Fragen Sie Ihre Hebamme… aber bitte nicht zu oft

Um ja auch schnell wieder im Alltag aufzuschlagen, erwartete mich pünktlich direkt nach den erholsamen Pfingstferien Post von der Abrechnungsstelle einer Krankenkasse. Alle Kolleginnen wissen, dass diese Briefe fast nie etwas Gutes bedeuten. Manchmal werden nur drei Cent gekürzt, was einem in einem mit 62 Cent frankierten Schreiben mitgeteilt wird. Ernsthaft. Manchmal wird behauptet, man hätte die erforderliche Unterschriftenliste nicht beigelegt und das, obwohl schlaue Hebammen die Rechnung zum Teil direkt auf die Rückseite dieser Liste drucken, damit auch ja nichts „verloren“ gehen kann.

Gerne aber werden von diesen Abrechnungsstellen auch erbrachte Leistungen komplett gestrichen. Zum Beispiel die Stillberatung für Kinder, die älter als ein Jahr sind. In den Köpfen der Mitarbeiter dort ist es nicht vorgesehen, dass Kinder in diesem Alter noch gestillt werden und Mütter womöglich auch noch Fragen dazu haben. Natürlich ist auch diese Stillberatung abrechenbar, da jeder Frau bis zum Ende der Stillzeit Hebammenhilfe bei Stillproblemen zusteht So verbringt man viel Zeit am Telefon, um den Angestellten der Abrechnungszentralen zu erklären, was in der Vergütungsordnung der Hebammen steht. Derweil dümpeln bereits so einige Klagen von Hebammen gegen Krankenkassen beim Fachanwalt des Hebammenverbandes vor sich hin.

Unlängst machte eine besonders unverschämte Ablehnung der Kostenübernahme für Hebammenhilfe medial die Runde. Meiner Kollegin Jana vom Hebammenblog wurde die Vergütung für die Betreuung einer Frau nach einer Fehlgeburt mit folgender Erklärung abgelehnt: „Nach Rücksprache mit der BARMER GEK Koordinierungsstelle Dienstleister Sonstige Leistungserbringer kann kein Zahlungsausgleich erfolgen, da es sich bei einer Fehlgeburt nicht um eine Entbindung handelt. Hebammenleistungen nach der Fehlgeburt können nicht abgerechnet werden.“

Neben der Tatsache, dass die Mitarbeiter häufig die abrechenbaren Hebammenleistungen einfach nicht kennen, wird in diesem Fall auch noch der Kasse bewertet, was als Entbindung gelten darf und was nicht. Dabei ist auch eine „kleine Geburt“ eine Geburt. Es ist einfach jener Prozess, der am Ende einer Schwangerschaft steht, unabhängig davon, wie kurz oder lang diese war. Und der darf und sollte von einer Hebamme begleitet werden – währenddessen und auch hinterher.

Abrechnungsstellen, die aus Unkenntnis die Bezahlung verzögern

In diesem konkreten Fall ging es um eine dreistellige Summe für eine Leistung, die je bereits vor Wochen erbracht wurde. Generell muss ich als Hebamme ohnehin schon mindestens drei Wochen auf mein Geld für die in Vorleistung erbrachte Hebammentätigkeit warten. Pünktlich zahlen nur wenige Kassen, aber nach rund einem Monat hat man meist (aber lange nicht immer) sein Geld. Aber immer wieder kommen diese Briefe der Abrechnungsstellen, die die Bezahlung verzögern. Und nicht nur das. Sie verringern das Einkommen, weil ich weiter Arbeitszeit in mehr oder weniger sinnvolle Telefonate mit Kassenmitarbeitern stecken muss.

In meinem Schreiben sollte nur eine Beratung in der Schwangerschaft im Wert von 6,53 Euro gekürzt werden. Auch hier war die Begründung mehr als hinkend, zumal ich von einer Kollegin konkret wusste, dass sie bereits drei mal exakt die gleiche Situation hatte. Nach diversen Telefonaten wurde dann immer „ausnahmsweise“ doch bezahlt. In vielen Fällen ist es also mangelnde Sachkenntnis. Und viele Hebammen überlegen sich gut, ob sie für so eine kleine Summe überhaupt den Aufwand eines Widerspruches auf sich nehmen. Faktisch bezahlt man immer drauf.

