Auf den gesetzlichen Krankenkassen wird ja dieser Tage viel von Hebammenseite herumgehackt. Ein Grund ist, weil der GKV-Spitzenverband der BILD gegenüber behauptet, dass die Hebammen lieber Urlaub machen statt mit den Kassen zu verhandeln. Natürlich beschweren sich die Hebammen nur mal wieder (zurecht) über das Gebaren ihres Verhandlungspartners.
Aber warum eigentlich? Wo doch die Krankenkassen – zum Teil jedenfalls – das wirkliche Problem längst erkannt haben und nun sich sogar an der allzu oft hoffnungslosen Hebammensuche beteiligen. Natürlich nur dann, wenn die Versicherte sich auch meldet und den Krankenkassenmitarbeitern von der vergeblichen Suche berichtet hat.
Da wird der einen Schwangeren eine Kopie der Hebammeneinträge aus den Gelben Seiten (trägt sich da wirklich noch jemand ein?) in die Hand gedrückt. Für andere rufen engagierte Mitarbeiter sogar persönlich bei Hebammen an und fragen nach freien Kapazitäten. Einer mir bekannten Kollegin wurde sogar in einem besonders dringlichen Fall telefonisch eine so genannte „Gesundheitsprämie“ (oder böse gesagt: ein „Bestechungsgeld“) von einer Krankenkasse angeboten, wenn sie kurzfristig eine Betreuung übernimmt. Es ging darum, dass eine Frau nicht ohne Hebammenbetreuung aus der Klinik entlassen werden konnte. Da hat dann scheinbar jemand hinterm Schreibtisch mal durchgerechnet, dass die Hebammenbetreuung im häuslichen Wochenbett selbst plus einer zusätzlichen „Gesundheitsprämie“ wesentlich günstiger ist als jeder weitere Tag in der Klinik.
Trotzdem kann sich davon keine Hebamme mehr Kapazitäten aus den Rippen schneiden und schon gar nicht kurzfristig. Denn unsere Tage sind voll. Voll mit geplanter Hebammenarbeit, voll mit kurzfristigen ungeplanten Arbeitseinsätzen und voll mit den diversen Zweitjobs, die viele Kolleginnen mittlerweile zur Querfinanzierung der originären Hebammentätigkeit auch noch machen.
Hebammenversorgung bricht zusammen
Während die GKV also immer noch gegen die längst bestehende Unterversorgung weiter mit Zahlen argumentiert, die nicht haltbar sind, bröckelt das Betreuungssystem gerade nicht mehr nur noch. Nein, es zerbricht unaufhaltsam. Denn die angeblich vielen Hebammen in Deutschland, die die Krankenkassen laut Anmeldungen bei der AG für Institutionskennzeichen immer zitieren, arbeiten nur noch teilweise oder schon längst überhaupt nicht mehr. Die Menge der dort gemeldeten freiberuflichen Hebammen sagt also nichts über die tatsächlichen Kapazitäten aus, die es in Deutschland für Hebammenbetreuung tatsächlich noch gibt.
Und im kommenden Sommer ist es besonders eng, weil da Hebammen auch Urlaub machen. Weil viele Hebammen auch Kinder haben und damit der Schulferienreglung unterliegen. Und da es häufig keine Vetretungskolleginnen mehr gibt, ist es sinnvoller, für diese Zeit besser gar keine Frauen für die nicht planbare Geburt und damit verbundene Wochenbettbetreuung anzunehmen. Denn Mutter und Baby dann unversorgt mitten im Wochenbett zurückzulassen und mit Bauchweh die ganze Zeit auf das Handy zu starren, macht die Idee eines Erholungsurlaubs völlig zunichte.
Ablenken von den wahren Problemen
Auch wenn die GKV es anders sieht (und die BILD es populistisch aufbereitet verbreitet), hat das Scheitern der Verhandlungen definitiv nichts mit der Urlaubsplanung der Verbandshebammen zu tun, wie diese auch bestätigten: Die Hebammenverbände bestreiten den Vorwurf der Kassen. Der Urlaub ist nicht der Grund gewesen für das Scheitern der Gespräche. Katharina Jeschke, Präsidiumsmitglied des Deutschen Hebammenverbandes, sagte selbst den BILD-Journalisten: „Ich hätte meinen Urlaub auch verschieben können. Aber das hätte nichts gebracht. Die Krankenkassen wollten sich nicht bewegen.“ Und Ruth Pinno, Vorsitzende des Bundes freiberuflicher Hebammen Deutschlands erklärt: „Die Verbände sind jederzeit handlungs- und verhandlungsfähig, sobald der Spitzenverband der Krankenkassen sich unseren bekannten Positionen annähert.“
Aber der BILD-Leser kriegte in der Überschrift dann trotzdem die ungerechtfertigte Bestätigung, dass letztlich die Hebammen selbst das Problem sind. So wie sie es schon zu Zeiten der Hexenverbrennung war. Und es lenkt zumindest erst mal ein bisschen von den wahren Problemen ab. Denn Fakt ist, dass ab 01. Juli 2015 die Kosten für die Berufshaftpflicht um weitere 20 Prozent steigen. Fakt ist auch, dass es eine längst ausstehende Erhöhung der Hebammengebühren um 5 Prozent vorerst nicht geben wird. Fakt ist aber vor allem, dass viele Hebammen ihren Urlaub nutzen werden, um ihre berufliche Zukunft zu überdenken. Hebammen, die dann womöglich nicht mehr als Hebammen arbeiten werden. Ich bin eine davon, die im Urlaub intensiv darüber nachdenken wird.
Und wenn dann die Hebammen erfolgreich „abgeschafft“ worden sind, kann man sich noch um die kleinen geburtshilflichen Abteilungen kümmern, die es noch zu schließen gilt, weil da nicht genug Umsatz generiert wird. Dann muss irgendwann auch endlich keiner mehr über die Selbstbestimmungsrechte von Frauen unter der Geburt diskutieren. Denn eine Wahlmöglichkeit gibt es dann einfach nicht mehr…
Die aktuelle Petition zum Thema von Motherhood
Das Bild zu diesem Artikel zeigt einen Screenshot der BILD-Website vom 09. Juni 2015.
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