Während auf gesundheitspolitischer Ebene ja mehr oder weniger daran gearbeitet wird, wie man die letzten verbleibenden Hebammen doch noch „motivieren“ kann, einem schlecht vergüteten und scheinbar nicht zu versicherndem Beruf nachzugehen, sehe ich zunehmend noch ein ganz anderes Problem auf die deutsche Geburtenlandschaft zurollen. Denn natürlich werden auch Hebammen älter und scheiden irgendwann aus dem Berufsleben aus. Das zwar im Schnitt meist viel später als es das herkömmliche Rentenalter vorsieht, aber es ist trotzdem unabdingbar, dass neue junge Kolleginnen nachkommen müssen.
Doch genau da beginnt seit einer Weile ein Problem. Während es vor einigen Jahren noch einem Sechser im Lotto glich, einen Ausbildungsplatz an einer deutschen Hebammenschule ergattert zu haben, reduzieren sich schon länger parallel zu der ganzen Hebammenmisere die Bewerberzahlen. Und: Diejenigen, die die Ausbildung beginnen, beenden diese häufig vorzeitig ohne Abschluss. An der Hebammenschule, an der ich gelernt habe, werden pro Jahr zwölf neue Hebammenschülerinnen ausgebildet. Noch vor 15 Jahren gab es über 1000 Bewerber für diese wenigen Ausbildungsplätze. Die Schülerinnen, die die Ausbildung begannen, haben sie auch mit dem Examen abgeschlossen. Selbst Frauen, die in dieser Zeit schwanger wurden oder ein Kind bekamen, haben nur pausiert, aber die Ausbildung immer beendet. Heute sind nicht nur die Bewerberzahlen deutlich zurück gegangen. Es hören gleichzeitig auch noch mehr Hebammenschülerinenn in der Ausbildungs- oder Studienzeit wieder auf. So saß eine Kollegin, die gelegentlich in meiner ehemaligen Hebammenschule unterrichtet, neulich vor nur noch sieben der eingangs zwölf Hebammenschülerinnen. Fünf hatten die Ausbildung wieder abgebrochen. Ähnliches berichtet auch eine Freundin, die in Berlin Hebammenkunde studiert.
Theoretisch gute Geburtshilfe
Die Hebammenausbildung war und ist kein Zuckerschlecken. Sie fordert einen auf allen Ebenen – und das Ganze auch noch rund um die Uhr im Schichtdienst. Dies mit eigenen Kindern zu vereinbaren, braucht nicht nur extremes Organisationstalent, sondern auch eine sehr gut funktionierende und maximal flexible Kinderbetreuung. Durch die streng geregelte Anzahl von theoretischen und praktischen Stunden sind längere Fehlzeiten nicht möglich, ohne dass die Examenszulassung gefährdet ist. Familienfreundlich ist das alles nicht.
Doch auch Hebammenschülerinnen ohne familiäre Verpflichtungen hören auf, weil ihnen die Belastung zu hoch ist. Obwohl die meisten im Vorfeld ein Kreißsaalprakatikum absolviert haben und ungefähr wissen, was sie erwartet, sind die Arbeitsbedingungen im Kreißsaal immer wieder mehr als belastend. Die Ausbildung von Schülerinnen und Studentinnen ist oft nicht gut geregelt und muss als Zusatzaufgabe von den Klinikkolleginnen geleistet werden. Dass Geburtskliniken an allen Stellen chronisch unterbesetzt sind, hatte ich hier schon mehrfach beschrieben.
So lernen die Schülerinnen zwar theoretisch eine Geburtshilfe kennen, bei der die Bedürfnisse und die Selbstbestimmung der Gebärenden im Fokus stehen, die aber praktisch so gar nicht umgesetzt werden kann. Wenn ich keine Zeit habe, unter der Geburt bei der Frau zu bleiben, kann ich beispielsweise keine intermittierende Herztonkontrolle durchführen, was meist ein Dauer-CTG mit zum Teil eingeschränkter Bewegungsfreiheit der Frau zur Folge hat.
