Fragen an die Hebamme: Wie warm muss ich das Baby anziehen?

Unsere älteste Tochter wurde Ende Juni geboren. Es war ein richtig warmer Sommer in den ersten Wochen nach ihrer Geburt. Damals entstand folgendes Bild: Eine sehr dünn bekleidete Mutter mit Schweißperlen auf der Stirn hält ein rotwangiges Baby mit einer schönen warmen Wolljacke nebst aufgesetzter Kapuze auf dem Arm. Das unter der Kapuze noch ein Baumwollmützchen war, sieht man zum Glück auf dem Foto nicht. Ich glaube, Christian hatte mehrmals Einspruch erhoben, bevor wir das Haus verließen. Aber in unserem Fall bin doch schließlich ich als Hebamme die „Babyexpertin“. 

Nun… das Wissen, dass das Baby aus einer konstant circa 37 Grad warmen Umgebung in der Gebärmutter kommt, macht das Einschätzen des extrauterinen Wärmebedürfnisses aber nicht unbedingt leichter. Und die Frage, was man dem Baby also am besten anzieht, kommt bei jeder Wochenbettbetreuung auf. Meistens fragen Eltern schon in der Schwangerschaft danach. Diese Frage stellt sich übrigens für drinnen und draußen gleichermaßen.

Eltern sind die besten Wärmflaschen

Doch neben dem Wetter spielen viele Faktoren eine Rolle bei der Entscheidung. In der leicht zugigen Altbauwohnung im Erdgeschoss braucht es sicher eine Schicht mehr als in einer oft genug überhitzten Dachgeschosswohnung im Sommer. Ein zarteres und vielleicht etwas früher geborenes Baby wird ein höheres Wärmebedürfnis haben als ein großes, reifgeborenes Kind. Eine dichte Haarpracht isoliert etwas mehr als gar keine Haare

Zudem scheint es immer wieder „Trendphasen“ zu geben. Vor ein paar Jahren waren noch alle Babys im Wochenbett in mehrlagigen Woll- oder Woll-Seide-Schichten plus wolligem Mützchen verpackt. Und das Baby war zusätzlich noch eingewickelt in die handgestrickte Puckdecke. Dann wurde im Kontext der plötzlichen Kindstods-Prävention (SIDS) noch mal deutlich vor einer Überwärmung gewarnt. In der Folge war dann wieder ein Teil der Babys manchmal eher ein bisschen zu kühl angezogen – in dem elterlichen Bemühen, es „richtig“ zu machen. Es ist ja auch eine große Verantwortung dafür zu sorgen, dass diesem kleinen, neu geborenen Menschlein weder zu kalt noch zu warm ist.

Die Eltern selbst haben sich an dieser Stelle übrigens als die „besten Wärmflaschen“ bewährt. Selbst bei zu früh geborenen Babys lässt sich beobachten, dass deren Körpertemperatur sich im direkten Haut-zu-Haut-Kontakt (Skin-to-Skin-Care, Kangaroo-Care oder Känguru-Methode) stabilisiert.

Auch Babys schwitzen

Am Anfang können Kinder ihren Wärmehaushalt noch nicht selbst angemessen regulieren. Regulierende Körperfunktionen wie adäquates Schwitzen bei zu großer Hitze oder Zittern zur Wärmeerzeugung bei Kälte funktionieren bei einem Baby noch nicht entsprechend. Babys sind also in Bezug auf ihr Wärmebedürfnis sehr auf die Einschätzung der Bezugspersonen angewiesen.

Die Händchen fühlen sich meist generell kälter an als der restliche Körper. Besser fühlt man am besten an der Haut zwischen den Schulterblättern oder im Nacken nach. Wenn das Kind da angenehm warm, aber nicht schwitzig ist, passt es meist. Die Schweißdrüsen sind nach der Geburt noch in der Entwicklung. Das führt dazu, dass die Funktion noch nicht ausgereift ist. Dennoch können Babys schwitzen, zum Beispiel beim Stillen oder auch beim Weinen. Manchmal auch ohne ersichtlichen Grund.

Das Schwitzen bei Babys kann neben einer Überwärmung als Ursache auch hormonell bedingt sein oder bei beginnenden Infekten auftreten. In seltenen Fällen kann vermehrtes Schwitzen ohne erkennbare Ursache auch Hinweis auf einen Herzfehler sein. Eine erhöhte Atemfrequenz, Trinkschwierigkeiten, Müdigkeit oder bläulich verfärbte Haut können weitere Hinweise sein. Natürlich sollten Auffälligkeiten immer kinderärztlich abgeklärt werden.

Hitzepickelchen sind harmlos

Die empfindliche Babyhaut reagiert manchmal mit Hitzepickelchen auf die Überwärmung, weil die winzigen Schweißdrüsen blockiert werden. Diese kleinen Frieseln treten meist in Hautfalten und an bedeckten Körperstellen auf. Nicht atmungsaktive Kleidung oder Bezüge (in der Autoschale) aus synthetischen Materialien begünstigen die durch Überwärmung entstehenden Pickelchen.

