Fragen an die Hebamme: Sind Stoffwindeln besser? 

Eine Frage, die Eltern schon in der Schwangerschaft beschäftigt, ist die Suche nach der passenden Windel. Wichtigste Entscheidung: Stoffwindeln oder Wegwerfwindeln? Im Drogeriemarkt findet man nicht nur viele Wegwerfwindel-Modelle, sondern auch Stoffwindelsysteme.

Die wiederverwendbaren Windeln sind längst aus der Öko-Ecke im Mainstream angekommen. Im Alltag mit Baby geht es aber nicht nur darum, welches Wickelsystem das Beste ist, sondern vor allem darum, wie jede Familie ihren Wickelalltag im Einklang mit den eigenen persönlichen und materiellen Ressourcen findet. 

Die Haut des Babys ist empfindsam und dies gilt ganz besonders für den Windelbereich: Durch Ausscheidungen des Babys ist er beständigen Angriffen ausgesetzt. Urin und Stuhl, die längere Zeit auf die zarte Babyhaut einwirken, reizen die Haut. Zwar enthalten moderne Wegwerfwindeln meist „Superabsorber“, die sehr viel Feuchtigkeit aufnehmen.

Gleichzeitig aber entsteht ein feucht-warmes Klima, das Pilzinfektionen begünstigt. Die Haut des Babys ist empfindsam, ganz besonders dort, wo die Windel die Haut bedeckt. Wichtig ist daher, dass Kinder, die Windeln tragen, diese häufig gewechselt bekommen und auch nachts nicht zu lange Stunden am Stück in der Windel verbringen. 

Es muss eine sanfte, aber gründliche Reinigung bei jedem Windelwechsel stattfinden, so dass keine die Haut reizenden Reste verbleiben. Auch ein vorsorglicher Schutz mit einer dünnen Schicht Wundschutzcreme kann sinnvoll sein. Zinkoxid ist hier ein Inhaltsstoff, der die Haut vor Nässe schützen kann. 

Nachhaltigkeit im Wickelalltag

Eine Zeit ganz ohne Windel zu sein, vielleicht direkt im Anschluss an das Wickeln, ist für das Baby und seine Haut angenehm. Wer Wegwerfwindeln verwendet, sollte sich über die Inhaltsstoffe einzelner Marken informieren. Regelmäßige windelfreie Zeiten sind hier besonders wichtig, weil die luftdichten Kunststoffschichten zu einem Temperaturanstieg im Inneren der Windel führen.

Auch wenn die Wegwerfwindel in diesem Punkt und vor allem auch in Sachen Nachhaltigkeit nicht besonders gut abschneidet, wird sie hierzulande von den meisten Eltern eingesetzt. Denn natürlich ist es unfassbar praktisch, die volle Windel einfach nach Gebrauch im Mülleimer verschwinden zu lassen. Aber weg ist sie damit natürlich nicht. Eine Wegwerfwindel würde über 500 Jahre benötigen, um vollständig zu verrotten. Meist landen Wegwerfwindeln in Müllverbrennungsanlagen mit weiteren daraus resultierenden Folgen für die Umwelt.

Es ist also gar nicht so einfach, hier die beste Entscheidung für seinen machbaren Familienalltag, Umwelt und Zukunft zu treffen. Aber wie bei so vielen Punkten im Elternalltag, muss es ja nicht um ein entweder oder gehen. So lassen sich auch Wegwerfwindeln, Stoffwindeln und auch Windelfrei miteinander kombinieren.  

Stoffwindeln sind langlebig 

Auch wenn sie für Herstellung und Waschen natürlich ebenfalls Ressourcen verbrauchen, punkten Stoffwindeln ökologisch gegenüber Wegwerfvarianten. Denn Stoffwindeln nutzen Eltern häufig für mehrere Kinder. Entweder für Geschwisterkinder oder sie werden nach der Babyzeit oft Secondhand weiterverkauft. So haben sie einen langen Nutzungszyklus, bevor sie endgültig entsorgt und abgebaut werden.  

Darüber hinaus haben Stoffwindeln weitere positive Auswirkungen. Die immer beliebtere Alternative Stoffwindel hat zwar den Nachteil, über keine Superabsorber zu verfügen. Darum muss man sie eben häufig wechseln. Gleichzeitig entfallen aber die negativen Eigenschaften der verwendeten Kunststoffe: Stoffwindeln sind atmungsaktiver und kommen ohne Lotionen aus, die auf die Babyhaut einwirken. Sie führen daher seltener zu Hautirritationen.

