Dies ist der 37. Beitrag in unserer Reihe „Stillen ist bunt“ (alle weiteren findet ihr gesammelt hier), in dem Caro ihre persönliche Stillgeschichte teilt, die auch eine Langzeitstillgeschichte wurde. Die 31-Jährige hatte uns die Fragen Ende letztes Jahres beantwortet und ganz aktuell noch einige Nachträge zukommen lassen. Sie lebt im Rhein-Sieg-Kreis, arbeitet als Bilanzbuchhalterin, ist verheiratet und hat im August 2017 einen Sohn geboren. Sie mag nähen, lesen und Sport.
Was hast du vor deiner Schwangerschaft über das Stillen gedacht bzw. welche Erfahrungen mit dem Thema gemacht?
Ich hatte keinerlei Erfahrungen mit Stillen, da wir im Freundeskreis die ersten waren, die ein Kind bekommen haben. Auch in der Familie waren die wenigen kleinen Kinder meist weit weg, sodass man mit dem Thema überhaupt nicht in Berührung kam. Das erste Mal bewusst darüber nachgedacht habe ich im Geburtsvorbereitungskurs, in dem die Hebamme uns Schwangeren sagte, dass wir uns Gedanken machen sollen, ob wir stillen möchten oder nicht. Für mich war klar: Ja, das probiere ich aus. Mehr Hintergrundwissen hatte ich nicht.
Wie hast du dich vor der Geburt über das Thema informiert? Gab es Wünsche und Vorstellungen in Bezug auf die vor euch liegende Stillzeit?
Ich habe mich überhaupt nicht mit dem Thema beschäftigt. Ich hatte auch keinerlei Vorstellungen, wie lange man stillt, was Beikosteinführung bedeutet und wie sich stillen anfühlt. Ich bin im Nachhinein sehr naiv an das Thema rangegangen, da ich dachte: das klappt.
Wie verlief der Stillstart und wie ging es dir und deinem Baby dabei? Welchen Einfluss hatte die Geburt auf eure ersten Stillmomente?
Ich hatte eine gute Geburt. Ich denke, dass ich mich dadurch mehr auf „den Rest“ konzentrieren konnte und nicht noch in Gedanken bei der Geburt war. Ich habe im Krankenhaus unvorsichtigerweise ganz viel Fencheltee getrunken, dann kam am 2. Tag der Milcheinschuss und ich war verzweifelt. Mir wurde von jeder Krankenschwester etwas anderes geraten (anlegen, ausstreichen, abpumpen, bloß nicht abpumpen). Ich war dadurch total verunsichert.
Betonbrüste und Quarkwickel
Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass diese Betonbrüste jemals wieder verschwinden. Abermals „gerettet“ hat mich meine Hebamme aus dem Geburtsvorbereitungskurs. Sie legte meinen Sohn bei mir an und machte mir Mut, sagte aber auch, dass es seine Zeit dauert, bis das Stillen schön wird.
Wie lief das Stillen im Wochenbett? Hattest du in dieser Zeit Unterstützung?
Ich hatte glücklicherweise eine wunderbare Nachsorgehebamme, die sich hauptsächlich um mich als frisch gebackene Mutter gekümmert hat. Sie hat mir verschiedene Stillpositionen (z.B. im Liegen) gezeigt, mir zu Quarkwickeln geraten und zu Hause konnte ich dann erstmals die überschüssige Milch ausstreichen. Mein Mann hat mich im Wochenbett wunderbar unterstützt, hat die Quarkwickel regelmäßig ausgetauscht, mir zu trinken gebracht und mir liebevoll gut zugeredet.
Wer war bei Fragen oder Problemen in der Stillzeit für dich da? Wer oder was hat dir besonders gut bei etwaigen Schwierigkeiten geholfen?
Während der Stillzeit habe ich noch ein paar Mal meine Hebamme kontaktiert. Sie hat mir auch zu einer Milchpumpe geraten, damit ich mal zur Ruhe kommen und mein Mann den Kleinen füttern kann. Aber auch der Austausch mit anderen Müttern vom Schwangerenschwimmen hat mir geholfen. Und nicht zuletzt hat mein Mann mich immer unterstützt. Im Laufe der Zeit habe ich auch die Internetseite www.stillkinder.de entdeckt und dadurch Mut gefasst, falls es mal wieder schwierig war.
Neues Milchpumpenrezept verweigert
Meine Leih-Milchpumpe war für mich in den ersten sechs Monaten übrigens eine unglaubliche Bereicherung. Dadurch konnte ich zum einen direkt nach dem Mutterschutz wieder für zehn Stunden in der Woche arbeiten gehen (mein Arbeitgeber hat einen Raum, in dem man abpumpen kann). Was mich in dem Punkt aber vor neue Schwierigkeiten gestellt hat, waren nach sechs Monaten die Krankenkasse bzw. die Ärzte. Mir wurde ein neues Milchpumpenrezept verweigert, da mein Kind ja jetzt alt genug für Beikost sei. Das finde ich äußerst traurig, denn Beikost beginnt bei jedem Baby zu einem anderen Zeitpunkt (bei meinem Sohn eher spät). Beikost heißt außerdem nicht Ersatzkost für Muttermilch – und dadurch wurde uns für einige Monate das Stillen erschwert.
