Zu einer Familie gehören meist mehr Menschen als nur die Eltern und ihr Kind. Diese Menschen können Halt und Unterstützung sein, wenn ein Baby in eine Familie hinein geboren wird. Dafür muss aber allen Beteiligten bewusst sein, wie ihre Rolle hier aussieht. Denn Rollen verändern sich, wenn die eigenen Kinder Eltern werden und aus Eltern nun Großeltern werden.
Mit der eigenen Elternschaft werden auch eigene Kindheitserfahrungen überprüft und manches wird vielleicht auch ganz anders gemacht. Das bedeutet nicht, dass die Neu-Großeltern damals „alles falsch“ gemacht haben. Ganz im Gegenteil. Als Eltern sollte es ja vor allem Aufgabe sein, unsere Kinder auf ihrem eigenen individuellen Weg zu begleiten – diesen aber nicht vorzugeben. Wie dieses Begleiten aussehen kann, erzählt der junge Opa Stephan (Name von der Redaktion geändert) im Interview mit Anja.
Lieber Stephan, kannst du dich kurz vorstellen?
Natürlich, sehr gerne. Ich bin Stephan, seit diesem Jahr 53 Jahre alt und arbeite als Abteilungsleiter in einem internationalen Unternehmen. Zusammen mit meiner Frau lebe ich in Süddeutschland, unsere Kinder sind bereits seit über zehn Jahren aus dem Haus. Seit einem Jahr bin ich nun frisch gebackener, glücklicher Opa. Meine Enkelin wohnt mit ihren Eltern knapp eine Stunde entfernt.
Du bist vor einem Jahr Opa geworden. Was hast Du gedacht, als Du davon erfahren hast?
Hm, das war irgendwas zwischen „Na endlich – JuHu ich freue mich“ und „Okay – du wirst OPA! Dann bist du wohl ALT“. Wobei die Freude überwog und der Blick auf mich und mein gefühltes Alter schnell wieder in den Hintergrund geriet. Was heißt schon alt? Und ist das eigentlich relevant?
Wann hast Du erfahren, dass Dein Enkelkind jetzt geboren ist? Wie hat sich das angefühlt?
Als der geplante Geburtstermin näher rückte, haben wir die jungen Eltern regelmäßiger angerufen und nach dem Stand gefragt. Unser Sohn hat uns dann per WhatsApp informiert, dass sie in die Klinik gehen und da stieg dann auch meine Anspannung. Als ich dann die Info von der Geburt der Enkelin bekam, war dies ein besonderer Moment.
Geschenk und Verantwortung
Seit Monate wusste ich, dass ich Opa werden würde. Und sich somit auch die Beziehung zu meinem Sohn bzw. die Familienkonstellation verändert. Aber jetzt „auf einmal“ war es Realität. Ein neuer Mensch mit all ihren, sich entwickelnden Eigenschaften, Begabungen, Charakterzügen, Ängsten und Interessen wird neuer Teil unserer Familienkonstellation. Was für ein Geschenk, was für eine Verantwortung.
Wie seid ihr als Großeltern mit dem Thema Besuch im Wochenbett umgegangen?
Sehr defensiv. Wir wären natürlich gerne jeden Tag hingefahren, um das Kind zu sehen und die Eltern zu unterstützen. Gleichzeitig war uns aber klar, dass sich die neue Dreier-Konstellation erst selbst finden muss. Und in erster Linie nicht unsere Bedürfnisse, sondern die der kleinen Familie im Vordergrund stehen. Also sind wir immer dann zu Besuch gekommen, wenn wir eingeladen wurden und haben die Dauer der Besuche auch kurz gehalten.
Wie unterstützt du die junge Familie, ohne dich in ihre Entscheidungen einzumischen?
Seit ein paar Monaten konnte ich meinen Arbeitsvertrag reduzieren. Daher habe ich Möglichkeit, einen Tag die Woche meinen Sohn mit der Enkelin zu besuchen und zu unterstützen. Unser Ziel ist, dass sich die Enkelin auch bei mir sicher fühlt und mein Sohn die Zeit für andere Sache nutzen kann. Stand aktuell: Wir arbeiten dran! Aktuell benötigt die Enkelin noch die Sicherheit der Eltern. Aber es wird sich entwickeln, wenn nicht heute, dann morgen.
Mehr von diesem biografischen Blick
Die Frage des Einmischens in Entscheidungen der jungen Familie stellt sich für mich nicht wirklich. Mir ist klar, dass sie ihre Entscheidungen selbst treffen und auch aus ihren Entscheidungen lernen. Ich hoffe, dass meine Einstellung auch entsprechend bei der jungen Familie so ankommt. Wenn Unterstützung für Entscheidungen benötigt wird, bringen ich mich natürlich gerne mit allen mir bekannten Aspekten ein. Aber: Meine Entscheidung ist es nicht. Und ja – das muss Opa dann auch aushalten und nicht „hinterher karteln“.
Wie hat sich das Verhältnis zu deinem eigenen Kind verändert, seit Du Opa bist?
Total und gar nicht. „Total“ dadurch, dass bei jeder Begegnung das Wohlergehen der kleinen Familie im Vordergrund steht. Und „gar nicht“ dadurch, dass das gegenseitige Vertrauen und die Wertschätzung noch immer tragen. Die Gesprächsthemen sind jetzt um diese Familienthemen erweitert. Mein Sohn fragt, wie habt ihr es eigentlich damals gemacht. Was war euch wichtig und warum?
Hat sich dein Blick auf Elternschaft generell verändert durch das Opa sein?
Seit ich Opa bin habe ich noch mehr diesen biografischen Blick. Schau an, ein neuer Mensch. Sie wird ein ganzes Leben durchschreiten, mit Freuden und Nöten, mit Freunden, in Kita, Kindergarten, Schule, mit Erfolgen und vermeintlichen Niederlagen, der gesamten Gefühlspalette, Sport, Hobby, Musik und und und. Elternschaft als Begleitung in ein selbständiges Leben sehe ich als eine wunderbare, verantwortungsvolle Aufgabe.
Unterstützen und wertschätzen
Was möchtest Du Deinem Enkelkind mitgeben auf seinem Weg?
Sei Pippi, nicht Anika!
Was können Großeltern für ein gutes Verhältnis mit der frisch geborenen Familie tun?
Unterstützung anbieten, wo Hilfe gefragt ist. Und dabei das Angebot freilassend gestalten, so dass auch eine Ablehnung der Hilfe keine Argumentation benötigt. Den von der Familie eingeschlagenen Weg unterstützen und wertschätzen. Sich daran freuen, welche neuen Ansichten, Erkenntnisse, Techniken sie in die Erziehung einbringen.
Lieber ein vorgekochtes Mittagessen und einen Kuchen mitbringen als Ratschläge. Einfach mal machen, wenn gewünscht: jedes Staubsaugen, Einkaufen, Altglas wegbringen, Wäsche aufhängen unterstützt Eltern von schlecht schlafenden Babys.
Was ist für Dich das Schönste am Opa sein?
Die Begegnung mit der Enkelin. Kommend aus einem durchgetakteten Tag, mit allerlei ach so wichtigen Sachen im Kopf, treffe ich das kleine Mädchen und die Zeit steht still. Ich sitze mit ihr auf dem Spielteppich und staune, freue mich an den Entwicklungsschritten und es gibt nichts weiter zu tun. Da sein, wahrnehmen, unterstützen, ein Spielzeug anreichen, nicht einmischen, nicht ablenken. Es ist so anders als alles andere, was ich sonst mache.
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