Wenn Frauen von „ihren Sturzgeburten“ erzählen, ist oft etwas anderes gemeint, als die geburtshilfliche Definition von Sturzgeburt. Eine solche ist dadurch gekennzeichnet, dass das Baby bei der Geburt tatsächlich auf den Boden bzw. die vorhandene Unterlage fällt. Diese Situation birgt eine Verletzungsgefahr für das Baby, sogar die Nabelschnur kann dabei abreißen.
Der Begriff Sturzgeburt definiert also nicht die Geburtsdauer. So kann es auch bei einer mehr oder weniger langen Wehentätigkeit zu einer Sturzgeburt kommen – eben dann, wenn es zum Fall des Babys kommt. Diese Situation tritt sehr selten auf, da sich Gebärende meist instinktiv in eine entsprechende Position begeben. Oder sie halten das Baby selbst in einer sehr überraschenden Geburtssituation mit den eigenen Händen fest, so dass ein Fallen verhindert wird.
Weitaus häufiger kommt es zu einer sogenannten überstürzten Geburt (Partus praecipitatus). Dieser Begriff bezeichnet eine ungewöhnlich schnell verlaufende Geburt. Auch wenn sich Geburtsverläufe zeitlich schwer festlegen lassen, wird bei einer Geburtsdauer von unter drei Stunden ab der ersten Wehe bis zur Geburt des Kindes von der überschnellen oder überstürzten Geburt gesprochen. Da auch die Wahrnehmung der Wehen von Frau zur Frau stark variiert, lässt sich das alles zeitlich final nicht exakt sagen. Die Häufigkeit von überstürzten Geburten wird mit ein bis 17 Prozent angegeben. Abhängig ist es das Auftreten auch davon, wie oft eine Frau zuvor schon geboren hat.
Keine „einfache“ Geburt
Ursache der überstürzten Geburt ist ein geringer Weichteilwiderstand. Das bedeutet, dass die Geburtswege sehr weich und nachgiebig sind. Außerdem ist die Gebärmutter bei überstürzten Geburten besonders aktiv. Die Wehen kommen besonders häufig bzw. sind sie besonders intensiv.
Müttern, die eine überschnelle Geburt erlebt haben, wird oft gesagt „Da hast du es ja gut gehabt“, wenn sie erzählen, dass das Baby nach nur ein oder zwei Wehenstunden da war. Oftmals empfinden die Frauen es aber selbst ganz anders. Denn viele fühlen sich von dem schnellen Tempo der Wehen „überrollt“. Es bleibt nicht, wie sonst bei Geburten, ausreichend Zeit, sich nach und nach auf den Rhythmus und die Intensität einzustellen.
Das unterstützende, körpereigene Hormonsystem kommt in dieser Situation auch nicht hinterher. Für viele schmerzlindernde Maßnahmen bleibt keine Zeit. Es ist also nicht immer die „einfachere“ Geburt, nur weil es besonders schnell geht. Es ist wichtig, dass jede Frau Raum und Zeit bekommt, das Geburtsgeschehen für sich gut zu verarbeiten. Egal, wie lang oder kurz die Geburt gedauert hat.
Überaktive Gebärmutter
Eventuell wird bei einer überstürzten Geburt das Kind mit einer einzigen Presswehe geboren. Das lässt dem Gewebe der Geburtswege nur wenig Zeit, sich an die Dehnung anzupassen. Darum ist auch das Risiko für Geburtsverletzungen erhöht. Außerdem können atonische Nachblutungen eine Folge der überaktiven Gebärmutter sein. Aber nicht nur für die Mutter, auch für das Baby kann eine allzu schnelle Geburt Stress bedeuten. So braucht das Baby etwas länger oder eventuell auch etwas medizinische Unterstützung, um sich nach der Geburt an die neuen Bedingungen anzupassen.
Natürlich spielt auch eine Rolle, wo die überstürzte Geburt stattfindet. Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen einer sehr plötzlichen Geburt allein im Auto mitten im Winter oder in fachlicher Begleitung am selbst gewählten Geburtsort. Es sind viele Faktoren, die bei überstürzten Geburten mitentscheiden, wie es der Frau aber auch dem Partner oder der Partnerin damit anschließend geht
Vorbereitung auf die nächste Geburt
Die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung nach einer überstürzten Geburt ist recht hoch. Deshalb kann es sein, dass einer Frau beim nächsten Kind eine Einleitung in zeitlicher Nähe des errechneten Termins empfohlen wird. Das gilt besonders dann, wenn zuvor Komplikationen aufgetreten sind. Diese Empfehlungen sind natürlich immer individuell abzuwägen.
Vielleicht ist es nach einer überstürzten Geburt sinnvoll, beim nächsten Kind die Option einer (begleiteten) Hausgeburt in Betracht zu ziehen, wenn die Gefahr besteht, dass der Weg zum gewählten Geburtsort zu lange dauern könnte. Bei überschnellen Geburten kann natürlich auch die Hebamme „zu spät“ kommen. Aber es ist wahrscheinlich dennoch entspannter für die Situation, wenn die Eltern wissen, dass die Hebamme auf dem Weg und gleich da ist.
Die Situation der ungeplanten, überraschenden Hausgeburt sollte mit allen werdenden Eltern in der Geburtsvorbereitung einmal durchgesprochen werden, um im Fall der Fälle dennoch „in Ruhe“ gebären zu können und die Zeit zu überbrücken, bis die gewünschte Unterstützung vor Ort ist. Wirkliche Sturzgeburten sind wie gesagt sehr selten vorkommende Ereignisse, so dass hier oftmals also eher die überschnelle oder überstürzte Geburt gemeint ist.
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