Wie verlief der Beikostbeginn? Welche Erwartungen gab es? Und wie hat sich das Stillen in dieser Zeit verändert?
Erst nach ein paar Monaten lief das Stillen so richtig gut. Als mein Sohn fast sechs Monate alt war, wurden wir von mehreren Seiten auf den Beikostbeginn angesprochen. Für mich war es ein trauriges Gefühl, mit Brei anzufangen. Ich habe geweint und befürchtet, dass das Stillen nun ganz schnell vorbei sein würde. War es aber zum Glück nicht. Denn Brei interessierte meinen Sohn nicht. Maximal 20 Gramm aß er als Portion. Also stoppten wir das Ganze. Parallel dazu begann ich, ihm immer mal wieder Obst oder Nudeln in die Hand zu drücken. Irgendwann haben wir ihm dann nochmal Obstbrei gegeben.
Ich war für das „Essen in die Hand drücken“ zuständig, mein Mann für den Obstbrei. Immer wenn ich ihn gefüttert habe, gab es danach Mamamilch. Wenn mein Mann da war und ihn fütterte, gab es Wasser zum Essen.
So lange stillen wie es geht
Mittlerweile ist mein Sohn 13 Monate als, er geht seit kurzem in die Kita. Morgens wird er gestillt, dann gibt es über den Tag „normales Essen“. Wenn ich ihn von der Kita abhole gibt es erstmal Mamamilch. Und dann abends nach dem Abendessen nochmal Mamamilch. Und auch wenn er in der Nacht aufwacht und weint, kommt er an die Brust.
Als mein Sohn zwischendurch erkältet war, hatte ich das Gefühl, als ob ihm das Schlucken beim Essen weh tut. Da war maximal Mamamilch trinken ok. An den Wochenenden stille ich häufiger, einfach nach Bedarf und auch gerne zum Mittagsschlaf. Erst mit der Zeit ist mir bewusst geworden, wie wichtig das Stillen für mich selbst ist und das ich eigentlich so lange weiter stillen möchte wie es geht. Anfangs war Stillen für mich die Ernährung meines Kindes, mittlerweile ist es Beruhigen, Hilfe zum Einschlafen und immer noch ein bisschen Nahrung. Mamamilch ist Essen, Trinken und Liebe.
NACHTRAG 09/2019: Mein Sohn isst mittlerweile viele Dinge. Brot, Brötchen, viel Obst, Nudeln. Es gibt aber auch Tage, an denen er sein Lieblingsessen verweigert. Das ist in dem Moment zwar nervig, aber ich weiß, dass er ein gutes Polster hat und davon zehren kann. Die Muttermilch ist nahrungstechnisch gar nicht mehr im Fokus.
Einvernehmlicher und schleichender Prozess
Im Übrigen muss ich sagen das mein Sohn trotz Kitaeintritt vor einem Jahr weiterhin gestillt werden konnte. Ohne Probleme. Wir haben dann immer nach dem Kindergarten „gemilcht“ und irgendwann hat er das auch in Worte fassen können, wenn er zu Hause „Mimi“ haben wollte.
Wie verlief der Abstillprozess bzw. welche Wünsche oder Vorstellungen hast du in Bezug auf diese Zeit?
Wenn ich diesen Blog lese, dann werde ich ermutigt, das es normal ist, „so lange“ zu stillen. Ich würde mir wünschen, dass ich meinen Sohn mindestens bis zum zweiten Geburtstag stillen kann. Ab da werde ich wieder in Vollzeit arbeiten. Und das wäre ein guter Zeitpunkt für uns beide abzustillen. Aber mal sehen, was sich tatsächlich ergibt. Ansonsten würde ich mir wünschen, das es ein einvernehmlicher Prozess ist. Das es ein schleichender Prozess ist. Das niemand uns da reinredet (das passiert momentan leider).
NACHTRAG 09/2019: Der Abstillprozess hat mir viele Gedanken und Sorgen bereitet. Derzeit ist mein Sohn 24 Monate alt, wir milchen meistens noch morgens vor dem Kindergarten. Manchmal vergisst er es oder es gibt spannendere Dinge für ihn. Nach dem Kindergarten fordert er seine „Mimi“ zwar auch ein, aber ich vertröste ihn dann immer auf das Zubettgehen. Denn ich weiß, dass er sonst beim Nachmittags-Abdocken Randale macht. Indem ich ihn durch einen Snack (Obst, Milchbrötchen) am Nachmittag ablenke, funktioniert das Ganze gut.
