Geboren und willkommen

In unserem kleinen Winterurlaub fielen mir immer wieder die Störche und großen Plakate an den schöne alten Häusern in den kleineren Dörfern und Städten in Österreich auf. Nein, niemand protestierte an dieser Stelle gegen den Hebammenmangel. Die Plakate kündeten von der Geburt eines Kindes. So war da zu erfahren, dass die kleine Leni kurz nach Weihnachten auf die Welt gekommen ist und dabei über 4000 Gramm wog.

Sofort waren meine Gedanken bei einem hoffentlich weichen und warmen Wochenbett in diesem Haus, während draußen die Welt voller Schnee liegt. Und ich stellte mir vor, wie Nachbarn und Freunde der Wöchnerin und ihrer Familie jeden Tag Essen vorbeibrachten und sie auch sonst unterstützten. Denn schließlich kann keiner bei den teils zwei Meter hohen Deko-Störchen behaupten, er hätte nicht mitbekommen, dass hier gerade ein Kind geboren wurde.

Vielleicht ist meine Vorstellung auch zu romantisch und vorbei an der Realität. Doch wie oft denke ich bei den Hausbesuchen in den Berliner Altbauten, dass die meisten Nachbarn gar nicht wissen, dass hier ein kleiner neuer Mensch eingezogen ist. Hausgeburtseltern hängen manchmal noch einen Zettel an die Tür vor der Geburt. Aber selbst wir haben das bei unseren letzten beiden Hausgeburten nicht mehr geschafft.

Kleines Geschenk vor die Tür

Doch immer wenn ich auf diese Zettel treffe, macht das etwas mit mir. Und es berührt sicherlich auch andere Menschen. Nachbarn fragen vielleicht nach oder stellen etwas zu Essen oder ein kleines Geschenk vor die Tür. Alle fühlen sich im Idealfall irgendwie ein bisschen mitverantwortlich für diesen neuen kleinen Menschen bzw. dafür, dass es seinen Eltern gut geht. Aber allzu oft bekommt es eben einfach keiner mit.

Und das ist gerade fatal bei Eltern, die frisch umgezogen sind. Denn so ein Wohnortwechsel ist gerade in der sensiblen Phase rund um die Geburt nicht zu unterschätzen. Das Verlassen des gewohnten Umfeldes ist ja auch schon ohne Schwangerschaft eine gewisse Herausforderung. Wenn Freunde und Familie viele Kilometer weit weg sind, kann das ganz schön belastend sein. Ein Wohnortwechsel kann unter Umständen sogar eine Wochenbettdepression begünstigen. Doch oft müssen oder wollen Paare sich genau zur Geburt oder kurz davor örtlich und räumlich verändern.

Geburtsverkündung am Haus

Eine Schwangerschaft bietet natürlich auch viele Anlässe, neue Menschen in ähnlicher Lebenssituation kennenzulernen, zum Beispiel im Geburtsvorbereitungskurs. Manchmal verläuft die Schwangerschaft aber auch komplizierter und der Besuch solcher Kurse ist gar nicht erst möglich. Außerdem bekommen in den Kursen häufig alle etwa zeitgleich ihr Baby und sind natürlich erst einmal mit sich und ihrer neuen Situation beschäftigt. Es braucht als Unterstützer eigentlich andere Menschen, die den Kopf etwas freier haben als es nach einer Geburt der Fall ist.

Andere Menschen um Hilfe zu bitten wird zwar immer gerne empfohlen. In der Realität fällt es vielen Menschen aber schwer, genau dies zu tun. Auch Social Media-bedingt kennen viele von uns mittlerweile gefühlt 1001 Personen. Aber die Anzahl von echten Freundschaften ist deshalb nicht automatisch wesentlich höher. Diese echten Freunde sind die Menschen, bei denen das um Hilfe bitten leicht fällt.

Aber gerade nach einem Umzug sind die oft viel zu weit weg. Deshalb gefällt mir die Idee mit der Geburtsverkündung am Haus als unausgesprochene Einladung zur Unterstützung sehr gut. Da ist ein kleiner Mensch geboren, dem wir alle zeigen können, dass er willkommen ist. Mit einem Obstkorb, ein paar Blumen oder einem Topf Suppe, den wir vor die Tür stellen. Was für ein schöner Lebensbeginn, für das Baby und für seine Eltern.

Autor.in dieses Beitrags

Beitrag veröffentlicht am

in

,

Von

Kommentare

8 Antworten zu „Geboren und willkommen“

  1. K
    Katharina

    In dem Dorf an der Mosel, in dem ich aufgewachsen bin, wird traditionell die Fahne mit dem Dorfwappen aufgehängt. An der Spitze wir je nachdem, ob Mädchen oder Junge, ein rosa Strampler oder eine kleine blaue Winzerschürze angebracht. So wissen dann auch gleich alle, was es denn nun geworden ist. Typischerweise wird sich dann auch beim Bäcker und beim Einkaufen ausgetauscht: „Hast du gesehen bei xy ist das Kind geboren.“ und man gratuliert Eltern wie Großeltern, wenn man sie auf der Straße sieht. Ob es zu mehr konkreter Wochenbettunterstützung führt, weiß ich nicht. Umgekehrt ist es für mich auch manchmal das Signal, da ist eine neue Familie, die jetzt erst mal die Ruhe im Wochenbettkokon braucht und ich warte bis das Signal kommt: wir freuen uns über Besuch. Ich selbst habe mich dabei, über mitgebrachte Suppe oder Kuchen, immer mehr gefreut als über die x. Mütze für unser Kind.

