Muttermilch aus der Espressotasse

Dies ist der 24. Beitrag in unserer Reihe „Stillen ist bunt“ (alle weiteren findet ihr gesammelt hier). Viry ist Mutter von zwei Kindern. Hier erzählt sie von ihrer ersten Stillzeit, dem selbstbestimmten Abstillen in der neuen Schwangerschaft und den ersten Stillwochen mit ihrem zweiten Sohn.

Was hast du vor deiner Schwangerschaft über das Stillen gedacht bzw. welche Erfahrungen mit dem Thema gemacht?
Ich dachte, Stillen ist natürlich, normal und jeder kann das ohne Probleme. Das Stillen startet quasi direkt nach der Geburt und das Baby holt sich, was es braucht. Außerdem stand für mich auch nie zur Debatte, ob man das machen soll oder nicht. Da ich selber lange Neurodermitis hatte und immer gefragt wurde, ob ich denn als Baby nicht gestillt wurde, war mir klar, dass das Stillen unabdingbar ist.

Wie hast du dich vor der Geburt über das Thema informiert? Gab es Wünsche und Vorstellungen in Bezug auf die vor euch liegende Stillzeit?
Ich hab mich erstaunlich wenig zum Stillen informiert. Ich war beim ersten Kind eher auf die Geburt und die Babyausstattung für danach fokussiert. Da ich davon ausging, dass das schon nicht so schwierig sein kann und ich ja dann auch eine Wochenbetthebamme haben würde, ging das Thema als Vorbereitungspunkt etwas unter. Was die Länge der Stillzeit anging, hatte ich mir keine Gedanken gemacht. Irgendwie lang genug für das Kind.

Wie verlief der Stillstart und wie ging es dir und Deinem Baby dabei? Welchen Einfluss hatte die Geburt auf eure ersten Stillmomente?
Unser Stillstart war an sich ohne Probleme. Ich brauchte immer Licht, auch nachts, um den Mund des Babys richtig zu treffen und musste mich ein paar Tage an dieses Sauggefühl gewöhnen. Der erste Tag Milcheinschuss war natürlich beeindruckend im Sinne von: „Ja verrückt, was die Natur so macht und kann.“

Ohne meine Hebamme wäre ich da ganz schön aufgeschmissen gewesen

Wie lief das Stillen im Wochenbett? Hattest du in dieser Zeit Unterstützung?
Am späten Nachmittag des dritte Lebenstages wurde unser Kleiner apathisch und hörte auf zu trinken, so dass wir die ganze Nacht versuchten, ihn zum Trinken zu animieren. Und ihm die spärlichen Tropfen Milch (vor Milcheinschuss), die wir auffangen konnten, mit Hilfe einer Espressotasse einzuflößen. Am morgen kam unsere Hebamme mit ihrer eigenen Milchpumpe und wir konnten dem kleinen mit Hilfe einer kleinen Spritze die Milch in die Backentaschen geben.

Dann besorgte mein Mann beim Frauenarzt ein Rezept für einen Pumpe und bei der dritten Apotheke dann auch das Gerät. Die hatten wir dann einen Monat bei uns stehen, wobei der Kleine sich wieder relativ schnell fing und wir die Pumpe quasi nie so richtig brauchten. Ohne meine Hebamme wäre ich da ganz schön aufgeschmissen gewesen bzw. hätte auch nicht so schnell den Ernst der Lage in der Nacht begriffen. Sondern wohl eher gedacht: Der schläft jetzt aber schön.

Wer war bei Fragen oder Problemen in der Stillzeit für Dich da? Wer oder was hat Dir besonders gut bei etwaigen Schwierigkeiten geholfen?
Meine Wochenbetthebamme, die ich schon aus der Schwangerschaft kannte, weil sie zu dem Hebammenteam meines Geburtshauses gehörte.

Gestillt hab ich nach und nach immer weniger

Wie verlief der Beikostbeginn? Welche Erwartungen gab es? Und wie hat sich das Stillen in dieser Zeit verändert?
Wir wollten nicht zu früh die Beikost anbieten und entschieden uns für den Beginn des achten Lebensmonats. Unser Sohn wollte von jeglichen Breisorten aber nichts wissen. Egal ob fertig oder selbstgemacht, mit Milch oder Getreide, Gemüse oder Obst. Er fand alles doof und hat rigoros verweigert – täglich – für vier lange Monate.

Ich war dabei aber relativ entspannt, weil ich wusste, dass er ja alles was er benötigt durch das Stillen bekommt. Mit knapp einem Jahr (ein paar Wochen vor dem ersten Geburtstag) fing er an, einzelne Reiskörner und durchgekochte Möhren als ganze Stücken zu essen. Dann haben wir den Brei einfach übersprungen und sind so direkt auf erst kinderfreundlich weich gekochtes und später normales Essen übergegangen. Gestillt hab ich nach und nach immer weniger, bis nur noch morgens, nachmittags nach der Kita und zum Zubettgehen übrig blieb.

Wie verlief der Abstillprozess bzw. welche Wünsche oder Vorstellungen hast du in Bezug auf diese Zeit?
Ich hab unseren ersten Sohn gestillt, bis er zweieinhalb Jahre alt war. Vornehmlich nachts, bei Alpträumen und wenn er sich tagsüber kurz verletzt hatte oder traurig war. Quasi nicht mehr wirklich zur Nahrungsaufnahme also. Als er zwei Jahre und sechs Monate alt wurde, war ich im dritten Monat schwanger mit unserem zweiten Sohn.

