Vielen Frauen wird ihr Beckenboden erst während einer Schwangerschaft richtig bewusst – in einer Lebensphase, in der dieser Bereich des Körpers sehr gefordert ist. Der Beckenboden ist nicht nur die aus mehreren Schichten bestehende Muskulatur, die das Becken nach unten hin abschließt, sondern besteht auch aus stützenden Bindegewebsstrukturen und Bändern. Bauchorgane wie Blase, Darm und Gebärmutter werden so im kleinen Becken an Ort und Stelle halten.
Die Beckenbodenmuskeln haben während der Schwangerschaft ihre Haltefähigkeit bewiesen und sich bei der Geburt maximal gedehnt. Es dauert nun nach der Geburt einige Zeit, bis sich alle Muskeln wieder zurückgebildet haben. Gerade das von der Gebärmutter verdrängte Bindegewebe braucht ein paar Monate, um wieder in seinen Ursprungszustand zurückzufinden. Je weniger der Beckenboden in dieser Regenerationszeit belastet wird, umso besser und schneller verläuft der Rückbildungsprozess.
Entlastung des Beckenbodens
In den ersten Tagen nach der Geburt geht es daher nicht um intensives Beckenbodentraining, sondern um Entlastung und Schonung. Auch wenn in manchen Kliniken die Physiotherapeut*innen schon am zweiten Tag nach der Geburt am Bett stehen und Übungen zeigen, gilt nicht „je früher, je besser“.
Dieses Angebot ist eher dem Umstand geschuldet, dass die Verweildauer in den Kliniken mittlerweile nur noch bei zwei bis drei Tagen liegt. Und im Klinikangebot soll auch die Rückbildungsgymnastik vorkommen soll..
Die meisten Frauen haben in den ersten Tagen nach einer vaginalen Geburt kein Gefühl im Beckenbodenbereich. Das vaginale Gewebe und Vulvalippen sind durch die Geburt stark gedehnt und ödematös aufgelockert. Eventuell sind auch kleine Einblutungen, Schürfungen oder größere Geburtsverletzungen vorhanden.
Keine Beckenbodenwahrnehmung
Die damit verbundene Schwellung kann ein Taubheitsgefühl in den ersten Stunden oder Tagen nach der Geburt verursachen. Es ist also zu diesem Zeitpunkt ganz normal, dass Frauen bei leichten Übungen zur Beckenbodenwahrnehmung noch kein Gefühl dafür haben. So können die ersten Rückbildungsübungen getrost einige Tage warten.
Auch nach einem Kaiserschnitt gibt es die eingangs beschriebenen Beckenbodenveränderungen. Zusätzlich muss auf die Wundheilung der Bauchnaht Rücksicht genommen werden.
Nach jeder Geburt hat der Beckenboden Rücksicht verdient, egal wie schnell oder langsam, schwer oder leicht diese für die Gebärende verlaufen ist. In den ersten Tagen empfiehlt sich also kein umfangreiches Trainingsprogramm, sondern jede Möglichkeit zur Entlastung des Beckenbodens.
Beckenbodenfreundlicher Alltag
Es gibt einige einfache Tipps, die für einen beckenbodenfreundlichen Alltag sorgen:
- Zur Entlastung ist die Bauchlage gut geeignet – mit Rücksicht auf die Stillbrust – oder Umkehrpositionen. Dabei wird das Becken hoch gelagert, zum Beispiel durch ein Keilkissen. Die Organe werden so in den Bauchraum zurückverlagert und entlasten die Beckenbodenmuskulatur. Auch im späteren Wochenbett bewährt sich diese Beckenbodenentlastung, wenn die Mutter schon wieder mehr auf den Beinen ist und vielleicht ein unangenehmes Druckgefühl nach unten verspürt.
- Oft wird in den ersten Tagen die gefüllte Blase nicht richtig wahrgenommen, weil die „Rückmeldung“ durch die Beckenbodenmuskulatur fehlt. Daher sollte die Wöchnerin regelmäßig auf die Toilette gehen.
- Auf dem WC hilft es (auch außerhalb der Wochenbettzeit), möglichst aufrecht mit geöffneten Beinen zu sitzen. Beim Stuhlgang hat sich eine leicht gerundete Haltung bewährt. Weder beim Wasserlassen noch beim Stuhlgang sollte gedrückt oder gar gepresst werden, es sollte möglichst nur die Beckenbodengrundanspannung gelöst werden .
- Es ist es wichtig, ausreichend zu trinken und sich so zu ernähren, dass der Stuhlgang entsprechend weich ist. Die größte Herausforderung ist es wohl im Babyalltag, sich genug Zeit für den Toilettengang zu nehmen.
Beckenboden nach Kaiserschnitt
Der Beckenboden ist unmittelbar mit der unteren Bauchmuskulatur verknüpft und wird unter Druck gesetzt,wenn diese zum Beispiel durch zu enge Hosen eingeschnürt wird. Nach einem Kaiserschnitt ist der Druck auf die Narbe zusätzlich unangenehm. Lockere Kleidung im Wochenbett ist also nicht nur gemütlich, sondern schont auch den Beckenboden.
Was sich in den letzten Schwangerschaftsmonaten bewährt hat, ist auch im Wochenbett sinnvoll: das Aufstehen aus dem Liegen sollte immer über die Seite geschehen. So werden die Bauchmuskeln und damit auch der Beckenboden nicht falsch belastet.
Eine gesunde aufrechte Haltung ist nicht nur schonender für den Beckenboden, sondern stärkt auch die meist ebenfalls beeinträchtigte Rückenmuskulatur. Gerade Beschwerden im Kreuzbeinbereich gehen meist mit einer Beckenbodenschwäche einher. Es lohnt sich, das Stehen bewusst zu üben: Hüftbreit und mit gleichmäßiger Belastung der Füße (Gewicht auf Ferse, Großzehen- und Kleinzehengrundgelenk verteilt).
Beckenboden nicht mit Gewicht belasten
Die Wirbelsäule wird in Längsspannung und der Blick stets in Richtung Horizont gehalten. Der Rücken sollte weder im Hohlkreuz nochdurchgedrückt sein und das Becken in Neutralstellung belassen werden. Dies ist eine „Übung“, die schon früh mit der Hebamme ausprobiert werden kann. Das Zähneputzen ist ein möglicher Moment, den „guten Stand“ regelmäßig in den Alltag einzubauen.
Beim Aufstehen aus dem Sitzen sollte man nach vorn an die Stuhlkante rutschen und den Oberkörper etwas nach vorne verlagern. Nun ist es einfacher, mit gespanntem Beckenboden und dem Schwung der Arme hochzukommen, in dem man sich mit den Füßen vom Boden abstößt.
Zum Aktivieren des Beckenbodens hilft es, laut „Hopp“ sagen. Beim Hinsetzen nah mit den Beinen an die Stuhlkante rücken, den Beckenboden aktivieren, die Wirbelsäule in Längsspannung halten (kein Rundrücken) und das Gesäß nun beim Setzen weit nach hinten schieben.
Vorsicht beim Husten und Niesen
In den ersten Wochen nach der Geburt sollte vermieden werden, den Beckenboden mit zusätzlichem Gewicht zu belasten. Als Belastungsgrenze gilt das Gewicht des Babys. Je häufiger das Kind mit einem Tuch oder einer Tragehilfe nah am Körper getragen wird, umso schonender ist es für die Beckenbodenmuskulatur.
Geschwisterkinder können schon in der Schwangerschaftlernen, wie sie selbst auf Mamas Schoß klettern, ohne dass die Mutter das größere Kind hochheben muss. Eine kleine „Zuschauertreppe“ am Wickeltisch finden Geschwister meist super.
Beim Husten und Niesen schont es den Beckenboden, möglichst keine runden oder nach vorne gebeugten Haltungen einzunehmen. Lieber aufrecht bleiben, den Oberkörper zur Seite drehen und in die Armbeuge husten oder niesen.
Wahrnehmungsübungen für den Beckenboden
Erste Wahrnehmungsübungen für den Beckenboden in Rückenlage sorgen dafür, dass sich nach ein paar Tagen wieder mehr Gefühl im Beckenbodenbereich einstellt. Bei denen liegt der Fokus auf dem Anspannen und Loslassen ohne größere weitere Belastung,
Sobald die Muskeln wieder bewusst angespannt werden können, sollte das bei jeder Belastung, etwa beim Hochheben des Babys geschehen. Erste Übungen zeigt die Hebamme während der Wochenbettbetreuung, , wenn sich zwischen Eltern und Baby der Alltag etwas eingespielt hat und die Wöchnerin keine Schmerzen mehr hat. Gute Informationen und Übungen finden sich in dem Buch Vom Wochenbett zum Workout: Fit nach der Geburt von Juliana Afram, das hier auf dem Blog auch ausführlicher besprochen wird.
Fast wichtiger als frühe Übungen sind beckenbodenfreundliche Alltagstipps. Den Beckenboden in den täglichen Bewegungen mitzudenken hat meist einen höheren Effekt als viele verschiedene Beckenbodenübungen. Denn für die fehlt allzu oft doch die Zeit im Babyalltag.
Anhaltende Beschwerden ernst nehmen
Mütter, die bereits Beckenbodenprobleme hatten oder akut haben, schaffen es selbst bei mehreren Kindern besser, die mit der Wochenbettruhe verbundene Schonung einzuhalten.
So sehr der Beckenboden direkt nach der Geburt weich und gedehnt sein darf, so sind doch über die Wochenbettzeit hinaus anhaltende Beschwerden ernst zu nehmen. Bei Inkontinenz, Senkungen oder Schmerzen ist eine weiterführende Diagnostik und Therapie zu empfehlen. Hebammen haben in der Regel Kontakte zu spezialisierten Ärztinnen oder Beckenbodenzentren. Aber auch Frauen ohne größere Beschwerden sollten gut für sich und ihren Beckenboden sorgen. Er trägt die Organe und stabilisiert den Körper weit über Schwangerschaft und Geburt hinaus.
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