Arbeitsleben an der Burnout-Grenze
Doch das sind eher noch die „banaleren“ Interventionen in der Geburtshilfe, die nicht immer den Wünschen der Frau gerecht werden. Eine interventionsreiche, sogar zum Teil traumatische Geburtshilfe ist oft die Folge von fehlender Betreuung. Ein Personalschlüssel, der am Schreibtisch ausgerechnet wurde, wird dem tatsächlichen Bedarf nur selten gerecht. Dazu kommen diverse Nebenaufgaben wie die Betreuung von gynäkologischen Ambulanzen, administrative Tätigkeiten und vieles mehr, was Kreißsaalhebammen davon abhält, sich situationsgerecht um die Frauen unter der Geburt zu kümmern. In diesem Spannungsfeld sollen nun auch noch Hebammenschülerinnen fachlich und sachlich korrekt ausgebildet werden! Ärger ist da vorprogrammiert und auch an der Tagesordnung. In vielen Häusern sind die Schülerinnen auch nicht zusätzlich mit im Kreißsaal oder auf der geburtshilflichen Station, sondern sie sind fester Bestandteil eines ohnehin meist zu knapp besetzten Dienstplans.
Anders sieht es dann für die Schülerinnen im Externat aus, was in der Regel in einem Geburtshaus oder bei einer Hausgeburtshebamme absolviert wird. Dort lernen sie eine Geburtshilfe kennen, wie sie sie sich für alle Frauen wünschen. Die Motivation, nach der Ausbildung selbst so zu arbeiten, ob nun außerklinisch oder als Beleghebamme, die eine 1:1 Betreuung im Krankenhaus anbietet, trägt einen vielleicht durch die nicht immer leichte Ausbildungszeit. Doch schon seit einigen Jahren bekommen die angehenden Hebammenkolleginnen natürlich mit, wie sehr sich die Rahmenbedingungen für die freiberuflichen Hebammen zunehmend verschlechtern. Dass auch das Arbeitsleben als angestellte Hebamme häufig knapp an der Burnout-Grenze verläuft, wissen sie da schon längst.
Kurze Verweildauer im Beruf
Was sind also die Perspektiven? Natürlich haben wir von der Sache her einen wunderbaren und großartigen Beruf, aber von der Wertschätzung und vom Dank der Familien allein kann keiner leben. Und wenn ich Frauen nicht so betreuen kann, wie es eigentlich in dieser besonderen Lebensphase angemessen wäre, bleibt wohl auch selbst der Dank irgendwann aus. Mit jedem Ausbildungsjahr wird man realistischer und aufgrund der großen medialen Verbreitung der Hebammenthemen in den letzten zwei Jahren wissen die zukünftigen Hebammen recht genau, was sie erwartet. Sie bekommen es bereits in der Ausbildung mit, wie häufig Hebammen ihren Arbeitsplatz wechseln, sich in anderen Bereichen weiterbilden, studieren oder die Hebammenarbeit ganz niederlegen. Dabei haben fast alle mit großer Begeisterung und der Liebe zu diesem Beruf angefangen zu lernen und später zu arbeiten.
Doch die Ernüchterung folgt schneller, als man denkt. Die extrem hohe Verantwortung, Dauerrufbereitschaft und völlig unplanbare Arbeitszeiten sind das eine. Das man sich damit aber nicht einmal existenzsichernd finanzieren kann, führt schnell zu der Erkenntnis, dass man so nur schwer davon und damit leben kann. Darum haben viele Hebammen noch andere Standbeine oder gehen doch komplett andere Wege. Die Verweildauer in diesem Beruf ist jedenfalls extrem kurz.
Woher soll also die Motivation kommen, sich durch zum Teil auch schwere Ausbildungs- und Studienzeiten zu schleppen und Familien- sowie Privatleben drei oder vier Jahre lang dafür stark zu vernachlässigen?
Keine Lust aufs Kinderkriegen
Trotzdem gibt es angehende Kolleginnen, die das noch tun. Doch es zeigt sich deutlich, dass es immer weniger werden. Es hören also nicht nur mehr und mehr examinierte Kolleginnen auf, sondern es fehlt zunehmend der Hebammennachwuchs. Während also die Gesundheitspolitik noch immer Lösungen präsentiert, die keine sind – steuert Deutschland langfristig einem Hebammenmangel entgegen, der so schnell gar nicht behoben werden kann, selbst wenn sich irgendwann die Arbeitsbedingungen für Hebammen mal wieder verbessern sollten. Aber vielleicht ist die Geburtenrate bis dahin ohnehin so niedrig, dass wir einfach kaum noch Hebammen brauchen. Bei diesen Bedingungen und der derzeitigen Familienpolitik vergeht einem allmählich sowieso die Lust aufs Kinderkriegen und Kinderhaben…
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