Hitzepickel sind nicht gefährlich und verschwinden meist recht zügig wieder. Sie verursachen keine Schmerzen, können aber manchmal zu Juckreiz führen. Das macht sich durch vermehrte Unruhe oder Weinen des Babys bemerkbar. Am besten verzichtet man im betroffenen Bereich ganz auf Pflegeprodukte wie Salben oder Lotionen, um die Poren nicht weiter zu verstopfen. Bei Juckreiz kann das Auftupfen von etwas Muttermilch oder einer dünnen Schicht (zinkhaltiger) Windelcreme lindernd wirken.

Zwiebelprinzip hat sich bewährt

Grob lässt sich sagen, dass Babys etwa eine Schicht mehr Kleidung tragen sollten als die Eltern. Bei sehr kalten Temperaturen ist ein Baby am besten unter der elterlichen Jacke im Tragetuch oder in der Komforttrage aufgehoben. Mit einer Jacken-Erweiterung kann man auch die bisherige eigenen Winterjacke weiter anziehen. Das Baby profitiert von der Körperwärme der Eltern und ist gleichzeitig windgeschützt. Das Warmhalten des Kindes ist umso wichtiger, je kleiner und weniger aktiv es ist. Statt einzelner dicker Kleidungsstücke bewährt sich das Zwiebelprinzip, bei dem einem Baby je nach Bedarf eine Schicht mehr oder weniger an- und ausgezogen werden kann.

Bei der Auswahl der Kleidungsmaterialien sollte beachtet werden, dass diese atmungsaktiv sind. Nicht vegane Materialien wie Wolle oder Seide haben sehr gute temperaturausgleichende Eigenschaften und sind von daher sehr gut für die Babys zu allen Jahreszeiten geeignet.

Da der Kopf eines Babys im Vergleich zur restlichen Körperoberfläche sehr groß ist, geht auch viel Körperwärme darüber verloren. Ein zur Jahreszeit oder Raumtemperatur passendes Mützchen ist für Babys generell empfohlen, aber vor allem für Neugeborene wichtig. Zum Stillen sollte es aber abgenommen werden. Ebenso ist es für den Nachtschlaf nicht empfohlen. Aber auch hier muss man immer individuell das Kind und die Umstände beurteilen, wann das Mützchen angebracht ist.

Erkältungen kommen nicht durch Kälte

Im Sommer verlagert sich das Bekleidungsproblem in Richtung Sonnenschutz. Da Sonnencreme für die empfindliche Babyhaut nicht unbedingt die erste Wahl ist, ist dünne aber lange Kleidung für draußen sinnvoll. Kleidung mit entsprechendem UV-Schutz ist auch eine gute Option – gerade für bereits mobilere Kinder. Kleine Babys gehören auf jeden Fall im Sommer in den Schatten, wo sie aber trotzdem vor der Sonnenstrahlung geschützt werden sollten. Ein dünnes Sonnenhütchen mit breiter Krempe oder Nackenschutz auf dem Kopf ist sinnvoll.

Es gibt also keine einfache und keine pauschale Antwort auf die Frage, was das Baby nun anziehen soll. Das wird auch die Kindheit über so bleiben. Der elterliche Satz „Zieh Dir eine Jacke an – mir ist kalt“ bringt es ganz gut auf den Punkt. Oftmals ist es nicht einfach, das Wärmebedürfnis für sein Kind einzuschätzen, selbst wenn dieses schon sprechen kann. Die Sorge, dass dem Kind zu warm ist oder es sich erkältet, bleibt weit über die Babyzeit hinaus. Zum Glück sind Kinder robuster als wir Eltern denken.

Und eine Erkältung kommt übrigens nicht durch Kälte, sondern durch Viren zustande. Natürlich ist ein Körper, der ständig viel Energie zum Warmhalten aufbringen muss, anfälliger für jegliche Infekte. Doch in der Regel hat der erste Schnupfen des Babys nichts mit der nicht angezogenen Merinowollwalkfleecejacke zu tun. 

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Kommentare

Eine Antwort zu „Fragen an die Hebamme: Wie warm muss ich das Baby anziehen?“

  1. I
    Ivana

    „Ein Baby kann nie zu warm angezogen sein!“ sagte meine Hebamme immer. Ich beschloss das diese Aussage blödsinn ist als ich mein armes verschwitzes Baby von zahllosen Schichten Klamotten und Decken befreite (frischgebackene Mama und absolut keine Ahnung von Babys). Ich darf mir bei jeder Familienfeier anhören das ich dem Baby doch bitte was anziehen soll, ihr sei bestimmt kalt. Es wäre mir wirklich neu das jemand (auch ein Baby) bei 27° Außentemperatur erfroren ist.
    Das prinzip „Eine Schicht mehr als man selber trägt“ hat sich ganz gut bewährt. Trage ich ein Tanktop und kurze Hosen, trägt das Baby ein T-shirt, kurze Hosen und bekommt im Kinderwagen eine dünne Decke drüber. Ihr geht es wunderbar. Sie lebt. Immernoch nicht erfroren.
    Ich finde diese Kommentare von außen verunsichern eine Mutter und lassen sie an ihrer Intuition zweifeln und an dem das sie weiß was ihr Baby braucht.

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