Eltern, die mehr als ein oder gar zwei oder drei oder vier Kinder haben, kennen den Satz – und hassen ihn. „Ihr habt das doch so gewollt!“ ist die Antwort, die man häufig von der eigenen Familie, von Freunden, aber auch gerne von Fremden bekommt, wenn man gelegentlich über Erschöpfung, große Müdigkeit oder permanenten Zeitmangel klagt. Auch dass das Leben teurer mit mehr Kindern ist, sollte man besser nicht zu laut erwähnen.
Eine junge Mutter berichtete mir kürzlich, dass sie diesen „Selbst-Schuld-Satz“ bereits neun Wochen nach der Geburt des dritten Kindes um die Ohren geworfen bekam. Auch in der Schwangerschaft sollte man besser nicht zu laut jammern, wenn schon mehrere Kinder vorhanden sind. Schließlich hat man das ja selbst so gewollt, sich vielleicht sogar sehnlich gewünscht oder einfach nicht aktiv genug verhütet. Wenn Zwillinge plötzlich die Familie um zwei weitere Kinder bereichern, sollte man eventuell besser auch nicht in allzu lautes Gejubel ausbrechen. Denn sonst heißt es hinterher noch, dass man sich das ja genau so gewünscht hätte. Und wenn man etwas so gewollt hat, darf man anschließend scheinbar hinterher nicht meckern.
Außer die Hebammen, die dürfen das. Denn merkwürdigerweise ist mir im beruflichen Kontext dieser Satz noch nie begegnet. Dabei jammern wir Hebammen anerkanntermaßen und zu Recht ja aktuell immer noch viel: über schlechten Verdienst, zu hohe Haftpflichtprämien und ein Arbeitspensum immer knapp an der Burnout-Grenze. Es hat mich aber auch niemals und zu keinem Zeitpunkt, jemand gezwungen, Hebamme zu werden. Dabei war der Verdienst schon vor 15 Jahren schlecht, die Karrierechancen dürftig und die Arbeitszeiten so unregelmäßig und schlecht planbar wie heute. Und trotz dieses Wissens hat mir noch niemand an den Kopf geknallt, wenn ich dieses Bedingungen beklage, dass ich es ja so gewollt habe. Ganz im Gegenteil. Man bekommt viel Anerkennung und die meisten Menschen nehmen an, dass es trotz der schlechten Rahmenbedingungen ein großartiger Beruf ist. Also darf ich jammern…
Manchmal ist das Leben anstrengend
Das Muttersein ist für mich trotz oft echt mieser Arbeitsbedingungen sogar der noch schönere Beruf. Trotz Stress, Müdigkeit, Zeitnot, Geldmangel und ständigen kleinen und großen Sorgen macht es glücklich. Und das bei jedem Kind. Ob eine Familie sich mit einem, zwei, drei oder mehr Kindern komplett fühlt, darf diese mit viel Glück sogar selbst entscheiden. Genau wie die Wahl des Berufes.
Und genauso wie es ökonomisch vielleicht nicht sehr sinnvoll ist, Hebamme zu werden, bedeuten mehrere Kinder natürlich mehr Arbeit und weniger Freizeit. Mehr Chaos beseitigen, mehr Einkaufen, mehr Kochen, mehr Geschirr spülen. Größere Wäscheberge abarbeiten, mehr Zähne nachputzen, mehr Kinderköpfe nach Läusen absuchen. Noch mehr Elternabende besuchen, mehr kleinkindliche Wutanfälle begleiten, mehr schlaflose Nächte überstehen. Und noch weniger Zeit für sich selbst haben – und damit sicher gelegentlich auch mehr Erschöpfung und zeitweilige Überforderung.
Aber eine große Familie zu haben, es ist ein großes Glück und all das wert. Und einen Beruf zu haben, den man liebt, macht auch glücklich. Genau das ist der Grund, warum ich nach all den Jahren – trotz sich weiter verschlechternden Rahmenbedingungen – noch immer Hebamme bin. Ich hab auch das so gewollt und manchmal ist das Leben anstrengend – so oder so. Ob mit keinem, mit einem Kind oder mit fünf Kindern. Das möchte man manchmal einfach nur sagen dürfen. Und dann wünscht man sich vielleicht ein bisschen Verständnis, Mitgefühl oder eine Umarmung – und wenn es passt, sogar noch etwas Hilfe. Auch wenn man es ja selbst so gewollt hat.
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