Diabetes ist eine Volkskrankheit, die in unterschiedlichen Formen und durch verschiedene Ursachen junge und ältere Menschen treffen kann. Doch wie sieht es mit dem Schwangerschaftsdiabetes aus? 2021 waren 8,5 % aller Schwangeren in Deutschland von dieser Zuckerstoffwechselstörung betroffen. Woran erkennt man den so genannten Gestationsdiabetes? Gibt es Risiken und begünstigende Faktoren?
In einer Schwangerschaft verändert sich nicht nur der Körper äußerlich, in dem der Bauch wächst. Es finden auch im Körper zahlreiche Veränderungen statt, so zum Beispiel bei den Hormonen und dem Stoffwechsel.
Die Schwangerschaftshormone bewirken unter anderem, dass der Körper Zucker anders verarbeitet als im nicht-schwangeren Zustand. Dies kann dazu führen, dass sich ein Schwangerschaftsdiabetes, auch Gestationsdiabetes genannt, entwickelt.
Verlangsamte Aufnahme von Zucker
Bei allen Menschen steigt der Blutzuckerspiegel, wenn sie etwas essen. Daraufhin wird von der Bauchspeicheldrüse Insulin gebildet – damit kann der Zucker aus dem Blut in die Körperzellen aufgenommen werden. In der Schwangerschaft läuft diese Zuckeraufnahme verlangsamt – Fachleute nennen das Insulinresistenz.
Diese Resistenz nimmt im Laufe der Schwangerschaft zu. Und damit auch die Menge Zucker, die nach dem Essen im Blut bleibt. Da Mutter und Kind versorgt werden müssen, ergibt das durchaus Sinn. So wird der höhere Blutzuckerspiegel bei den meisten Schwangeren ganz normal abgebaut, zusätzlich produziert der schwangere Körper mehr Insulin.
Bei den meisten Schwangeren verläuft dieses veränderte Zusammenspiel unproblematisch. Bei 9 bis 10 von 100 Frauen schafft es der Körper nicht, mehr Insulin zu produzieren. Wenn die Blutzuckerwerte dauerhaft erhöht sind, wird von einem Schwangerschaftsdiabetes gesprochen.
Ist Schwangerschaftsdiabetes eine Krankheit?
Wenn die Diagnose Schwangerschaftsdiabetes gestellt wird, sind viele Schwangere besorgt und verunsichert. Mit Diabetes wird eine Krankheit verbunden, die das Leben einschränkt und ein Leben lang anhält. Doch mit dieser Volkskrankheit, die als Typ 1 bei jungen Menschen als Autoimmunerkrankung und als Typ 2 alters- und lebensstilbedingt auftritt, hat der Gestationsdiabetes nichts zu tun.
Unter Fachleuten wird diskutiert, ob es nicht passender wäre, von einer Störung des Zuckerstoffwechsels zu sprechen. Denn die veränderten Blutzuckerwerte in der Schwangerschaft haben ja eine andere Ursache als bei einem Diabetes bei nicht-schwangeren Menschen. Bei den meisten Frauen verschwindet der Diabetes nach der Schwangerschaft wieder. Und dennoch müssen Schwangere, die Probleme mit der Blutzuckerverarbeitung und Insulinproduktion haben, besonders betreut und überwacht werden.
Probleme für Mutter und Kind
Wenn der Blutzuckerspiegel bei der Mutter schwankt oder dauerhaft erhöht ist, wirkt sich das auch auf das Ungeborene aus. Die Babys reagieren mit einer stärkeren Gewichtszunahme, die Komplikationen bei der Geburt bedeuten kann. Ein Geburtsgewicht über 4000 Gramm kann dazu führen, dass es zu einer Schulterdystokie kommt. Hierbei verhakt sich die Schulter des Babys im mütterlichen Becken, wenn der Kopf schon geboren ist. Bei Babys mit hohem Geburtsgewicht ist das Risiko von Geburtsverletzungen bei der Mutter und von ungeplanten Kaiserschnitten erhöht.
Bleibt ein Schwangerschaftsdiabetes unbehandelt, steigt für die Mutter das Risiko, eine Präeklampsie (hypertensive Schwangerschaftserkrankung) oder nach der Schwangerschaft einen manifesten Diabetes zu entwickeln.
Nach der Geburt ist es in den ersten Stunden wichtig, den Blutzuckerspiegel des Babys regelmäßig zu kontrollieren. Manche Neugeborene von Müttern mit Schwangerschaftsdiabetes haben zunächst Schwierigkeiten, ihren Blutzuckerlevel zu halten. Ein frühes Anlegen an die Brust ist sehr hilfreich und/oder ein Füttern von Kolostrum, das bereits in der Schwangerschaft mit einer Kolostrummassage gewonnen wurde.
