Nicht selten beginnen Geburten ganz anders als gedacht. Wie du den Geburtsbeginn erkennst, gut durch die Latenzphase kommst ist und was in dieser frühen Phase der Geburt helfen kann, erklärt dir dieser Beitrag. Zu folgenden Aspekten erhältst du ausführliche Informationen:
- Geburtswirksame Wehen führen zur Eröffnung des Muttermundes
- Bereits in der Schwangerschaft gibt es Wehen, die aber unregelmäßig und nicht schmerzhaft sind – sie fördern die Durchblutung und sind eine Art Training des Uterus (Gebärmutter), haben aber keinen Einfluss auf die Verkürzung oder Eröffnung der Cervix (Gebärmutterhals)
- Drei bis bis vier Wochen vor der Geburt können Senkwehen spürbar sein
- Die Latenzphase gehört zum Geburtsbeginn und ist durch schon regelmäßigere und deutlich spürbarere Wehen gekennzeichnet – dennoch kann es noch zu größeren Pausen kommen
- Die Wehen in der Latenzphase sorgen für ein Weichwerden des Gewebes, so dass sich die Cervix verkürzt und sich der Muttermund dann gut öffnen kann
Die allgemein gültige Vorstellung und Erwartungshaltung ist, dass Wehen die Funktion haben, den Muttermund zu öffnen und das Baby durch die Geburtswege zu schieben.
Wehen in der Schwangerschaft
Dabei gibt es bereits in der Schwangerschaft Wehen, die eine andere Funktion haben, etwa die so genannten Braxton-Hicks-Kontraktionen, die etwa ab der 20. Schwangerschaftswoche auftreten. Es sind lokale unregelmäßige Kontraktionen in der Gebärmutter. Sie erleichtern den Blutfluss in Uterus und Plazenta und führen so zu einer besseren Sauerstoffversorgung des Babys. Sie treten unregelmäßig auf und werden meist nicht als schmerzhaft wahrgenommen. Diese Kontraktionen führen nicht zur Eröffnung des Muttermundes.
Etwa drei bis vier Wochen vor der Geburt können etwas deutlicher spürbare Kontraktionen auftreten, auch Senkwehen genannt. Diese Wehen sorgen vor allem bei Erstgebärenden dafür, dass der vorangehende Teil, meist das Köpfchen des Babys, tiefer tritt. So findet das Baby eine für die Geburt günstige Ausgangsposition.
Oft ist auch nach dem Auftreten dieser Senkwehen von außen zu sehen, dass sich der Bauch abgesenkt hat. Einige Frauen nehmen dadurch auch wieder mehr Raum im Brustkorbbereich wahr, wo hingegen sich der Druck auf die Harnblase erhöhen kann.
Den Geburtsbeginn erkennen
Wenn der Geburtszeitraum angebrochen ist, werden meist alle körperlichen Empfindungen und Vorkommnisse besonders erwartungsvoll analysiert. So kann ein Ziehen von der Schwere des mittlerweile großen Bauches auf alle Rumpfstrukturen kommen. Es könnte aber auch der erste zarte Wehenbeginn sein. Manchmal gibt es Vorboten wie den „Schleimpropfabgang“. Dabei löst sich der die Cervix verschließende Schleim als festerer, aber dennoch glibbrigerAusfluss in einer größeren Menge.
Der Abgang von Flüssigkeit kann ein unwillkürlicher Harnverlust, aber auch ebenso ein Blasensprung sein, weswegen hier bei Unklarheit immer eine Abklärung erforderlich ist. Sollten unklare Flüssigkeit bzw. Fruchtwasser abgehen, wende dich immer an deine betreuende Hebamme oder die Geburtsklinik, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Fruchtwasser muss nicht immer schwallartig fließen, sondern kann auch nach und nach immer wieder herauslaufen.
Weder Blasensprung noch Wehenbeginn sind oftmals so eindeutig zu identifizieren, wie es in Filmen gerne dargestellt wird. Das Auftreten von Wehen kann anfangs zart und vor allem unregelmäßig sein, so dass du dich fragst, ob es nun los geht. Vielleicht muss du auch schon beim Auftreten der Wehen innehalten und etwas bewusster atmen. Vielleicht ist das Ziehen dann plötzlich wieder ganz weg. Und es tritt erst nach ein paar Stunden oder sogar Tagen erneut auf.
Latenzphase gehört zum Geburtsbeginn
All dies ist ganz normal. Zum Gebären gehört oft noch mal viel Geduld – genau wie beim Kinderwunsch oder auch immer wieder in Phasen der Schwangerschaft.
Es ist wichtig zu wissen, dass diese Latenzphase auch zum Geburtsbeginn gehört. Diese tritt vornehmlich bei Erstgebärenden auf – aber nicht ausschließlich. Die Schwangere hat deutlich spürbare und wiederkehrende Wehen. Diese treten in noch sehr unregelmäßigen Abständen auf, vielleicht alle zwölf bis 15 Minuten. Die Wehen der Latenzphase führen aber noch nicht direkt zur Eröffnung des Muttermundes.
Meist gibt es aber die Erwartung, dass die aufgetretenen schon regelmäßigeren und deutlich spürbareren Wehen auch zu einer Muttermundseröffnung führen müssten. Oft ist die Enttäuschung bei den Frauen groß, wenn sich bei einer vaginalen Untersuchung nach mehreren Wehenstunden zeigt, dass der Mutttermund noch geschlossen oder nur minimal geöffnet ist
Vorbereitung aufs Gebären
Trotzdem hat diese besondere Phase der frühen Eröffnungsperiode eine wichtige Funktion. Zum einen bereitet sie die Schwangere auf die bald anstehende Geburt und die Geburtsarbeit vor. Zum anderen bereitet sie das Gewebe auf die anstehende Eröffnung des Muttermundes vor. Denn gerade beim ersten Kind ist dies eine ganz neue Herausforderung für den Körper.
Hebammenprofessorin Christiane Schwarz erklärte es in einem Vortrag passend am Beispiel von Kinderknete. Diese wirkt auch erst einmal fest und unflexibel, wenn man sie aus der Verpackung holt. Knetet man sie aber mit warmen Händen schön weich, lässt sie sich in alle Richtungen wunderbar dehnen und formen.
Die Wehen in der Latenzphase machen also das Gewebe schön weich und geschmeidig, damit sich dann in der aktiven Geburtsphase der Muttermund entsprechend öffnet. Der Gebärmutterhals verkürzt sich und bereitet so allmählich das Öffnen des Muttermundes vor. Manchmal tritt auch eine Zeichnungsblutung in dieser frühen Geburtsphase auf.
Notwendige Arbeit des Körpers
Die Latenzphase kann über viele Stunden gehen und damit auch sehr ermüdend und zermürbend für die Schwangere sein. Untersuchungen geben eine sehr unterschiedliche Dauer von einer bis zu 44 Stunden an. Viele Frauen sind nicht unbedingt auf eine so lange Zeit vorbereitet, in der sie immer wieder deutlich spürbare Wehen haben, die zum Beispiel auch den Schlaf unterbrechen.
Bei manchen Gebärenden zieht sich die Latenzphase also sogar über mehrere Tage hin. Die Frau hat dann oft über Stunden spürbare Wehen, die dann vielleicht auch wieder für Stunden ganz aufhören. Das kann natürlich sehr erschöpfend und auch frustrierend sein. Wenn einer schwangeren Frau jedoch bewusst ist, dass hier der Körper schon eine wichtige und notwendige Arbeit macht, lässt sich diese Geburtsphase leichter annehmen.
Das Wichtigste ist es bei so einem langen Verlauf, gut mit den eigenen Kräften zu haushalten, damit dann davon noch genug da ist, wenn die eigentliche aktive Eröffnungsphase ansteht.
Wie du gut durch die Latenzphase gehst
Um gut durch die Zeit des frühen Geburtsbeginns zu kommen, gibt es ein paar Dinge zu beachten. Hol dir immer Unterstützung, wenn du sie brauchst oder dich unsicher fühlst. Eine vertraute Person in der Nähe gibt den meisten Frauen in der Latenzphase ein gutes Gefühl. Du kannst deine Hebamme kontaktieren, mit der du die Geburtsbegleitung geplant hast. Vielleicht kann sie dir telefonisch weiterhelfen. Vielleicht ist auch ein Hausbesuch oder ein vereinbarter Besuch in der Klinik oder im Geburtshaus sinnvoll.
Wenn es mitten in der Nacht ist, wäge ab, was du gerade brauchst. Möchtest du deine Hebamme einfach nur informieren, dass es vielleicht los geht? Oder hast du das Gefühl, dass du wirklich Unterstützung beim Umgang mit der Situation brauchst? In ersterem Fall lass deine Hebamme weiterschlafen und melde dich besser dann, wenn du sie wirklich brauchst. Gut ist es, wenn ihr vorab ein Vorgehen für solche Situationen vereinbart hat. Höre auf dein Gefühl. Es wird dir sagen, was du zu welchem Zeitpunkt braucht. Hilfreich sind außerdem folgende Aspekte:
• Den Sinn dahinter verstehen: Sei dir darüber bewusst, dass die Latenzphase mit zur Geburt gehört. Die in dieser Zeit verarbeiteten Wehen sind nicht „umsonst“. Sie bereiten auf die für die Geburt erforderliche Muttermunderöffnung vor. Der Gebärmutterhals verkürzt sich und das Gewebe rund um den Muttermund wird weich und nachgiebig. Es ist gut, wenn Frauen vorab zum Beispiel im Geburtsvorbereitungskurs davon gehört haben. So kann man das Geschehen besser einordnen und annehmen.
Dynamik der Geburt sehen
• Auf das Geschehen einlassen: Die Latenzphase bereitet dich langsam auf die Dynamik einer Geburt vor. Du kannst jetzt ausprobieren, was dir gut tut unter den Wehen. Konzentriere dich auf deinen Atem. Probiere aus, welche Bewegungen und Positionen sich jetzt gut anfühlen. Unter der Geburt wirst du dich nur um dich und das Geschehen in deinem Körper kümmern. Und auch jetzt bemerkst du vielleicht schon, wie jede Wehe dich nur in diesem Moment sein lässt. Setze deine Prioritäten entsprechend.
• Den Kopf frei bekommen: Auch der Kopf muss frei sein zum Gebären. Vielleicht gibt es etwas, das dich mental beschäftigt und vielleicht noch davon abhält, dich ganz auf die Geburt einzulassen. Oder es gibt etwas, dass du unbedingt vorab konkret erledigen möchtest. Manchmal hilft ein Gespräch darüber. Oder du musst vorab tatsächlich noch etwas beenden. Ignoriere deine Sorgen oder Gedanken nicht. Versuche sie zu lösen oder loszulassen.
• Positive Ablenkung: Die Pausen in der Latenzphase sind oft noch groß. Nutze sie, um dich auszuruhen, gerade wenn du schon über viele Stunden immer wieder Wehen hast oder in der Nacht zuvor nicht gut geschlafen hast. Wenn du dich nicht ausruhen kannst oder möchtest, versuche es mit Ablenkung. Den meisten Frauen tut es gut, aktiv etwas zu tun zu haben anstatt passiv auf die nächste Wehe zu warten.
Jetzt einen Kuchen backen
Ein alter Hebammentipp ist, jetzt einen Kuchen oder ein Brot zu backen. So hast du eine ablenkende Aufgabe, die sich bei einer Wehe, die deine Aufmerksamkeit braucht, auch unterbrechen lässt. Und ihr habt gleich etwas zu essen – entweder sofort oder spätestens nach der Geburt. Auch Lesen, Handarbeiten, Kartenspiele oder Musik hören und tanzen können eine gute Ablenkung in dieser Zeit sein.
• Entspannungsmethoden ausprobieren: Probiere verschiedene Möglichkeiten aus, die zu deiner Entspannung beitragen können. Warme Bäder oder Duschen, Massagen, Entspannungsmusik. Auch Meditationen oder geführte Fantasiereisen sind hilfreich, Vielleicht hast du dir ein paar schöne Affirmationen für die Geburt überlegt und aufgeschrieben. Lies diese Sätze noch einmal und verinnerliche sie.
Beispiele für positive Geburtsaffiramtionen sind:
- Ich vertraue dem Lauf der Geburt
- Zuversicht durchströmt mich
- Vorfreude erfüllt mich
- Mein Baby und ich sind gut versorgt
- Meine Atmung gibt mir Ruhe und Kraft für die Geburtsarbeit
• Essen und trinken nicht vergessen: Vergiss nicht zu essen und zu trinken. Eine Geburt braucht Energie. Höre auf dein Gefühl, dass dir sicher sagt, was du gerade brauchst. Wenn du gerade nicht essen magst, geben dir vielleicht ein gesüßter Tee oder als Eiswürfel eingefrorener Traubensaft zum Lutschen etwas Energie.
Geburten sind nicht planbar
• Vertraute Umgebung: In der Regel ist es sinnvoller, die Latenzphase in der eigenen vertrauten Umgebung zu verbringen. Eine zu frühe Fahrt in die Klinik wirkt meist nicht förderlich auf den Geburtsprozess aus. Wenn du unsicher bist, rufe vorab im Kreißsaal an. Das Hebammenteam wird dir häufig sagen können, ob eine Fahrt in die Klinik zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll wäre. Oft ist es zu Hause entspannter als in einem gerade vollen Kreißsaal, wo du nur die Gänge lang wandernd auf eine Zunahme der Wehentätigkeit wartest.
Eine zu frühe Aufnahme in die Geburtsklinik ist zudem mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für spätere Interventionen verknüpft. Deshalb ist es meist sinnvoll, noch mal nach Hause zu fahren, wenn dir die Kreißsaalhebammen dies als Option anbieten. Und wenn die Geburt dann doch schneller vorangeht als gedacht, bist du halt eine Stunde später wieder da. Geburten sind ohnehin nicht absolut planbar. Das wissen alle Geburtshelferinnen.
Noch mehr Wissen zur Latenzphase: Die Latenzphase bekommt zum Glück immer mehr Beachtung in der Geburtshilfe und es gibt gute Ansätze für neue Betreuungsmodelle für diese besondere Phase der Geburt. Wenn du dich gerne mit Studien und wissenschaftlichen Texten zur Latenzphase auseinandersetzen möchtest, findest du hier weitere Informationen:
- Gebärenden zuhören – Sekundärdatenanalyse zur Latenzphase (Deutsche Hebammenzeitschrift 2023)
- Die Geburt beginnt im Verborgenen (Deutsche Hebammenzeitschrift 2019)
- Die Bedeutung der Latenzphase – eine historische Analyse (Thieme Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie 2016)
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