In meinem Fall der Ablehnung hatte ich aber bei dieser Frau ohnehin schon etliche Beratungen unentgeltlich geleistet, weil diese in einer Schwangerschaft generell nur insgesamt zwölf mal abgerechnet werden kann. Wenn eine Schwangere also mehr als zwölf Mal Fragen hat, muss ich eigentlich sowieso abwinken, wenn ich wirtschaftlich arbeiten will…

Hebammenalltagsärger

Warum ich meinen kleinen Hebammenalltagsärger hier aufschreibe? Weil viele Menschen wahrscheinlich im Zuge der ganzen Haftpflichtdiskussion gar nicht sehen, dass es generell auch um eine unzureichende Vergütung der Hebammenleistungen geht. Denn ein Telefonat mit der Schwangeren plus Dokumentation ist einfach fast nie mit 6,53 Euro angemessen bezahlt. Nur am Rande: Diese Anrufe finden übrigens auch gerne vor allem an Wochenenden und Feiertagen oder am späteren Abend statt. Dann nämlich, wenn Arztpraxen in aller Regel geschlossen haben

Wenn dann anschließend noch dieser nicht selten vorkommende Abrechnungsärger hinzu kommt, überlegen sich viele Kolleginnen, warum sie sich das alles eigentlich seit Jahren antun? Über die seit Ewigkeiten nicht mehr angemessen erhöhte Vergütung in sämtlichen Bereichen der Hebammenarbeit hört man nur wenig. Aber es ist eben nicht nur ein Haftpflichtversicherungsproblem, was bei vielen Kolleginnen dazu führt, die freiberufliche Hebammentätigkeit komplett aufzugeben.

Auch ich überlege an Tagen wie diesen, wo ich bereits gut eine halbe Stunde lang ergebnislos mit zwei Abrechnungsstellenmitarbeitern diskutiert habe, ob ich nun wirklich noch die Zeit in einen schriftlichen Widerspruch investiere oder mir lieber Gedanken mache, mich endlich beruflich komplett zu verändern…

Autor.in dieses Beitrags

Beitrag veröffentlicht am

in

, ,

Von

Kommentare

12 Antworten zu „Fragen Sie Ihre Hebamme… aber bitte nicht zu oft“

  1. B
    Babsi

    Hallo Ihr Lieben!

    Unfassbar, aber es sind doch immer die gleichen „Competence“-Center, die völlig willenlos Rechnungen kürzen….Ich rechne seit 10 Jahren über eine Abrechnungsfirma ab, die erledigen das dann prompt. Ich schreibe wie eh und je meine Rechnungen auf Papier, packe alles zusammen und schicke es dahin. Spart mir eine menge an Porto und Datenschlüssel und was man sonst so braucht…

    Die BEK schickt übrigens an ihre Versicherten nach der Entbindung ein Heft, in dem steht, dass die Hebamme in den ersten 10 Tagen zur Verfügung steht. Druckdatum war hier 12/2014.
    Auch eine Möglichkeit die Frauen zu verunsichern und dadurch zu sparen….

    Daß es im Endeffekt so nur teurer wird, weil die Mütter evtl abstillen,sich bei einem Milchstau alleine durchwursteln, kapieren die Herrschaften wohl nicht!

  2. K
    Key

    …das erklärt natürlich, warum meine Hebammen (2die zusammen arbeiteten) ziemlich stark reglementierte Anruf-und Dienstzeiten hatten. So richtig unterstützend war das final für mich nicht und ich habe mir oft die Frage gestellt, ob ich mich unkorrekt/ nervig/ blöd oä verhalte, dass sie so wenig und kurz angebunden waren…..
    Nun drängt sich der Gedanke auf, dass sie dies aus der mit heraus vermutlich für sich so geregelt haben.
    Dennoch bleibt das ungute Gefühl und ich würde mich beim nächsten Mal für jmd anderen entscheiden.

