Die Wochenbettbetreuung wird ja oft als „die kleine Schwester“ der eigentlichen Geburtshilfe gesehen. Tatsächlich ist es auch häufiger so, dass im Kontext der Geburt schwierige Verläufe schnelle und verantwortungsvolle Entscheidungen erfordern. Notfälle treten hier etwas häufiger auf. Wohl alle Hebammen nehmen immer wieder Geburtsgeschichten mit nach Hause. Und mit ihnen die innerliche Fragen, ob alles möglich und richtig gemacht wurde. In Zeiten, in denen eine einzelne Hebamme drei und mehr Frauen gleichzeitig im Kreißsaal betreut, ist auch das Abschalten nach dem Dienst nicht einfacher geworden.
Doch auch die Wochenbettbetreuung ist keine Wohlfühloase, in der die Hebammen nur mal „ein bisschen nach dem süßen Baby schauen“. Auch die Phase nach der Geburt ist geprägt davon, immer wieder die Physiologie von der Pathologie abgrenzen zu müssen. Komplikationen und echte Notfälle gibt es auch im Wochenbett. Diese gehen weit über den fiebrigen Milchstau hinaus. Und da kommen wir zu dem Problem, warum die Wochenbettbetreuung durch die Hebammen doch nicht ganz so einfach zu ersetzen ist. Ich bin zwar auch Stillberaterin IBCLC – aber sehe jede Stillberatung immer durch die Hebammenbrille. Fieber kann von entzündlichen Prozessen in der Brust kommen. Aber ebenso können sämtlich andere Organe auch außerhalb von Brust oder Gebärmutter betroffen sein.
Genau wie die Veränderungen in der Schwangerschaft den ganzen Körper und die Seele beeinflussen, ist alles davon auch von den Umstellungen bei und nach der Geburt betroffen. Wunden, die nicht erwartungsgemäß heilen, können ebenso zum größeren Problem werden wie ein auffälliger Blutdruck. Und gerade psychische Erkrankungen zeigen sich oft anfangs sehr diskret. Die Wochenbettbetreuung beinhaltet natürlich auch das Verhalten und die Bedürfnisse des Babys. Auch beim Kind kommen Komplikationen und Notfälle vor, die sich mal mehr und mal weniger schnell und deutlich zeigen.
Zu wenige Hebammen, zu viele Familien mit Betreuungsbedarf
In täglichen Hebammenbesuchen wird vieles gesehen, untersucht und abgefragt. Doch ein erheblicher Teil der Frauen im Wochenbett wird inzwischen von keiner Hebamme mehr aufgesucht. Sie haben keine Hebamme gefunden. Trotzdem gehen die Familien ein bis drei, manchmal vier Tage nach der Geburt nach Hause. Selbst nach einer Bauchgeburt (Kaiserschnitt) ist die Klinikverweildauer auf wenige Tage beschränkt. Darum ist es mittlerweile auch wichtig, dass Eltern über bestimmte Symptome im Wochenbett aufgeklärt werden, um entsprechend rechtzeitig reagieren zu können. Oder aber auch, um einen nicht erforderlichen Arztbesuch oder eine Fahrt in die Klinik zu vermeiden. Denn natürlich sind solche Situationen immer mit viel Stress und Aufregung verbunden.
An dieser Stelle muss man sich natürlich auch fragen, wie sich das unterbesetzte Hebammensystem neu aufstellen lässt. Sind Wochenbettambulanzen direkt an eine Klinik angebunden ein möglicher Weg? Oder eine telefonische Wochenbettbetreuung, wie sie in anderen Ländern schon üblich ist? Ideal wäre natürlich einfach eine Wochenbetthebamme für jede Frau, die es wünscht. Aber realistisch müssen wir derzeit und in naher Zukunft viel zu wenige Hebammenressourcen auf zu viele zu betreuende Familien verteilen.
Der Aufenthalt in der Geburtsklinik wird sich kaum weiter ausdehnen lassen. Schon jetzt ermögliche nur die frühen Entlassungen, dass überhaupt jede Frau nach der Geburt ein Bett bekommt. Und die dünne Personaldecke auf der Wochenbettstation erwähne ich an dieser Stelle gar nicht erst…
Wochenbett braucht ausreichend Zeit und eine 1:1-Betreuung
Vielleicht müssen wir übergangsweise dahin zurückkehren, dass die ersten zehn Tage – das frühe häusliche Wochenbett – intensiver betreut wird. Im Gegenzug müsste dafür im Spätwochenbett weniger Betreuung vorgesehen werden. Das Problem dabei: Natürlich wissen wir Hebammen alle, dass die Fragen und Sorgen ab dem 11. Tag nach der Geburt keinesfalls weniger werden. Auch wenn körperlich an diesem Punkt schon viele Umstellungen stattgefunden haben, ist das in manchen Bereichen längst noch nicht der Fall. Ich denke hier an den Beckenboden oder die Psyche nach der Geburt. Und beim Baby gibt es nahezu täglich zu beobachtende Veränderungen und immer wieder große Fragezeichen bei den Eltern.
Ich habe bisher keine sinnvolle Lösung gefunden. Aber ich komme zunehmend häufiger in Situationen, in denen ich die Auswirkungen einer fehlenden Hebammenbetreuung erlebe. So werde ich bei Stillproblemen zu einem eigentlich einzelnen Hausbesuch konsultiuert und erfahre „nebenbei und zufällig“ von Beschwerden, die auf einen Lochialstau, eine Beinvenenthrombose oder eine gravierende Gebärmuttersenkung hinweisen. Oder Familien melden sich eben ganz gezielt mit Beschwerden, weil sie keine Hebamme vor der Geburt gefunden haben – trotz Beginn der Suche ab noch nicht getrocknetem Schwangerschaftstest. Das Verweisen auf Gynäkolog:in oder Kinderärzt:in liefert oft keine zeitnahe Lösung. Denn auch die Praxen sind voll und Termine rar. Somit landen die Eltern dann am Ende wieder in der Klinik, wo lange Wartezeiten und fehlenden Zuständigkeiten nicht für schnelle Lösungen sorgen.
Informationen über das beste Windelsystem oder das Schlafverhalten von Babys bekommen Eltern sicher auch über andere Beratungsmöglichkeiten. Aber wie gehen wir mit den Beschwerden, Komplikationen und Notfällen im Wochenbett um? Genau wie Geburtshilfe braucht das Wochenbett ausreichend Zeit und eine 1:1-Betreuung. Wenn beides fehlt, gehen wir als Hebammen mit demselben Bauchweh nach Hause wie nach so manchen Nachtdienst im übervollen Kreißsaal. Und das darf nicht sein.
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