tragen muss. In der Stillberatung muss ich auch Themen wie Brustkrebs im Hinterkopf haben, wenn sich der hartnäckige Milchstau nicht lösen lässt. Auch wenn das wirklich selten der Fall ist.
Also immer wieder abwägen zwischen zu früh und zu viel tun, aber auch nie zu spät handeln.
Mehr als 60.000 Kinder kommen in Deutschland zu früh auf die Welt. Ein Wochenbett zwischen Neonatologie und Milchpumpe zu Hause hat wenig mit „Babyflitterwochen“ zu tun. Als Hebamme fangen wir dann oft eine Krise nach der anderen ab. Das ist wirklich harte Arbeit! Genauso wie das Begleiten einer Fehlgeburt. Ein stille Geburt und ein glückloses Wochenbett sind auch als Hebamme nicht immer leicht auszuhalten. Während es in vielen Bereichen regelmäßige Supervision und Fallbesprechungen gibt, spart sich das Gesundheitswesen kaputt und Hebammen, Ärzte und Pflegepersonal können selbst zusehen, wie sie damit klar kommen, ohne selbst zu zerbrechen. Hebammen arbeiten mit Schwangeren in Flüchtlingsunterkünften oder versuchen in der Tristesse einer psychiatrischen Klinik die Bindung zwischen einer nahezu regungslosen Mutter und ihrem Kind zu fördern. Diese Bilder sieht man medial selten oder nie, wenn der Hebammenberuf irgendwo dargestellt wird.
Harte Arbeit mit hoher Verantwortung
Das Bild von der Bäuche streichelnden und Babys schuckelnden Hebamme ist ein falsches Bild. Ja, es gibt diese vielen kleinen und großen wundervollen Momente im Hebammenleben, die wir vor, während und nach Geburten miterleben dürfen. Doch meistens ist es harte Arbeit mit hoher Verantwortung. Diejenigen, die meinen, dass es ein bisschen egal ist, wenn die Hebammen von der Bildfläche verschwinden, hatten scheinbar das Glück, nie in einer solchen Krisensituation gewesen zu sein.
Aber Fakt ist, dass es vielen Kindern und Eltern nicht besser gehen wird, wenn die Hebammenarbeit wegfällt. Denn es ist keine Tätigkeit, die von Ärzten, Pflegepersonal oder anderen Berufsgruppen übernommen werden kann. Genauso wenig wie eine Hebamme eine Gynäkologin oder Krankenschwester ersetzen kann.
Das Hebammenwissen kann ich mir auch nicht in einem Wochenendkurs aneignen, genauso wenig wie ehemalige Verkäuferinnen plötzlich nach einem Crashkurs die qualitativ hochwertige Arbeit von Erziehern machen können. Babys baden, Tragetücher binden, Füße akupunktieren und mit der Wöchnerin Stilltee trinken können mit Sicherheit auch andere übernehmen. Aber die wirkliche Hebammenarbeit ist nicht zu ersetzen. Wenn sie wegfällt, wird sie einfach fehlen. Es ist an der Zeit, mit dem Hebammen-Bullerbü-Ideal Schluss zu machen und zu verstehen, was Hebammen wirklich tun.
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