Die gerade vergangenen Feiertage hat man als Hebamme kaum gemerkt. Jedenfalls nicht, wenn es um die Anfragen geht, die tagtäglich für die Betreuung vor, während oder nach der Geburt auf diversen Kanälen eintrudeln. Selbst am 25. Dezember schreiben schlaflose Schwangere nachts um drei Uhr E-Mails. Sie fragen, ob ich im nächsten Sommer noch freie Kapazitäten für eine Wochenbettbetreuung habe.
Einer Kollegin wurde erst kürzlich ein vierstelliger Geldbetrag angeboten. Er war verbunden mit der Bitte, ob sie denn nicht doch noch „irgendwie Zeit finden“ würde für das Elternpaar, das sein erstes Kind erwartet. Auch ich persönlich habe in den letzten Jahren mehrfach zusätzliches Geld angeboten bekommen für eine Hebammenbetreuung. Mittlerweile kommen sogar Anfragen von mehreren Frauen zusammen. Die schlagen tatsächlich ernsthaft vor, sich gemeinsam eine Hebamme zu „teilen“. Doch da sich der individuelle Betreuungsbedarf vorab nicht absehen lässt, ist das genauso wenig ein Option wie die Bestechung durch Geldzahlungen – die Hebammen natürlich sowieso nicht annehmen dürfen.
Nicht zu vergessen, dass im Sozialgesetzbuch folgendes steht unter § 24d SGB V Ärztliche Betreuung und Hebammenhilfe:
Die Versicherte hat während der Schwangerschaft, bei und nach der Entbindung Anspruch auf ärztliche Betreuung sowie auf Hebammenhilfe einschließlich der Untersuchungen zur Feststellung der Schwangerschaft und zur Schwangerenvorsorge; ein Anspruch auf Hebammenhilfe im Hinblick auf die Wochenbettbetreuung besteht bis zum Ablauf von zwölf Wochen nach der Geburt, weitergehende Leistungen bedürfen der ärztlichen Anordnung. Sofern das Kind nach der Entbindung nicht von der Versicherten versorgt werden kann, hat das versicherte Kind Anspruch auf die Leistungen der Hebammenhilfe, die sich auf dieses beziehen.
Und ganz ab davon: Frauen, die eine Hebamme suchen, sind nicht auf der Suche nach einer Super-Special-Extra-individuellen Gesundheitsleistung. Sie wollen eine ihnen ganz offiziell zustehende Betreuung, die gesetzlich genau definiert ist. Deren Kosten fallen komplett und ganz regulär in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen.
Hebammensuche ist noch aufwändiger geworden
Trotzdem erinnert diese ganze Hebammensucherei mittlerweile an die ebenso verzweifelte Kita- oder Schulplatzsuche. Oder an den hoffnungslosen Versuch, in manchen Großstadtbezirken eine halbwegs bezahlbare Wohnung zu finden. Das Hebammenmangelproblem findet sich aber auf dem Land ebenso wie in der Klein- oder Großstadt.
Wie man schnell und ohne viel Aufwand eine Hebamme findet, ich weiß es leider auch nicht. Bereits vor Jahren habe ich in diesem Beitrag geschrieben, dass man auf jeden Fall möglichst früh mit der Suche beginnen sollte. Die im Text genannten Tipps und Links gelten weiterhin.
Leider kann ich nur bestätigen, dass die Hebammensuche mittlerweile noch aufwändiger geworden ist. Und es stehen mehr Frauen vor, während und nach der Geburt komplett ohne Hebamme da. Die Option, eine Beleghebamme oder eine außerklinisch arbeitende Hebamme für eine Haus- oder Geburtshausgeburt zu finden, die in 1:1-Betreuung unter der Geburt begleitet, ist ganz real nur noch wenigen Müttern vorbehalten. Hier ist das Verhältnis von Angebot und Nachfrage tatsächlich noch katastrophaler.
Selbst aktiv werden und protestieren
Trotzdem an dieser Stelle noch ein paar ergänzende Tipps in Sachen Hebammensuche fürs kommende Jahr:
- Wende Dich an Deine Krankenkasse und frage nach Unterstützung bei der Hebammensuche. Oder nach einem Plan B, wenn Du keine Hebamme findest. Oft ist den gesetzlichen Krankenkassen gar nicht bewusst, dass viele Versicherte nicht freiwillig auf diese ihnen zustehende Leistungen verzichten. Die Kassen realisieren nicht, dass keine Hebamme gefunden wurde.
- Informiere die Krankenkasse auch darüber, wenn Du keinen Geburtsvorbereitungs- oder Rückbildungsgymnastikkurs bekommst. Und frage nach einer Ersatzoption, wenn Du doch noch eine Hebamme gefunden hast, diese Dich aber nur eingeschränkt betreut, weil sie etwa ab einem bestimmten Termin im Urlaub ist und selbst keine Vertretung mehr findet.
- Verweist Dich Deine Krankenkasse an die immer häufiger von Hebammenpraxen, Krankenhäusern oder Familienzentren angebotenen Wochenbettsprechstunden, sage Ihnen, dass dies kein Ersatz ist. Und dass es das Einhalten der im Wochenbett erforderlichen Ruhe empfindlich stört. Auch bei einem fiebrigen Milchstau trägt es nicht zur Genesung bei, wenn Du Dich gesundheitlich derart angeschlagen mit dem Neugeborenen auf den Weg in eine Praxis oder Klinik machst. Außerdem ist dieses Angebot weder flächendeckend noch an allen Tagen verfügbar.
- Trage Dich in die „Landkarte der Unterversorgung“ ein, wenn Du keine Hebamme findest oder bestimmte Hebammenleistungen nicht verfügbar sind.
- Schreibe über die Initiative „Lieber Jens“ an den Gesundheitsminister. Auch im Ministerium sind die Auswirkungen des seit Jahren diskutierten Hebammenmangels noch immer nicht vollständig bekannt.
- Unterstütze „Mother Hood“. Diese Bundeselterninitiative setzt sich seit 2015 für bessere Bedingungen rund um Schwangerschaft, Geburt und die erste Elternzeit ein. Hier kannst Du selbst aktiv werden oder durch eine Spende unterstützen.
- Ebenfalls unterstützenswert ist der Verein „Hebammen für Deutschland“. Dieser Zusammenschluss von Hebammen, Eltern, Ärzten und anderen Engagierten hat das Ziel, die individuelle Geburtshilfe in Deutschland und die Wahlfreiheit für Mütter zu erhalten.
- Im Netzwerk „Elterninitiativen für Geburtskultur“ haben sich viele Vereine und Initiativen rund um das Thema Geburt zusammengeschlossen.
- Auf der Homepage des Deutschen Hebammenverbandes findest Du weitere Informationen zur Hebammensuche für Familien. Dazu gibt es dort aktuelle Informationen zur Situation der Hebammen.
In jedem Fall gilt: Werde aktiv, auch wenn Du eine Hebamme gefunden hast. Tu es für Dich, für Deine Kinder und Deine Freundinnen. Und für alle Frauen, die jetzt oder in der Zukunft Mutter werden. Jede Frau hat das Recht, ihre Schwangerschaft, die Geburt und auch die Zeit danach selbstbestimmt und gut begleitet erleben zu dürfen.
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