Eine Art Stresstest
Manche Frauen bringen aus ihrer Anamnese Risikofaktoren mit, die einen Schwangerschaftsdiabetes begünstigen können. Dazu gehören Mehrgewicht, ein Geschwisterkind, das mit mehr als 4500g geboren wurde, ein Familienmitglied mit Diabetes oder eine Herkunft aus Afrika, Süd- und Ostasien oder dem Mittleren Osten.
Doch eine Zuckerstoffwechselstörung kann auch bei Schwangeren ohne jegliche Risikofaktoren auftreten. Daher empfiehlt die ärztliche Leitlinie allen Schwangeren, zwischen der 24. und 28. SSW einen Test durchführen zu lassen. Diesen freiwillige Test gibt es in einer kleinen und großen Form. Die Mutterschaftsrichtlinien empfehlen den kleinen Glucosetoleranztest (GTT), bei dem die Schwangere (im nicht nüchternen Zustand) 50 Gramm Glucose, aufgelöst in 200 Milliliter Wasser, trinkt und nach einer Stunde Blut abgenommen bekommt.
Liegt der Zuckerwert unterhalb des Grenzwertes, ist davon auszugehen, dass kein Schwangerschaftsdiabetes vorliegt. Ist der Wert erhöht, wird die Durchführung eines großen Tests empfohlen. Dabei kommt die Schwangere nüchtern in die gynäkologische Praxis, bekommt ein erstes Mal Blut abgenommen und trinkt nun 75 Gramm Glucose, wieder aufgelöst in 200 Milliliter Wasser. Es folgen zwei weitere Blutentnahmen, nach einer und nach zwei Stunden. Dieser Test ist in beiden Formen eine Art Stresstest für den Körper. Auch wenn der Stoffwechsel in der Schwangerschaft verändert ist, sollte der schwangere Körper in der Lage sein, diese Menge an Zucker zu verarbeiten.
Ausführliche Beratung
Ergibt der große Zuckertest ein oder mehrere erhöhte Werte, steht die Definition „Schwangerschaftsdiabetes“ fest. Es besteht aber auf keinen Fall Anlass zur Panik. Es sollte auf jeden Fall individuell geschaut werden, welche Werte wie hoch erhöht sind. Hier gibt es eine große Spannbreite und daher ist eine ausführliche Beratung wichtig. Diese sollte in einer diabetologischen Praxis oder einer speziellen Abteilung eines Krankenhauses erfolgen.
Unter Fachleuten ist die Festlegung der Grenzwerte nicht unumstritten. Zwar zeigen Studien, dass Risiken steigen, je höher die Blutzuckerwerte sind. Doch die Grenzwerte des kleinen und des großen Tests wurden von einem Expert*innen-Gremium mehr oder weniger willkürlich und eher niedrig festgelegt. Daher gibt es die Vermutung, dass Schwangere mit leicht erhöhten Werten zu Unrecht als Risikoschwangere eingestuft werden.
Ernährung und Bewegung
Einen großen Anteil in der Beratung sollte die Ernährungsberatung bilden. Wird ein Gestationsdiabetes diagnostiziert, bekommt die Schwangere ein Blutzuckermessgerät und wird gebeten, über mehrere Tage ihre Ernährung zu protokollieren und mehrmals am Tag ihren Blutzuckerwert zu ermitteln. Was sich nach lästiger Arbeit anhört, kann durchaus ein interessanter Erkenntnisgewinn sein. Nicht immer bewirken die vermeintlich ungesunden Lebensmittel die erwartete Erhöhung der Werte. Auch kommt es auf die Kombination verschiedener Lebensmittel an.
In den meisten Fällen hilft die Ernährungsumstellung dabei, die Blutzuckerwerte im normalen Bereich zu stabilisieren. Nur wenn die Werte auf sehr hohem Niveau bleiben, muss die Schwangere mit Insulin behandelt werden.
Regelmäßige Bewegung ist ein zweiter Aspekt, dem man bei einer Zuckerstoffwechselstörung in der Schwangerschaft Beachtung schenken sollte. So zeigen Blutzuckermessungen, dass es einen Unterschied macht, ob nach einer Mahlzeit ein Spaziergang oder eine andere körperliche Betätigung eingeplant wird. Nicht zuletzt kann es hilfreich sein, Stress im Arbeits- und Familienalltag zu reduzieren. Das Stresshormon Adrenalin ist ein Gegenspieler des Insulins. Regelmäßige anstrengende Situationen können zu erhöhten Blutzuckerwerten führen. Ein achtsamer Umgang mit sich selbst im Alltag mit regelmäßigen Ruhepausen und Entspannungsmomenten wie z.B. Massagen kann hilfreich sein.
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