  3. G

    Das ihr es nicht leicht habt in eurem Beruf und das ihr euch immer wieder mit den Krankenkassen rumärgern müsst, war mir klar (leider) aber das es sooo schlimm ist hatte ich wohl erfolgreich verdrängt. Und nun habe ich echt nen schlechtes Gewissen, das ich meine sehr sehr liebe Hebamme so offt angerufen habe. :-/
    Das sind dann die Momente, in denen ich solchen Leuten wünsche, dass sie einmal in der Situation sind und sie dann eine Hebamme haben, die ihnen sagt: „Tut mir leid, damit müssen sie alleine klar kommen, dass kann ich nicht abrechnen – wie sie ja wissen“ Natürlich wünsche ich das nicht wirklich jemandem. Und ich ziehe den Hut vor allen Hebammen, weil ich weiß, dass ihr, egal welchen sch… ihr ertragen müsst, nie eine Frau/eine Familie hängen lassen würdet.
    Und dafür ein riesen großes DANKE. Ich weiß, das ist nicht viel…

  4. U
    Ulli

    Ach ja, die liebe T… Da wagte ich es doch, einer Frau mit Zwillingen tatsächlich 2 Packungen Vitamin D mitzubringen. Prompt kam die Kürzung. „Es ist nur eine Packung in der kleinsten Größe abrechenbar.“ Ich durfte also anrufen und der Frau am Telefon erklären, dass ich den Zwillingszuschlag nicht grundlos abgerechnet habe… War -natüüüüürlich- nur ein Versehen. Die 4,24 kamen dann auch schon prompt die üblichen 3 Wochen später ganz schnell auf mein Konto.

  5. S
    Sylvia

    Hallo Anja, auch mir steigt jedesmal der Wutpegel, wenn ich am Ende der Zahlungsfrist ein Schreiben der KK bekomme, in der sie Kinkerlitzchenbeträge reklamieren und deshalb gleich den ganzen Rechnungsbetrag erst mal nicht fristgerecht zahlen…
    Und hat von euch schon mal jemand Verzugszinsen wegen verspäteter Zahlung berechnet? Auch die Kleinmistzahlen zusammengefasst- was da wohl zusammenkäme…@ Jana 😉
    Ich bin jetzt 26 Jahre leidenschaftliche Hebamme, habe in den letzten 5 Jahren schon so viel runtergefahren, einfach weils nicht mehr ging- und denke immer öfter drüber nach, was ich wohl sonst noch machen könnte…mir fällt aber definitiv nichts Besseres ein! Mir geht nur dieser ewige Kampf und die Engstirnigkeit auf die Nerven. An meinem Beruf hab ich nämlich nichts, aber auch gar nichts auszusetzen!
    Herzliche Grüße
    Sylvia

  6. M

    Gibt es denn in den ‚Krankenkassen (Gesundheitskassen ?!) keine Familienväter und -Mütteer, die im Fall der geschilderten Situationen sich nicht vorstellen können, wie S I E bei ‚Beratungsbedarf‘ reagieren würden, wenn es eben keine Hilfe um Mitternacht, Wochenende u. ä. geben würde? Wenn es doch Angestellte mit Familienerfahrung sein sollten: Haben diese so große Erinnerungslücken, daß sie sich da nicht hineindenken können.?
    Und die ‚Bestimmer‘, was haben die für mangelhafte Bestimmungen festgezurrt, die man nur als Schikane bezeichnen muß ?!
    Meine Tochter ist eine leidenschaftliche Hebamme, die auch nachts um 23.00 Uhr noch Kilometer fährt, um eine aus der Klinik heimgekommene Mutter zu beraten, das Kind und die Familie wieder zu beruhigen.
    Man kann sich da nur noch an den Kopf greifen – hilft bloß nix.
    @ an Jana: Das wäre doch eine sehr gute Aktion: Zu unrecht abgezogene Beträge aufzulisten und öffentlich zu machen. Kostet natürlich auh wieder Eure Zeit. Und es müßten auch ALLE mittun.

  7. A
    Anna

    Danke Anja!
    Wechsel mal lieber nicht den Beruf, sonst hättest Du ja viel weniger Themen;-)
    Es ist so wichtig auch mal diese Seite des Hebammendilemmas zu beleuchten. Es ist unglaublich was sich die Kassen teilweise raus nehmen, bei mir ist es auch die T. Ich arbeite hauptsächlich in HH, habe von meinem kleinen Dorf eine einfache Wegstrecke von < 20 km. Der eklatante Mangel an Hebammen in Großstädten dürfte eigentlich hinreichend bekannt sein, wird aber von der T und A eiskalt ausgesessen. In einem Schreiben eines Sachbearbeiters der A an mich hieß es wortwörtlich, dass von einem Hebammenmangel keine Rede sein kann und sie deshalb die zusätzlichen Fahrtkosten nicht übernehmen.
    Danke, da hab ich der KK dann ca.250€ geschenkt!

  8. E
    Eva

    Liebe Anja!

    Danke, das hast Du sehr gut zusammemgefasst!
    Ich ärgere mich gerade altuell über eine Kürzung der T.. (wie soll es anders sein?), die mir bei einer Stillberatung das Wegegeld (6,60€) weggekürzt hat.
    Begründung am Telefon war:
    „Sie haben diese Leistung binnen weniger als einer Stunde nach Rückbildungskurs abgerechnet. Das geht aber nicht!“

    Es ist unglaublich! Ich streite noch mit denen darüber, denn es entbehrt jeder Grundlage!
    Soll ich in Zukunft nach der Rückbildung eine Stunde untätig herumsitzen?

    Eva

    1. A
      Anja

      Liebe Eva,

      das ist ja echt mehr als absurd!!! Genau- nach der „überbezahlten“ Rückbildung auch noch eine Stunde Arbeitsverbot!! Es wird immer bekloppter…

      Liebe Grüße, Anja

  9. L

    Liebe Anja,
    es ist einfach eine Schande. Bei den Hebammen allemal !
    Ich kenne es bei uns aus der Firma, Abrechnung physiotherapeutischer Leistungen u.ä., da wird gestrichen im Irrsinn.
    Beim Finanzamt ist es so, dass Beträge unter X nicht abgerechnet werden, einfach weil der Aufwand in keinem Verhältnis steht (sh. Briefporto).
    Verrückt.
    Und dass die Mitarbeiter offensichtlich nichtmal wissen, was im Gesetz steht, ist einfach eine Schande.

    Ja, @Jana, den berechtigten WIderspruch sollte man wirklich schon aus Prinzip einlegen – denn im Grunde spekuliert dieses Vorgehen ja darauf, dass die meisten sich die Mühe nicht machen, weil es eben zeitlich in keinem Verhältnis steht.

    LG
    Lena

  10. J

    Liebe Anja, Danke für den Post! Ich kann dem nur zustimmen. Mir wird zur Zeit jede (!) Rechnung gekürzt. Ein Schelm, wer böses dabei denkt. Und ja, oft ist mir die Zeit für den berechtigten Wiederspruch echt zu schade. Obwohl man das natürlich schon aus Prinzip machen sollte. Ich wette, wenn alle Hebammen ihre gekürzten Reste nochmals einreichen würden, wären das Unsummen.
    Vielleicht sollten wir das an einem Stichtag mal alle tun…

    LG
    Jana

    1. K
      Katharina

      Ja, macht das, bitte!
      Alle an einem bestimmten Tag die gekürzten Reste nochmal einreichen – und darüber twittern und fben und: es in Kopie an Herrn Gröhe schicken!
      Ich schlage den 1.7. vor . der Tag des neunen Hebammenversicherungsjahres

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert