Gerade eben habe ich das Haus einer Wöchnerin verlassen, mit der ich zurzeit ihre traumatische Geburt aufarbeite. Traumatisch für sie vor allem deshalb, weil die Hebammen in der Klinik kaum Zeit hatten und sie unter der interventionsreichen Geburt sehr viel allein gelassen wurde. Es gab sehr viele Geburten an diesem Tag und nur wenig Personal. Bevor ich auf mein Fahrrad steige, schaue ich meist noch mal kurz auf dem iPhone meine Mails durch. Die Nachricht vom Hebammenverband treibt mir immer noch die Tränen in die Augen, denn da steht nun konkret, was schon länger angekündigt wurde: eine erneute Erhöhung der Haftpflichtversicherungsprämie im zweistelligen Prozentbereich. Innerlich hatte ich mich schon auf zehn bis zwölf Prozent eingestellt. Aber nein, es sind 20 Prozent geworden, um die die Haftpflichtprämie im nächsten Jahr angehoben wird.
Damit müssen Beleghebammen, aber auch Geburtshaus- und Hausgeburtshebammen satte 5090 Euro bezahlen, wenn sie weiter in der Geburtshilfe tätig sein wollen. Zum Vergleich: Die Beleghebamme bekommt 273,22 Euro für die Geburtshilfe, womit bis zu acht Stunden vor und drei Stunden nach der Geburt vergütet sind. Davon müssen Krankenversicherung, Rechtsschutz, Altersvorsorge und natürlich alle beruflichen Kosten für Ausstattung, Auto, Material, Fortbildungen, Fachliteratur und so weiter bezahlt werden. Und natürlich die Haftpflichtversicherung, ohne die eine Hebamme eben nicht arbeiten darf. Da kann man sich mal ausrechnen, wie viele Geburten begleitet werden müssen, nur um die Haftpflichtprämie allein zu stemmen. Da auch Hebammen wohnen und essen müssen, kann es sich eigentlich zukünftig kaum noch eine Hebamme leisten, freiberufliche Geburtshilfe anzubieten. Der stetige Rückgang an geburtshilflich tätigen Hebammen bestätigt dies ja auch.
Die Krise im Kreißsaal spitzt sich zu
Die massive Erhöhung betrifft natürlich auch alle anderen Versicherungsformen für Hebammen. Und bei einem Nettostundenlohn von unter acht Euro werfen auch zunehmend mehr nicht geburtshilflich tätige Kolleginnen das Handtuch und bieten keine Schwangerenvorsorge und Wochenbettbetreuung mehr an. Auch ich arbeite mittlerweile vermehrt im Bereich Fort- und Weiterbildung oder halte Vorträge. Diese Tätigkeiten sind besser bezahlt und das bei planbaren Arbeitszeiten. Ich mache das auch sehr gerne, aber mein Herz hängt an der Hebammerei.
Deshalb habe ich jetzt auch diesen dicken Kloß im Hals, wenn ich erneut merke, dass weder ich noch viele Kolleginnen auf Dauer weiterhin voll in diesem Beruf arbeiten können, wenn sie auch davon leben wollen oder müssen. Wer versucht eigentlich immer wieder, systematisch diesen Beruf auszurotten? Und warum? Hebammen standen schon oft in der Geschichte an Punkten wie diesen. Deshalb ist da auch immer noch ein Fünkchen Hoffnung, dass doch noch alles gut werden wird, auch wenn von politischer Seite bisher nichts weiter als Lippenbekenntnisse kamen. Meist waren es die Mütter, die sich für die Hebammen und damit nicht unwesentlich auch für ihre Rechte als Frauen eingesetzt haben. Vielleicht brauchen wir jetzt auch noch die Väter und die Großeltern, damit auch in Zukunft weiterhin alle Familien die so wichtige Begleitung für den Lebensbeginn erhalten können, die sie brauchen. Die Krise im Kreißsaal jedenfalls wird sich weiter zuspitzen, wenn jetzt nicht mal mal langsam was passiert…
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