Das Baby erhält zudem durch die empfundene Nässe ein Feedback über die eigene Körperausscheidung. Es zeigt sein Unwohlsein an und wird dann schnell versorgt. Indem sich das Gefühl von Ausscheidungsdruck, Nässe nach Entleerung und die anschließende Behebung der Situation verbinden, hat das Kind schneller die Möglichkeit, trocken zu werden, als wenn das körperliche Feedback nach der Entleerung ausbleibt.  

Unkomplizierte Wickelsysteme 

Längst haben moderne und einfach anzuwendende Modelle die alten, kompliziert zu wickelnden Mulltücher mit Klammern und Wollstricküberhosen abgelöst. Das Angebot an wiederverwendbaren, waschbaren Windelsystemen ist inzwischen sehr umfangreich. Sie bestehen aus natürlichen Materialien wie Baumwolle, Wolle, Hanf, Seide oder Bambusviskose sowie aus synthetischer Mikrofaser oder wasserdichtem PUL (Polyurethanlaminat).

Von der Zusammensetzung hängt ab, wie gut die Babyhaut sie verträgt, wie saugfähig das Material ist, wie gut es sich waschen lässt und wie schnell es trocknet. Die Windeln lassen sich unkompliziert mit Druckknöpfen oder Klettverschlüssen öffnen und schließen. Damit sind sie ähnlich komfortabel wie Wegwerfwindeln. Für unterwegs gibt es Wetbags, in denen nasse Stoffwindel sicher aufgehoben sind. Ein dünnes Windelvlies kann Stuhlgang auffangen und die Entsorgung vereinfachen. 

Um das individuell passende Wickelsystem zu finden, kann eine Stoffwindelberatung sinnvoll sein. Bei einem Termin mit der Stoffwindelberaterin können Eltern die verschiedenen Wickelvarianten ausprobieren und erfahren alles über mögliche Vor-und Nachteile.

Windelfrei und Wickeln 

Windeln sind eine relativ junge Erfindung der Menschheit. Etwa 80 Prozent der Menschen weltweit wachsen auch heute noch ohne Windeln auf, wobei diese auch in nicht-industrialisierten Ländern immer gängiger werden. 

Die schnelle Karriere der Windel ist nicht von ungefähr: Babys wollen nicht in ihren Ausscheidungen liegen. Wir sehen das daran, dass sie weinen, wenn die Windel voll ist. Babys kündigen sogar an, dass sie ausscheiden müssen, damit sie gar nicht erst in einer vollen Windel liegen – wir sind es nur meist nicht gewohnt, die entsprechenden Signale zu lesen und beachten: Mit Geräuschen und Unruhe machen Babys darauf aufmerksam, dass sie ausscheiden müssen. 

In vielen Ländern weltweit werden Babys aufgrund der von ihnen gezeigten Signale „abgehalten“. In einer für sie angenehmen Position können sie sich ohne Windel erleichtern. Es wird von „Elimination Communication” gesprochen, der „Kommunikation des Babys über seine Ausscheidungen“ mit der Bezugsperson. 

Abhalten als Alternative 

Im deutschsprachigen Raum hat sich dafür das Wort „windelfrei” eingebürgert, das allerdings für Verwirrung sorgt: Viele Eltern, die ihre Babys abhalten, nutzen weiterhin Windeln in der Phase zwischen dem Abhalten. Die Methode sieht das eigentlich nicht vor.

Im Gegenteil: Die Bedürfnisse des Babys werden mit dem Abhalten wahrgenommen. Es fühlt sich verstanden und gewöhnt sich gar nicht erst daran, Windeln für Ausscheidungen zu nutzen, was seine Eltern ihm später wieder abtrainieren müssen. Die Babyhaut erfährt besseren Schutz, da das Kind nicht in seinen Ausscheidungen liegt. Gerade in Kombination mit Stoffwindeln ist diese Vorgehensweise sehr ratsam. 