  2. H

    Liebe Anja,
    Rike hat schon darüber geschrieben: Auch in Bayern gibt es eine ähnliche Tradition. Dort wird oft mit der Hochzeit ein Baum, ähnlich einem Maibaum, im Vorgarten aufgestellt mit einem Storch oben drauf. Er ist behängt mit Babyklamotten, Kuscheltieren und Windeln, die im Laufe der Zeit natürlich oll werden und daraufhin deuten sollen, dass die Zeit rennt. Die Eltern haben nun quasi ein Jahr Zeit um ein Baby zu machen, sonst müssen sie alle zum Saufen einladen. Sollte es aber klappen und das Baby ist ein Mädchen, werden verächtlich alte Dosen über den Zaun im Vorgarten gehängt, weil der Vater es nur zum „Büchsenmacher“ geschafft hat. Daraufhin muss er auch die Sauferei bezahlen. Alles ziemlich rückschrittlich, ein weiterer Grund nicht mehr dort zu wohnen und leider bei jungen Menschen auch wieder zunehmend Trend.
    In Berlin wissen zwar nicht alle Nachbarn, dass wir ein Kind bekommen, aber das selbstgewählte, in den letzten zehn Jahren doch ziemlich groß gewordene Dorf, dass größtenteils im Kiez wohnt, weiß Bescheid und ist ganz ohne Hohn für uns da, nimmt uns die anderen Kinder ab, gratuliert liebevoll und erwartet nichts. Da fühle ich mich wirklich geborgener und muss meinen Partner auch nicht wegen der traditionellen Vatermaß entbehren…
    Liebe Grüße Hannah

    1. A
      Anja Constance Gaca

      Liebe Hannah,

      das mit den Blechdosen hatte mir schon eine Hebammenkollegin aus Bayern erzählt Wie im Text auch geschrieben, sind das mehr meine etwas zu romantisierten Gedanken dazu- die Realität scheint tatsächlich eine andere zu sein. In manchen Nachbarschaften hier gibt es auch ganz tolle Unterstützung . Aber oft bekommt es keiner mit oder -auch schon erlebt- es wird sich beschwert, dass nachts das Baby weint.
      Eine respektvolle und unterstützende Wochenbettkultur erlebe ich sehr selten . Und daran ändert sicherlich auch nix der Storch am Haus

      Liebe Grüße , Anja

    2. F
      Franzi

      Dass „verächtlich alte Dosen über den Zaun im Vorgarten gehängt“ werden, „weil der Vater es nur zum ‚Büchsenmacher‘ geschafft hat“ ist aber Quatsch.
      Bei einem Jungen werden alte Lumpen an den Zaun gehängt und ein Schild führt zur „Lumpenmacherei“.

  3. V
    Veronika

    Hier in der Schweiz werden alle möglichen und unmöglichen Figuren aus Spanholz gesägt und bemalt und mit Namen und Daten versehen an den Häusern angebracht. (Von verschiedenen Seiten hab ich dazu gehört, dass dies gar keine Tradition ist, sondern eher sowas Neumodisches wie Halloween.) Zu mehr Hilfe im Wochenbett führt das leider nicht.

    Ich finde es eher aufdringlich, diese schreiend bunten Kreationen mit den teilweise sehr schrägen Namen drauf sehen zu müssen – da geht es mir so wie beim Autofahren, wenn ich die abgefahrenen Aufkleber mit den Kindernamen sehe, die da grad on tour sind. Ob Noel Jamie und Luana Maël das so toll finden, wenn Hinz und Kunz ihr Geburtsdatum, Geburtsgewicht etc. kennen?

    Naja, jedem Tierchen sein Plaisierchen.

  4. R
    Rike

    Liebe Anja,

    das stellst Du Dir schöner vor, als es ist.
    Die Störche werden von den Freunden des Vaters aufgestellt und dann wird feucht-fröhlich, so lange die Mutter noch im Krankenhaus weilt, gefeiert (sog. Pinkelparty).

    Bei den „Zugezogenen“ macht das normalerweise niemand.

    Es geht auch weniger um Hilfe, da die Großeltern/Verwandtschaft nah sind und das übernehmen z.B. schon das Aufräumen nach der Party.

    Es ist eher ein Begrüßungsritual, und es zählt auch, wieviele Störche angebracht sind und wie groß die sind.

    LG, Rike

    1. A
      Anja Constance Gaca

      Liebe Rieke,
      ja, das habe ich schon ein bisschen befürchtet, dass da meine Vorstellung viel zu romantisch ist 🙁
      Die familiäre Unterstützung ist natürlich in kleineren Orten oft größer als hier in der Großstadt bzw. müssen die Großeltern dann hier anreisen und übernachten zum Teil bei der frisch geborenen Familie , was bisweilen mehr stresst als hilft…

      Liebe Grüße,

      Anja

  5. K
    Katrin Stohwasser

    Sowas gibt es hier bei uns auch. Da werden auch Störche in den Vorgarten oder an die Haustür gemacht.
    Komme aus dem Schwarzwald ☺

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert