„Naaa, wann ist es denn bei euch mal endlich (wieder) soweit?“
„Ist es nicht langsam mal Zeit für Nachwuchs, hm?“
„Und, wollt ihr noch mehr?“
„Sag, Kind, wünschst Du Dir etwa kein kleines Geschwisterchen?“
Es spricht grundsätzlich überhaupt nichts dagegen oder vielmehr ja sogar sehr viel dafür, sich für andere Menschen, deren Pläne, An- bzw. Absichten und Gefühle zu interessieren. Jedoch denke ich immer häufiger darüber nach, ob die Fragesteller bei dieser Thematik wirklich auf ehrliche Antworten gefasst wären.
„Aus verschiedenen Gründen möchten wir keine Kinder. Ich werde sie Dir mal kurz darlegen, während Du Dein Baby auf dem Arm schaukelst.“
„Wir hätten sehr gerne noch mehr Kinder gehabt, aber es sollte wohl leider nicht sein.“
„Ich hatte zuletzt mehrere aufeinanderfolgende Fehlgeburten, darf also gerade aus medizinischen Gründen nicht wieder schwanger werden.“
„Selbst die modernste Reproduktionsmedizin kann uns offenbar nicht helfen – wir versuchen das traurigerweise seit mehreren Jahren.“
„Vor zwei Wochen hatte ich einen Abgang.“
„Mein Partner möchte keine Kinder. Deshalb bin ich sehr verzweifelt.“
„Aufgrund einer Angststörung befürchte ich, bei der Geburt eines Kindes zu sterben.“
„Google doch mal Eileiterschwangerschaft, dann können wir weiterreden.“
Kinderwunsch kann schmerzhaft sein
Ich denke, diese Auswahl vermittelt sehr gut, worum es mir hier geht. Völlig klar – niemand, der in dieser Angelegenheit fröhlich gelaunt Erkundigungen anstellt, hegt die Intention, den oder die Befragten in irgendeiner Form zu brüskieren. Ganz im Gegenteil, steht doch dahinter der dringende Wunsch, die Kinderlosen bzw. mit offensichtlich noch nicht genug Kindern Ausgestatteten in der Zukunft vermutet glücklicher und erfüllter zu sehen. Eben darin liegt jedoch das Problem. Die eigene Realität und Lebenssituation mag einem noch so perfekt erscheinen – man kann sie aber trotzdem niemandem anderen einfach über verhelfen.
Und die noch so gut gemeinte Annahme, das Gegenüber könne ja nur glücklicher werden, wenn es sich in angemessener Summe fortpflanze, ist eben nur eine Vermutung und nicht mehr. Eventuell ja sogar durchaus auch die Wunschvorstellung des Anderen, nur schenkt ihm das Leben leider nicht die Möglichkeit, sie zu realisieren. Indem man sich spontan nach der potenziellen Vermehrungssituation seiner Mitmenschen erkundigt, riskiert man, in ungeahnten frischen oder eben auch schon lange schwelenden Wunden herumzustochern, was nachvollziehbarerweise schmerzhaft sein kann.
Oder auch ganz einfach demütigend: Wer gibt schon gerne zu, dass er etwas, was viele andere „können“, einfach nicht „hinbekommt“? Und Paare ohne Kinderwunsch werden in eine seltsame Rechtfertigungssituation genötigt, die sich selbst ad absurdum führt – warum um alles in der Welt sollte man detailliert darlegen müssen, warum man mit etwas zufrieden ist, was man nicht hat, wenn man es schlichtweg gar nicht will?
Mehr Sensibilität im Umgang mit diesem Thema
In den meisten Fällen versuche ich persönlich – um zu vermeiden, dass es dem Fragesteller selbst unangenehm wird – durch eine blumige Antwort wie „Ach, mal sehen, was die Zukunft uns noch so bringt“ aus der Sache heraus zu gelangen. Aber manchmal, je nach Laune und Frequenz der (wirklich häufigen) Nachfragen fällt es nun mal schwer, immer wieder die Verantwortung für einen weiteren beschwingten Gesprächsverlauf zu übernehmen und unverbindlich zu antworten, vor allem, wenn sich der andere der diesbezüglichen Anstrengung nicht einmal bewusst ist.
Außerdem stellt sich unterwegs irgendwann die Frage, warum man, selbst schon an einem empfindlichen Punkt touchiert, auch noch darauf achten sollte, rücksichtsvoll und wohldurchdacht zu reagieren. Oder eben – im Falle einer ehrlichen und offenen Antwort – warum man zu einem nicht selbst bestimmten Zeitpunkt das Visier öffnen und die eigene Verletzlichkeit präsentieren sollte.
Wohlgemerkt: Ich verstehe diese Neugier, ich bin alles andere als frei davon. Ich kann auch die überbordenden Emotionen frisch gebackener Eltern nachvollziehen, die nun der ganzen Welt die gleichen wunderschönen Erfahrungen mit niedlichen und gut riechenden Babys wünschen, die sie gerade selbst erleben. Aber Familienplanung ist nunmal ein sehr privates, intimes und häufig diffiziles Thema, dass man nur mit selbst ausgewählten Vertrauenspersonen besprechen möchte. Vor allem auch in selbst gewählten Momenten, und keinesfalls bei einer kurzen Plauderei auf der Straßse, beim Bäcker, auf einem Familienfest oder beim Grillen im Park.
Mehr Sensibilität gewünscht
Ich freue mich – und das meine ich sehr ernst – für jede einzelne Mutter und jedes Paar, das sich seinen Kinderwunsch direkt erfüllen kann, wenn er eines Tages auftaucht. Aber häufig funktioniert das eben nicht direkt bzw. stehen Erlebnisse, Emotionen und vor allem Komplikationen dazwischen, die sich so leicht nicht in Worte fassen lassen. Schon gar nicht aus dem Stand und im Anschluss an ein wenig Smalltalk über das Wetter oder pausenlos erhöhte ÖPNV-Preise.
Zwei Dinge wünsche ich mir also.
Erstens: mehr Sensibilität im Umgang mit diesem Thema. Und zweitens: deutlich weniger Fragen!
Wer darüber reden möchte, der tut das im richtigen Moment von selbst – und alle anderen haben das gute Recht, ihre Haltung, ihre Erlebnisse und ihre Gefühle zu potentieller Reproduktion genau so für sich zu behalten wie Informationen über die körperliche Interaktion, die theoretisch dazu führen könnte. „Wie machen Sie’s denn am liebsten?“ bin ich zum Beispiel noch nie an der Käsetheke gefragt worden.
Die Autorin dieses Gastartikels, Loretta Stern, ist 1974 geboren, lebt zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter glücklich und erfüllt in Berlin und beantwortet auch im eventuellen Nachklang dieses Artikels ungern die Frage, „ob es das denn war bei ihr?“
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