Als am Freitag der Deutsche Hebammenverband das Ergebnis der Schiedstellenentscheidung zur Hausgeburtshilfe verkündete, kamen mir einfach nur noch die Tränen. Und so ging es vielen Kolleginnen. Vielen, die momentan gar nicht mal in der Hausgeburtshilfe arbeiten und somit ja eigentlich gar nicht „betroffen“ sind.
Aber als Frauen und Mütter betrifft es uns natürlich auf jeden Fall. Und auch als Hebamme betrifft es jede Kollegin, wenn darüber entschieden wird, dass uns berufliche Fachkompetenz aberkannt wird und das ohne jegliche wissenschaftliche Grundlage. Eine berufsfremde Gruppe von Menschen, in diesem Fall Juristen mit dem Fachgebiet Sozialrecht, darf einfach darüber richten, wofür wir als Hebammen zuständig sind und wofür nicht – völlig unbeachtet davon, was die jeweilige Berufsordnung sagt. Selbst mit vielen vorangehenden Diskussionen können Personen ohne entsprechende fachliche Expertise keine sinnvolle Entscheidung über mögliche Risiken einer Hausgeburt fällen. Ebenso wie die Mitglieder der Schiedsstelle per Losentscheid bestimmt wurden, ist wahrscheinlich auch dieses Urteil über die Hausgeburt nicht anhand von Fakten gefällt worden.
Fakt ist aber nach dem Schiedsstellenspruch, dass eine Hausgeburt ab Tag drei nach dem errechneten Termin nun die ärztliche Zustimmung braucht. Und die wird es wohl nur in den allerseltensten Fällen geben. Denn warum sollte der wahrscheinlich auch nicht für die Geburtshilfe versicherte Arzt in der gynäkologischen Praxis nun „die Verantwortung“ übernehmen wollen?
Schon als Schülerin gelernt, immer wieder kämpfen zu müssen
Und auch als Hebamme wird man weder bis zu 10.000 Euro Vertragsstrafe noch den Rauswurf aus dem Krankenkassenvertrag riskieren können. Am Ende werden also die Frauen mit dem Wunsch einer geplanten Hausgeburt (die in Großbritannien vom Staat als Geburtsweg empfohlen wird) die Verantwortung komplett alleine übernehmen müssen. Das heißt, diese Frauen werden zwischen Klinik und der fachlich unbegleiteten Alleingeburt entscheiden müssen. Denn der Weg in den häufig völlig unterbesetzten Kreißsaal wird für einige Frauen eben nicht die gangbare Alternative zur geplanten Hausgeburt sein. Hinzu kommt, dass immer weniger Kliniken immer weitere Anfahrtswege verlangen. Das heißt, es werden mehr Kinder unterwegs geboren werden, wenn es der Hausgeburtshebamme nicht mehr erlaubt ist, daheim zu helfen. Und das wird kaum mehr Sicherheit bringen als eine verantwortlich geplante Hausgeburt.
Es schmerzt ganz einfach. Keine von uns ist Hebamme geworden, weil sie reich werden wollte oder gar berühmt. Die Grundmotivation war immer, Familien im Betreuungsbogen von der Kinderwunschzeit bis zum Ende der Stillzeit zu helfen. Ich wollte das unterstützen, was sich eine Frau für ihre Schwangerschaft, die Geburt und die Zeit danach wünscht. Schon als Schülerin haben viele von uns gelernt, dass wir immer wieder darum kämpfen müssen. Wie viele von uns haben heulend im Schmutzwäscheraum gesessen, weil sie gerade zusammengeschrien wurden, dass sie zu viel Zeit bei der wehenden Frau verbracht haben, anstatt das Ultraschallgel aufzufüllen. Als examinierte Hebamme im Kreißsaal haben wir vielleicht bewusst den Oberarzt etwas „zu spät“ zur ganz normal verlaufenden Geburt dazu gerufen, damit die Frau ihrem Wunsch nach einer Wassergeburt nachkommen konnte. Wir haben Dammschnittscheren „aus Versehen“ fallen lassen, damit sie unsteril nun nicht mehr routinemäßig zum Einsatz kommen konnten. Auch unter widrigsten Bedingungen versuchten viele von uns, sich für die Belange der Frauen einzusetzen und für sie da zu sein. Überstunden, verschobene Urlaube, Dauerrufbereitschaft, Hausbesuche in der halben Nacht oder an Feiertagen… Hebammen lieben das alles nicht, aber sie machen es, weil es notwendig, wichtig und sinnvoll ist. Und auch, weil Familien diese Hilfe zu schätzen wissen. Was man offenkundig von Krankenkassenseite nicht immer behaupten kann…
Ich kann diesen Beruf nicht einfach hinwerfen
Und so ignoriert man lange die sich stetig verschlechternden Bedingungen. Dass immer weniger Geld bei immer mehr Arbeit hängen bleibt, merkt man meist erst beim Jahresabschluss. Und das wenige Geld buttert man dann wieder in teure Fortbildungen, um seiner Weiterbildungspflicht nachzukommen. Dass man drei Wochenenden in Folge im Kreißsaal verbracht hat, merkt man auch meistens erst dann, wenn sich Freunde oder Familie beschweren…
Und so gibt es weiterhin immer mehr und mehr Kolleginnen, die die Hebammerei komplett hinschmeißen. Und dann in alte Berufe zurückkehren oder neu studieren. Auch ich habe 1001-mal über diesen Schritt nachgedacht. Und sogar die Versicherung gekündigt – sogar mehr als einmal. Aber ich kriege es nicht hin. Es gäbe diverse andere Optionen, mein Geld einfacher und stressfreier zu verdienen. Doch ich bin keine ausschließliche Stillberaterin. Ich bin keine Autorin. Ich bin keine Referentin für Weiterbildungen oder Kongresse. Ich bin keine Schreibabytherapeutin. Und ich bin auch keine Bloggerin.
All diese Sachen mache ich auch gerne, sehr gerne sogar. Aber ich bin Hebamme und ich bleibe Hebamme. Wenn ich mit schwangeren Frauen oder Müttern in Kontakt komme, denke und fühle ich wie eine Hebamme. Egal ob ich gerade dafür versichert bin oder nicht. Wenn ich mit meinen Hebammenkolleginnen rede, weiß ich, dass es den meisten genauso geht – auch wenn sie schimpfen und fluchen. Ich kann diesen Beruf nicht einfach hinwerfen. Ich habe es versucht, ehrlich, aber es gäbe keine wirkliche Alternative für mich. Und manchmal denke ich, dass die Gegner der Hebammen genau das wissen. Sie wissen, dass wir die Frauen und Familien nicht im Stich lassen, egal wie viele Steine sie uns noch in den Weg werfen werden.
Und deshalb glaube ich auch, dass wir einfach nicht die richtigen sind, die mit den Krankenkassen mittlerweile nicht mehr nur um unsere Vergütung streiten, sondern um die Selbstbestimmung der Frauen. Wir sind keine Verhandler, Lobbyisten oder Juristen, die Dinge auf einer knallharten sachlichen umemotionalen Ebene durchfechten können. Wir können die Empathie mit den Frauen und auch unsere Emotionen nicht einfach am Verhandlungstisch abgeben. Doch das braucht es wahrscheinlich, um wirklich knallhart verhandeln zu können. Wir werden aber immer als Hebamme denken und fühlen. Deshalb ist es längst Zeit, dass andere diese Aufgabe übernehmen. Denn einmal Hebamme, immer Hebamme…
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