Zu Beginn ist es für Eltern häufig nicht leicht, die feinen Zeichen zu erkennen, die ihnen ihr Baby sendet. Um erste Erfahrungen mit dem Abhalten zu sammeln, bieten sich „Standardsituationen“ an, in denen das Baby höchstwahrscheinlich ausscheiden muss – nach dem Schlafen, nach dem Stillen oder dem Füttern. Gerade bei kleinen Babys lässt sich Unruhe beim Stillen oder im Schlaf durch das Abhalten reduzieren. Es lohnt sich, es einfach mal auszuprobieren. Deine Hebamme kann Dich unterstützen und Dir das Handling zeigen. Hier findest Du weitere Informationen zu Windelfrei

Der beste Weg 

Ob Stoffwindeln die bessere Windeln sind, entscheidet sich nicht nur anhand der harten Fakten. Wichtig ist, dass Eltern einen Weg finden, so mit den Ausscheidungen ihres Babys umzugehen, dass das Thema nicht in Stress ausartet. So lassen sich verschiedene Windelmodelle ebenso kombinieren wie eine Mischung aus Abhalten und Wickeln.

Im Familienalltag müssen Eltern zudem immer wieder neu justieren, was gerade gut machbar ist. Bindungsorientiert kann ein Baby abgehalten oder auch mit Stoff- bzw. Mehrwegwindeln gewickelt werden. Die Haltung dem Kind gegenüber, ein achtsamer Umgang und eine einfühlsame Kommunikation in den Pflegesituationen ist viel entscheidender als die dafür verwendete Ausstattung.

Kleine Stoffwindelkunde 

  • Mullwindeln:  
    Mullwindeln sind der Klassiker und für die Großelterngeneration noch der Inbegriff von Stoffwindeln. Heute verwendet sie kaum noch jemand als Windel. Häufiger kommen die Mulltücher zum Falten der Windeln jetzt als Spucktuch oder beim Babybaden zum Einsatz. Wer Mullwindeln verwenden möchte, kann noch ein Windelvlies einlegen. Eine Überhose verhindert zudem , dass Feuchtigkeit nach außen dringt. 
  • Strickbindewindeln: 
    Strickbindewindeln sind ebenfalls ein älteres System und deswegen praktisch, weil sich die gefaltete Windeln jeder Babygröße anpassen. So sind die ganze Wickelzeit über verwendbar. Zusätzlich werden ein Saugkern, ein Windelvlies und eine Überhose benötigt. Das wiederum führt zu einem recht üppigen Windelpaket um das Baby herum. Mobilere Babys empfinden das vielleicht als störend. 
  • Saugkern/ Saugeinlage:
    Ein Saugkern oder eine Saugeinlage nimmt die Nässe von Ausscheidungen auf. Sie sind je nach Windelsystem unterschiedlich geformt. Zudem lassen sich verschiedene Saugkerne verwenden, beispielsweise für die nächtliche Windel. Diesen Saugkern tauscht man bei jedem Windelwechsel aus und er kommt in die Wäsche.  
     
  • Windelvlies: 
    Das Windelvlies besteht aus Zellstoff und wird als dünne Lage in der Windel platziert. Beim Windelwechsel wird es einfach entfernt und der darin befindliche Stuhl in die Toilette entsorgt. So gelangen keine oder kaum Stuhlreste in die Waschmaschine. Das Windelvlies gehört nicht in die Toilette. Das Umweltbundesamt empfiehlt eine Entsorgung im Restmüll, denn Windelvlies kann Abwasserkanäle und Förderpumpen verstopfen. 
  • All-in-one-Windeln: 
    All-in-one-Windeln sind eine moderne Variante und kommen der Wegwerfwindel hinsichtlich Design und Handhabung sehr nahe. Sie verfügen über ein wasserfestes Außenmaterial, einen Saugkern im Inneren und werden wie eine Wegwerfwindel vollstänig angelegt- aber später gewaschen. 
  • All- in-two- oder Snap- in-one-Windeln:
    Snap-in-one-Windeln sind ähnlich aufgebaut wie All-in-one-Windeln, haben aber abhehmbare Saugkerne. Diese lassen sich bei Nässe oder Verschmutzung wechseln, während die restliche Windel weiterverwendet wird. 
  • All-in-two- oder Pocketwindeln: 
    Bei Pocketwindeln wird der Saugkern in eine Tasche geschoben und lässt sich darüber auch ausgewechseln. Je nach Bedarf stehen unterschiedliche Saugkerne zur Verfügung. 
  • All-in-three-Windeln:  
    All-in-three-Windeln bestehen aus einer Außenwindel und einer Innenwindel, die an der Außenwindel befestigt ist, sowie einem Saugkern. Dieser wird gewechselt, wenn er nass oder verschmutzt ist, während der Rest der Windel oft noch weiter genutzt wird. 

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