Wenn ich mein Abrechnungsprogramm mal analysieren würde, wäre garantiert ein Anstieg der Beratungen pünktlich zum Halbjahresgeburtstag der Babys ersichtlich. Gut, nun könnte man sagen, dass es da verstärkt um Beikostfragen geht. Doch die Beikostberatung mache ich meist ein oder sogar zwei Monate früher. Die ist dann dran, wenn die Verwandtschaft oder der Kinderarzt zur Beikost drängen und manche Eltern zunehmend in Stress geraten. Dann zeichnet sich die Halbjahreskrise ab.
Aber natürlich startet dann ein großer Teil der Kinder mit circa sechs Monaten mit der Beikost und in der Praxis entstehen neue Fragen dazu. Aber genau so viele Fragen gibt es in diesem Alter zum Thema Schlafen. Denn während mit drei, vier Monaten die Babynächte nach der ersten anstrengenden Wochenbettzeit meist etwas entspannter geworden sind, scheint das Ganze plötzlich wieder zu kippen. Aus einem zwei- oder dreimaligen Aufwachen werden plötzlich durchgestillte Nächte.
Das vormals entspannt auf der Krabbeldecke spielende Baby beschließt auf einmal, wieder am oder auf dem Körper der Mutter zu wohnen. Sogar der Vater wird oftmals nur noch angeschrien, wenn er diese Aufgabe übernimmt. Andere mögliche Bezugspersonen scheiden im Vorhinein aus. Es ist eine Phase des „Wollens und nicht Könnens“. Sich drehen, hochstützen, aufrichten, Dinge erreichen, und sich fortbewegen wird zwar fleißig geübt. Aber es führt zu viel Unmut, wenn das dann doch nicht ganz so nach Wunsch klappt.
Mittagsschlaf für sich selbst wieder einzuführen
Und dann hat man zu diesem Zeitpunkt auch satte sechs Monate anstrengende Elternarbeit hinter sich. Die Akkus sind vielleicht ein bisschen leer. Oder die Sehnsucht nach mehr Zeit für sich selbst wird größer. Und genau dann wird die schon ein bisschen geschnupperte Freiheit wieder kleiner, weil das Baby plötzlich so extrem nähebedürftig ist.
Und nein, das trifft nicht für alle Kinder in diesem Alter zu, wie halt immer nicht ein Entwicklungsverlauf für alle gilt. Wer also einen guten Energiestatus und ein entspanntes Baby in dieser Zeit hat, darf das einfach so hinnehmen und genießen. Allen, die sich und ihr Kind aber in dem oben beschriebenen Szenario wiedererkennen, sei gesagt, dass es anstrengend, aber normal ist. In dieser Zeit gilt es, gut für sich selbst zu sorgen, Prioritäten zu setzen und sich nicht zu scheuen, Unterstützung anzunehmen. Oder den guten alten Mittagsschlaf auch für sich selbst wieder einzuführen. Und auch mal ein bisschen zu jammern, wie anstrengend gerade alles ist. Ein Großteil der anderen Mütter in der Stillgruppe, im Krabbelkurs oder wo auch immer, erlebt gerade genau das selbe.
Meist bessert sich die Situation wieder etwas, wenn neue Herausforderungen wie das Krabbeln oder selbständige Sitzen dann klappen. Auch in Sachen Beikost sind viele, aber bei weitem nicht alle Kinder dann schon etwas interessierter, so dass sich das Stillen dann vielleicht spürbar reduziert. Natürlich kommen danach andere Herausforderungen im Elternleben auf uns zu, aber die Halbjahreskrise ist geschafft. Und bald erinnert man sich nur noch daran, wie niedlich und kuschelig das Baby doch zu diesem Zeitpunkt war…
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