Dies ist der 13. Beitrag in unserer Reihe „Stillen ist bunt“ (alle weiteren findet ihr gesammelt hier), in dem Susanne ihre Stillgeschichte erzählt. Susanne Bürger hat hier auch schon über ihr aktuelles Buch „Wenn das Leben intensiv beginnt“ geschrieben.
Sie ist 45 Jahre alt und arbeitet als Wingwave-Coach und Autorin. „Mein Mann und ich wohnen mit unseren 2 Jungs (acht und vier Jahre alt) auf dem Land und trotzdem sind es nur zehn Kilometer bis nach Köln. Wir sind hier viel im Wald und nutzen das Bergische Land zum Radfahren und ,Waldbaden‘. Ich könnte jeden Tag ein neues Buch bestellen, weil ich Bücher, Blogs und Magazine inhaliere. Meine eigene Seite www.susannebuerger.com mit meinem Buch spiegelt einen Teil der Stillgeschichte wieder, über die ich hier berichten möchte und die insbesondere Mütter ermutigen soll, die keinen so tollen Start hatten.“
Wunderbare Zeit dauerte leider nur knapp 24 Stunden
Bei meinem ersten Sohn war Stillen ein Selbstläufer. Es klappte einfach und ich habe die Zeit sehr genossen. Als ich mit unserem zweiten Sohn schwanger war, machte ich mir auch überhaupt keine Gedanken zu dem Thema. Es gab ein paar Dinge , die ich mir einfacher machen wollte und vorbereitend hatte ich natürlich genug Stilltee daheim. Für leichte Entzündungen lagen Gelpads im Kühlschrank. Ich wusste ja, das es klappt und mit dem Vertrauen ging ich durch die Zeit.
Als unser Sohn dann etwas vor Termin geboren wurde, klappte es auch wie vorgestellt vom ersten Kontakt an. Die Babymoonzeit sollte beginnen und ich freute mich auf alles, was wir daheim liebevoll hergerichtet hatten. Diese wunderbare Zeit dauerte leider nur knapp 24 Stunden und ich merkte schnell, dass etwas nicht stimmte. Er trank einfach nicht mehr und wenn er ein paar Schlückchen getrunken hatte, wurden die sofort wieder ausgespuckt. Sein allgemeiner Zustand verschlechterte sich auch rasch deutlich.
Unser Sohn jedenfalls musste direkt in eine Kinderklinik verlegt werden. Ich möchte die zusätzliche Dramatik hier gar nicht wiedergeben, sondern den Fokus auf die Stillsituation legen. Die Grunderkrankung, von der wir vorher nichts wussten, wurde in der Kinderklinik zu unserem großen Glück schnell entdeckt. Es waren nun drei lange Darm-Operationen erforderlich. Die Krankheit heißt Morbus Hirschsprung, kommt sehr selten vor und kann nur operativ behandelt werden.
Die Gesamtstillzeit war viel länger als die Monate in der Klinik
Als wir in der Kinderklinik ankamen, wurde unser Baby schon auf eine erste lebenserhaltende Operation vorbereitet. In diesem ersten Schritt wurde ein künstlicher Darmausgang für die weitere Zeit angelegt, der in der letzten OP wieder entfernt wurde. In unserem Fall nach sechs Monaten. Das bedeutete nach der OP, dass ein komplett verkabeltes Baby auf der Kinderintensivstation lag. Die Ärzte erklärten uns alles wunderbar und die Angst vor den Geräten wich nach einer Zeit. Der Arzt sagte aber auch: „Ihr Sohn bekommt alles, was er braucht, auf sein Blutbild abgestimmt durch die Nadel. Quasi Brötchen durch die Vene.“
Eine sehr emphatische Schwester nahm mich zur Seite und ermutigte mich, weiter die Milch abzupumpen und einzufrieren. Gedanklich hatte ich schon mit dem Stillen abgeschlossen. Meine beste Freundin ist Stillberaterin und konnte mich in der furchtbaren Situation auch so weit aufbauen, dass ich sehr verheult in das Abpumpzimmer ging. Klein aber doch recht liebevoll mit genug Wasser und Tees bestückt fing ich an. Einer meiner ersten Gedanken, der mich durch diese schreckliche Zeit trug war: „Du kannst hier eigentlich wenig tun, aber dich hierhinsetzten und alle vier Stunden Milch abpumpen ist doch richtig viel. Du bist die Einzige, die das tun kann. Das kann dir auch keiner abnehmen.“
Es war nach ein paar Tagen so, dass ich wirklich stolz war und mich freute, wenn wieder vier Stunden vergangen waren. Das mag für Außenstehende sehr seltsam klingen, aber die Hoffnung, hiermit etwas Gutes zu tun und vor allem den Milchfluss für das spätere Stillen aufrecht zu halten, gab mir Kraft. Ebenso wie der Satz meiner Freundin, die immer sagte: „Was sind ein paar Wochen Abpumpen und schwerer Start, wenn du dann immer noch viele weitere Monate ,normal‘ Stillen kannst!“ Im Rückblick kann ich das auch nur so bestätigen. Die Gesamtstillzeit war viel länger als die Monate in der Klinik. Sollte man mal wirken lassen, den Gedanken…
Die größte Hürde
Da wir Darmoperationen hatten, gab es aber einen ganz entscheidenen Unterschied zu anderen Operationen. Die Babys müssen sehr nüchtern zum OP. Sprich zwölf Stunden vorher durfte ich das letzte Mal stillen. Allerdings werden andere Babys dann danach direkt wieder gefüttert oder gestillt. Bei Darm-Operationen ist das oft anders. Die ersten Tage danach wird ein schonender langsamer Kostaufbau durchgeführt, der mit genauen Milliliter-Angaben und ausschließlich mit der Flasche erfolgt. Das war die größte Hürde.
Jeder, der die Zusammenhänge zwischen Mamas und Babys kennt, weiß, dass es Folter ist, wenn das eigene Baby vor Hunger weint und die Brust da wäre, aber nichts gegeben werden darf. Wer dann noch weiß, dass obwohl die Nahrung über die Vene kommt, sich trotzdem die Hungerrezeptoren im Magen melden, der hält es eigentlich kaum aus.
Ich weiß nicht, ob es für jeden gilt, aber wir haben uns so aufgeteilt, dass ausschließlich mein Mann in der Klinik war während des Kostaufbaus und die Flasche mit abgepumpter Muttermilch gab. Ich stand nur am Bettchen, wenn unser kleiner Indianer schlief oder gerade etwas gesättigt war nach der Flasche. Für mich war es Folter und die Schwestern rieten uns auch dazu, weil jedes Baby seine Mama riecht, vor allem die Milch. Es gab dann immer einen Tag, an dem der Kostbaufbau abgeschlossen war und er wieder trinken durfte so viel er wollte. Dann war ich immer direkt da und er durfte so oft stillen wie er wollte.
Ich möchte Mut machen
Auch hier gab es einen Satz, der mir von einer Nachtschwester in Erinnerung blieb: „Machen Sie sich nicht verrückt, wenn er nun ein paar Tage die Flasche bekommt. Ich habe hier noch kein Baby erlebt, dass danach nicht wieder zur Mama an die Brust möchte“. Damit möchte ich das Thema Saugverwirrung ansprechen. Ich habe das nie erlebt. Es gab in der Klinik andere Sauger für die Fläschchen und auch immer mal einen anderen Schnuller. Alles war egal, es klappte dreimal, dass ich nicht stillen durfte und eine längere Zeit nur abgepumpt habe, um dann wieder mit dem Stillen zu beginnen.
Ich möchte Mut machen! Ich habe insgesamt 15 Monate mit Unterbrechungen gestillt. Nach den ganzen Operationen haben wir nach sechs Monaten ein gesundes Baby mit heim genommen. Die Ärzte sagten im Abschlussgespräch: „Machen Sie es, wie sie es bei einem anderen Baby auch anfangen würden, wenn er auf den Löffel zeigt.“ Wir haben dann mit fast sieben Monaten mit Beikost angefangen und es lief wunderbar. Nie hätte ich geglaubt, dass wir in einen „normalen Stillalltag“ reinfinden würden, in dem nach und nach dann eine Stillmahlzeit durch etwas anderes ersetzt wurde.
Nach fast 15 Monaten war es dann so, dass ich mir die Frage mit dem Abstillen gar nicht stellen musste. Der Indianer wollte von einem Tag auf den anderen nicht mehr trinken und trank auch nie mehr was anderes als Wasser. Das ist übrigens bis heute so und er wird im Februar fünf Jahre alt.
Sein eigenes Ding machen
Ich blicke sehr versöhnlich auf die Zeit zurück und weiß, dass ich durch die extreme Zeit des Hungers und Kostaufbaus einen starken Papa an meiner Seite hatte, der das ausgehalten und ertragen hat, was ich nicht konnte. Die vielen Monate danach haben wir um so mehr genossen.
Da ich mich durch die Klinikzeit eh nicht mit „normal“ stillenden Müttern vergleichen konnte, habe ich das auch gar nicht mehr angefangen. Gespräche über Themen wie: „Beikost, wann? Warum isst mein Baby noch nichts Festes? Wann willst du ihn abstillen?“, die habe ich nie geführt. Und das ist auch meine große Empfehlung. Sein eigenes Ding machen, die Bedürfnisse von Mama und Baby in den Vordergrund stellen und nicht tun, was die Allgemeinheit rät.
In unserer Situation gab es übrigens auch genug Mamas, die es stressbedingt und aus verschiedenen anderen Faktoren einfach nicht geschafft haben, Milch abzupumpen und deren Kinder haben die Flasche bekommen. Auch das ist in Ordnung und dort der richtige Weg. Ich glaube auch, dass Stillen bunt ist und jede Mama da ihren eigenen Weg gehen sollte!
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