Stillen als extrem unangenehm empfunden

In der Zeit habe ich das Stillen als extrem unangenehm empfunden. Daher hab ich eine Woche lang mit meinem Sohn gerungen, dass das jetzt ein guter Punkt ist, um abzustillen. Diese Woche war für uns alle nicht sonderlich geruhsam, aber wir haben es geschafft. Ich hatte davor wenige Vorstellungen darüber, wusste aber, dass es meinem Sohn sicher nicht so leicht fallen würde.

Daher war die Schwangerschaft auch für mich ein guter Punkt, weil ich dann auch selbst eine Motivation hatte, den Abstillprozess anzugehen. So musste ich mir eben nicht stückchenweise „Motivation“ aus den verwunderten Blicken von Verwandtschaft, Kita und Freundeskreis zum Abstillen ziehen. Das hätte sich fremdbestimmt angefühlt. Daher hab ich es offensichtlich ja auch nicht früher gemacht.

Der „Große“, jetzt Dreijährige, hat den ganzen Winter über gesagt: „Wenn das Baby da, dann neue Milch!“ Aber als er dann im Juni seinen kleinen Bruder zum erstem mal Stillen sah, rief er nur: „Ich hab Durst“ und rannte aus dem Zimmer zu seiner Wasserflasche. Da war ich ein bisschen erleichtert 😉

„Der wächst ja wirklich gut, nur von der Vegetariermilch“

Was war oder ist das Schönste für dich am Stillen?
Zu wissen, dass ich für mein Kind sorgen kann und es bestens gedeiht. Oder wie die eine Oma sagte: „Der wächst ja wirklich gut, nur von der Vegetariermilch.“

Was war am schwersten oder belastendsten für dich in der Stillzeit?
Der Vorwurf von außen bzw. beim Kita eingewöhnen (mit einem Jahr), dass ich das Kind nicht altersgerecht vorbereitet hätte. Wie soll das denn so da Mittagessen und Mittagsschlaf machen?! Ging aber dann relativ schnell relativ gut – er hat einfach nachgemacht, was die anderen machen und dann sich eine Portion Ruhe und Geborgenheit geholt, sobald ich ihn aus der Kita geholt habe.

Was würdest du in einer weiteren Stillzeit anders machen? Was ist deine wichtigste Erkenntnis in Bezug auf das Stillen, die du anderen Müttern weitergeben würdest?
Jetzt stille ich unseren zweiten Sohn – dieses Mal „nach Bedarf“. Beim ersten Sohn sollte ich nach Hebamme noch alle drei Stunden tagsüber und alle vier Stunden nachts stillen – was ich gemacht habe und was erstaunlich gut funktioniert hat. Nun also nach Bedarf und der Kleine wächst noch schneller, hab ich das Gefühl. So denke ich, dass das Kind und „die Natur“ am besten reguliert, wie viel er braucht und wann. Dabei fühl ich mich auch ganz wohl.

„Stillen muss sich für die Mutter und das Kind gut anfühlen“

Die wichtigste Erkenntnis ist wahrscheinlich das wirkliche Verstehen und Durchdringen der Sätze: „Stillen muss sich für die Mutter und das Kind gut anfühlen“ und „Den Abstillzeitpunkt bestimmen nur die beiden“.

Außenstehende Meinungen haben in den Entscheidungen bezüglich Länge und Herangehensweise des Stillens nichts zu suchen und sollten die Mutter nicht belasten und unter Druck setzen. Ich habe gelernt, meiner Intuition ganz zu vertrauen. Und die sagt aktuell natürlich stillen (klar, der zweite Sohn ich ja auch erst 11 Wochen alt), aber die kann sich auch nach einem Jahr ändern, oder der Sohn will schneller essen oder gar nicht mehr stillen oder was auch immer. All das werde ich zu dem gegebenen Zeitpunkt erkennen und umsetzen können.

Ich will und werde mich nicht jetzt schon drauf festnageln lassen, wie lang ich den zweiten Sohn stillen werde – weder von anderen noch von mir. Das wird die Zukunft schon zeigen.

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Kommentare

Eine Antwort zu „Muttermilch aus der Espressotasse“

  1. C
    Christina Schmidt

    Ich finde es toll das es mehr Mütter gibt die sich nicht fremdbestimmen lassen. Einer Studie zu folge ist der Mensch eigentlich dafür gemacht bis 2-7 Jahre gestillt zu werden. Und gerade in Westlichen Ländern wird man schief angeschaut wenn man ein Kind mit 2 oder 3 stillt. Ich (34) stille mein 3 tes Kind. Und ich empfinde auch am schlimmsten die Aussenstehenden die sich alle einmischen. Ich finde jeder sollte mal seinen Mund halten solange er nicht gefragt wird. Ich selber wurde auch 2 Jahre gestillt und für mich war es wichtig die Liebe, die meine wundervolle Mutter mir gegeben hat, an meine Kinder weiter zu reichen. Und auch wenn es viele nicht hören wollen es gibt nichts besseres wie stillen. Es gibt sogar studien die belegen das selbst wenn die Mutter raucht es besser ist trotzdem zu stillen weil das Kind besser versorgt wird als mit der Künstlichen Nahrung. Stillen ist in 99% harte Arbeit. Und läuft bei niemanden Rund. Zumindestens kenne ich niemanden. Die ersten 3 Monate muss man sich durchbeißen. Aber ich würde es immer wieder so machen.

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