Wie so viele Hebammen bekomme auch ich reichlich Anfragen für die „Nachsorge im Wochenbett“. Aber auch von medizinischem Personal oder Hebammenkolleginnen höre oder lese ich diesen Begriff relativ oft. Doch Hebammen machen nach der Geburt keine Nachsorge. Sie machen Wochenbettbetreuung. Oder laut Kassen-Vergütungsvereinbarung „Aufsuchende oder nicht aufsuchende Wochenbettbetreuung gemäß Anlage 1.1, § 3 Abs. 1 als ambulante hebammenhilfliche Leistung“.
Man könnte mir jetzt kleinliche Wortklauberei vorwerfen. Doch es gibt einen Grund, warum diese Differenzierung wichtig ist.
In der Medizin bezeichnet der Begriff „Nachsorge“ die planmäßige Nachuntersuchung in Folge einer medizinischen Behandlung. Es sollen dadurch mögliche Komplikationen erkannt und verhindert werden. Oder der Patient wird dabei unterstützt, mit seiner Erkrankung im Alltag zurecht zu kommen. Ein wichtiges Aufgabengebiet, dessen Erkenntnisse zum Beispiel Patienten nach Krebserkrankungen, Transplantationen, bei chronischen Erkrankungen oder auch nach Unfällen zugute kommen.
Begleitung einer gesunden Lebensphase
Natürlich achten auch Hebammen im Wochenbett darauf, dass es keine Komplikationen gibt. Aber der große Unterschied ist, dass wir es als Hebammen mit einer primär gesunden und physiologischen Lebensphase zu tun haben. Auch wenn die meisten der von uns betreuten Frauen für die Geburt in einer Klinik waren, sind es nicht Patientinnen im eigentlichen Sinne. Natürlich gibt es Verläufe vor, während oder nach der Geburt, die pathologisch sind – also vom gesunden Zustand abweichend. Aber generell sind Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett eine ganz normale und gesunde Lebensphase.
Wenn man natürlich auf die (zu) vielen Untersuchungen in der Schwangerschaft und die viel zu vielen Interventionen unter der Geburt blickt, entsteht schnell ein anderer Eindruck. Auch bieten viele Kliniken heute statt Geburtshilfe eine Geburtsmedizin an, was wieder mehr den Fokus auf das Pathologische legt. Zumindest wenn man Medizin als Wissenschaft der Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Krankheiten oder Verletzungen betrachtet. Prävention ist sicherlich ein relevanter Faktor. Aber Schwangerschaft und Geburt bringen eben nicht zwangsläufig Erkrankungen oder Verletzungen mit sich.
Generell gehen wir Hebammen erst einmal davon aus, dass die Zeit des Kinderkriegens gesund verläuft. Wir bieten deshalb für die Zeit nach der Geburt eine Wochenbettbetreuung an, die eben nicht nur den Blick auf krankhafte Zustände richtet. Ganz im Gegenteil sollen diese krankhaften Zustände genau nicht nur durch Untersuchungen, sondern auch durch psychosoziale und präventive Arbeit vermieden werden. Und ja, wenn es zum Bespiel unter der Geburt zu einer Operation oder Verletzung kommt, machen wir zu Hause in gewisser Weise auch eine Form von Nachsorge.
Teil einer ganz besondere Lebensphase
Aber primär betreuen wir als Hebammen die Familie ganzheitlich im Wochenbett. Wir achten darauf, dass alles gut läuft und an welchen Stellen bei möglichen Abweichungen gehandelt werden muss. Genau wie die Geburtshilfe ist die Betreuung des Wochenbettverlaufs eine den Hebammen vorbehaltene Tätigkeit. Die Nachsorge nach einer Erkrankung wiederum ist keine Hebammenaufgabe.
Ebenso wird die sozialmedizinische Nachsorge für zu früh geborene oder chronisch erkrankte Kinder von anderen Berufsgruppen übernommen. Aus gutem Grund heißen männliche Hebammen heute nicht mehr Entbindungspfleger, sondern einfach auch Hebammen. Denn Frauen werden nicht entbunden, sondern gebären. Und wirkliche Pflege, wie wir sie im klassischen Sinne bei der Versorgung von erkrankten oder betagten Menschen kennen, benötigen die meisten Wöchnerinnen glücklicherweise auch nicht.
Es sind also wirklich zwei recht unterschiedliche Dinge. Und auch wenn es manche Menschen kleinlich finden mögen, ist es sinnvoll, das Thema Wochenbettbetreuung korrekt zu kommunizieren. In einer ohnehin sehr auf „Risiken und Nebenwirkungen“ geprägten Begleitung einer gesunden Lebensphase ist es wichtig, sich immer wieder klar zu machen, dass Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett keine Krankheiten sind. Sondern Teil einer ganz besondere Lebensphase, in der Eltern und ihre Kinder gut und individuell begleitet und unterstützt werden sollten.
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