„Du weißt hoffentlich, was du tust“.
Seit einigen Monaten darf nur ich ihn in den Schlaf begleiten und das muss immer mit „Mimi“ sein. Durch die Brust kommt er runter, wird beruhigt. Es kommt tatsächlich auch noch ein wenig Milch raus aber meist ist es eher ein kurzes Nuckeln, vielleicht ein paar Schlückchen und dann entspannt er sich.
Durch das neue Kitajahr ist er derzeit sehr anhänglich. Die Erzieherinnen sagten, dass er in der neuen Gruppenkonstellation erst einmal seinen Platz finden muss und daher mehr Beruhigung und Kontakt braucht. Für mich ist das in Ordnung. Daher empfinde ich es nicht als schlimm, dass er jetzt noch nicht abgestillt ist. Mein Mann, der bislang immer hinter meiner Entscheidung gestanden hat, diskutierte vor einiger Zeit mit mir und stellte schließlich fest: „Du weißt hoffentlich, was du tust“. Nun liegt es zum Glück (?) wieder in meiner Hand, wie das Abstillen sich entwickelt.
Was war oder ist das Schönste für dich am Stillen?
Diese Innigkeit und Geborgenheit. Ich war und bin so stolz, dass ich es mit Hilfe meines wunderbaren Körpers geschafft habe, mein Kind ein halbes Jahr vollständig durch Muttermilch zu ernähren. Und das, obwohl ich eher zierlich bin und kleine Brüste habe. Das hat mich wirklich fasziniert.
Magisch und genial
Ich bin auch dankbar, dass er an der Brust ruhig wird, einschläft, wieder runter kommt. Wenn nichts hilft, wenn alles doof ist, wenn er krank ist, dann hilft zu 95 Prozent das Andocken an Mama. Das ist magisch und genial.
Und vor allem bin ich froh, dass ich während der Nacht niemals eine Flasche zubereiten musste, sondern nur das Stillbustier hochklappen musste – und das war es. Und während der Stillzeit hatte ich viiiel Zeit und konnte mein Hobby lesen wieder betreiben 😀
NACHTRAG 09/2019: Und das ich mein Kleinkind dadurch sooo schnell beruhigen kann. Von einem kreischenden, um sich hauenden Kind wird er, wenn man ihn mit „Möchtest du Mimi?“ anspricht zu einem verständigen kleinen Jungen, der Ja sagt, zu Mama geht und dann glücklich an Mamas Brust sitzt.
Was war am schwersten oder belastendsten für Dich in der Stillzeit?
Die vielen Kommentare wie „Stillst du immer noch?“ / „Das wird langsam gefährlich, wenn er nicht Beikost (vor allem Fleisch) isst.“ / „Nein, wir können Ihnen das Milchpumpenrezept nicht verlängern, da ihr Kind älter als sechs Monate ist.“
Gelassener und selbstsicherer geworden
Ich finde es unglaublich, weshalb fremde Menschen, die unsere Familiensituation nicht kennen, sich so etwas herausnehmen. Vom Kinderarzt wurde uns sogar eine Ernährungsberatung fürs Kind ans Herz gelegt, weil er angeblich noch zu oft Muttermilch will.
NACHTRAG 09/2019: Das es scheinbar nicht gesellschaftsfähig ist, ein zweijähriges Kind zu stillen. Wenn es doch sein Saugbedürfnis stillen will bzw. muss, dann soll es das tun. Wie viele Kinder laufen im gleichen Alter mit Schnuller herum, und das wird nicht kommentiert?!
Was würdest du in einer weiteren Stillzeit anders machen? Was ist deine wichtigste Erkenntnis in Bezug auf das Stillen, die du anderen Müttern weitergeben würdest?
Vom jetzigen Standpunkt würde ich fast alles genauso machen. Ich habe jetzt mehr Erfahrungen mit dem Stillen, bin insgesamt gelassener und selbstsicherer geworden. Wobei ich mir wünschen würde, das ich auf unverschämte Aussagen (siehe vorherige Frage) eine Antwort parat hätte.
Eine Milchpumpe würde ich besorgen, um selber mal zur Ruhe zu kommen und dem Mann die Verantwortung übergeben zu können. Beim Thema Beikosteinführung würde ich mehr auf mein Bauchgefühl hören und nicht auf die Beikosteinführungspläne. Im Übrigen hat unser Sohn kein einziges Mal ein Gläschen gegessen, worauf ich in gewisser Weise auch stolz bin.
Meine Erkenntnis ist, dass sich die Brust mit der Zeit aufs Kind einstellt und das die Stillzeit im Vergleich zur gesamten Lebensdauer nur kurz ist. Man sollte deshalb diese wertvollen Monate oder Jahre genießen, auch wenn es manchmal anstrengend ist.
Schreibe einen Kommentar