Die Macht der Sprache bewirkt so vieles. Das Wort Blasensprung etwa weckt bei vielen die Erwartung, dass sich die Fruchtblase vielleicht explosionsartig entleeren könnte, wenn die Geburt beginnt. Auch in Sachen Babyernährung entsprechen die Erwartungen nicht immer der Realität. Für viele Menschen klingt das Wort Beikost oder Brei viel gehaltvoller als Muttermilch.
Dabei sind gerade die ersten Gemüsebreie nährstofftechnisch der Muttermilch weit unterlegen. Aber trotzdem fühlen sich drei Löffel Frühkarotte schnell mal gehaltvoller an als die ohnehin nicht mengenmäßig kontrollierbare Muttermilchmahlzeit. Auch die Premilch im Fläschchen wirkt mit ihrer wässrigen Konsistenz vergleichsweise gehaltlos. Kürzlich schickte eine Kollegin eine Mail mit einem Auszug aus den Beikostempfehlungen in Neuseeland, weil sie besonders diese Passage sehr sinnvoll fand:
„As your baby starts eating other foods, breast milk is still an important part of their diet. Until your baby is 8–9 months old, it’s best to give them breast milk before solid food. That way they’ll get all the milk they need to grow well.“
https://www.health.govt.nz
Dort wird empfohlen, das Baby in den ersten Beikostmonaten am besten vorab zu stillen, bevor die Beikost gegeben wird. Ein sinnvoller Rat, denn die meisten Babys möchten bei Hunger gestillt oder mit Premilch gefüttert werden. Gerade wenn sie bisher noch gar nicht die Erfahrung gemacht haben, dass Brei oder Fingerfood auch sättigen können. Ein hungriges Baby ist also anfangs eher nicht neugierig auf Beikost, sondern möchte zunächst einfach wie gewohnt seinen Hunger stillen.
„Feststoffe als Auffüllung“
Die Kollegin hatte Teile der neuseeländische Empfehlungen durch irgendein Übersetzungsprogramm laufen lassen, wobei, wie das manchmal mit Übersetzungen so ist, unter anderem auch folgende Textpassage heraus kam:
„Geben Sie Ihrem Baby bis zu einem Alter von 8 bis 9 Monaten zuerst das Milchfutter und bieten Sie Feststoffe als Auffüllung an.“
Natürlich mussten wir ein bisschen schmunzeln. Aber je mehr ich darüber nachdenke, ist der Begriff „Milchfutter“ für die Beikostphase vielleicht gar kein so schlechter Begriff. Denn Futter klingt gehaltvoll und futtern nach Essen. Um die strapazierten Beikostnerven von Eltern zu beruhigen, muss ich relativ häufig immer wieder auf die Bedeutung der Muttermilch oder der Premilch bei nicht gestillten Kindern hinweisen.
Babys sind nicht nur in den ersten Monaten Säuglinge, sondern im ganzen ersten Lebensjahr. Und gerade mit dieser saugend aufgenommenen Nahrung wachsen kleine Menschenkinder so schnell wie nie wieder danach. Sie verdoppeln in den ersten Monaten ihr Geburtsgewicht – ausschließlich mit Milchfutter. Das muss man sich immer wieder bewusst machen, wenn phasenweise die Beikost eine zu hohe Bedeutung im Babyalltag bekommt. Wie der automatische Übersetzer schon so passend sagte, sollen die „Feststoffe nur als Auffüllung“ angeboten werden. Das flüssige „Milchfutter“ bleibt länger Hauptnahrungsmittel, als so mancher Beikostplan suggeriert.
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