Im Sozialgesetzbuch ist festgeschrieben, welche Ansprüche werdende Mütter in Bezug auf die Betreuung ihrer Schwangerschaft und in der Zeit darüber hinaus haben. So ist dort zu lesen: „Die Versicherte hat während der Schwangerschaft, bei und nach der Entbindung Anspruch auf ärztliche Betreuung sowie auf Hebammenhilfe einschließlich der Untersuchungen zur Feststellung der Schwangerschaft und zur Schwangerenvorsorge; ein Anspruch auf Hebammenhilfe im Hinblick auf die Wochenbettbetreuung besteht bis zum Ablauf von zwölf Wochen nach der Geburt, weitergehende Leistungen bedürfen der ärztlichen Anordnung…“
Die entsprechenden Leistungen sind im Hebammenhilfe-Vertrag beschrieben. Im Kontext der Schwangerenvorsorge sind das unter anderem folgende Leistungen:
- Anamneseerhebung bei Erstkontakt in SS mit einer Hebamme und Anlegen des Mutterpasses (so noch keiner vorhanden ist)
- Beratung, Blutdruckmessung, Urinkontrolle, Gewichtskontrolle, auskultatorisch kindliche Herzfrequenzkontrollen ab SSW 24+0, Fundusstand und Kindslage bestimmen
- Entscheidung über notwendige Laboruntersuchungen
- körperliche Untersuchungen, ggf. vaginale, zur Abgrenzung von Beschwerden und Pathologie
- GDM-Screening: Vortest: Beratung, Aufklärung, Entnahme, Befundung und Ergebnisinterpretation, ggf. Veranlassung von Kontrolluntersuchungen
- Hilfe bei Schwangerschaftsbeschwerden: Diagnosestellung und situationsbedingte, am Bedarf der Versicherten orientierte Maßnahmen zur Verbesserung schwangerschaftsbedingter Beschwerden oder Wehen unter Berücksichtigung der medizinischen, sozialen und psychosozialen sowie wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unter Einbeziehung der vorhandenen Dokumente
- Erhebung der medizinisch relevanten Parameter bei der Schwangeren
- Überprüfen der messbaren kindlichen Parameter
- Analyse von Ernährungsgewohnheiten und Lebensführung
- Beratung sowie praktische Hinweise und Anleitung zur Umsetzung Verlaufskontrolle, ggf. Überwachung
- Feststellung von Zeichen eines möglichen Geburts- oder Fehlgeburtsbeginns
- CTG: Diagnostisches Mittel zur Abklärung im Rahmen der Schwangerenvorsorge, bei Hilfe bei Schwangerschaftsbeschwerden oder unter der Geburt. Notwendig bei Verdachtsdiagnosen und gemäß medizinischen Versorgungsstandards
Hebammengesetz und Mutterschaftsrichtlinien
Hebammen arbeiten auf der Grundlage des Hebammengesetzes (HebG vom 4. Juni 1985), den Berufsordnungen der jeweiligen Länder und den Mutterschaftsrichtlinien.
Auch die Ziele und der Umfang der Hebammenhilfe sind präzise vertraglich definiert. So liest man da unter anderem:
- (1) Ziel der Hebammenhilfe nach diesem Vertrag ist die Förderung des regelrechten Verlaufs von Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft durch Leistungen der Hebammenhilfe nach Anlage 1.2 Leistungsbeschreibung.
- (2) Die Qualität und Wirtschaftlichkeit der erbrachten Leistungen haben den gesetzlichen Anforderungen und dem aktuellen Stand der Hebammenwissenschaft zu entsprechen.
- (3) Die Hebammenhilfe erfolgt in interaktiver und kommunikativer Form zwischen der Hebamme und der Versicherten und basiert auf den Prinzipien der partizipativen Entscheidungsfindung.
Auch die ärztliche Schwangerenvorsorge hat eigentlich die gleichen oder zumindest doch sehr ähnliche Ziele. In den Mutterschaftsrichtlinien steht dazu wie folgt: „Durch die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung sollen mögliche Gefahren für Leben und Gesundheit von Mutter oder Kind abgewendet sowie Gesundheitsstörungen rechtzeitig erkannt und der Behandlung zugeführt werden. Die ärztliche Beratung der Versicherten umfasst bei Bedarf auch Hinweise auf regionale Unterstützungsangebote für Eltern und Kind (z.B. „Frühe Hilfen“). Vorrangiges Ziel der ärztlichen Schwangerenvorsorge ist die frühzeitige Erkennung von Risikoschwangerschaften und Risikogeburten.“
Schwangerenvorsorge bei Hebamme oder Arzt oder im Wechsel
Die Idee der Schwangerenvorsorge ist es also, dass Mutter und Kind gesund durch diese besondere Zeit gehen und mögliche Risiken frühzeitig erkannt und gegebenenfalls behandelt werden. Bis auf die drei vorgesehenen Ultraschalluntersuchungen sind auch die dafür empfohlenen Untersuchungen identisch, zumindest wenn sich dabei an den Mutterschaftsrichtlinien orientiert wird. Dort steht übrigens auch: „Es sollen nur Maßnahmen angewendet werden, deren diagnostischer und vorbeugender Wert ausreichend gesichert ist.“ Trotzdem finden in der Realität oft weitere Untersuchungen statt, deren Nutzen oder auch deren Unschädlichkeit nicht ausreichend belegt ist. Dazu gehört zum Beispiel der häufige und unkritische Einsatz des CTG.
Schwangere können entscheiden, ob sie die Vorsorge bei der Hebamme oder beim Arzt oder auch im Wechsel zwischen Arzt und Hebamme vornehmen lassen. Immer noch gibt es diesbezüglich Unklarheiten und manchmal auch Stress, den letztlich die Schwangere abbekommt. Sowohl Hebamme als auch Arzt dürfen den Mutterpass ausstellen und darin dokumentieren. Er ist aber das Eigentum der Schwangeren.
Auch ist jede Berufsgruppe selbst für ihre Leistungen verantwortlich. Das heißt, dass die Hebamme für die von ihr durchgeführten Untersuchungen haftet. Ebenso haftet der Arzt für seine von ihm erhobenen Befunde. Wenn im Mutterpass eingetragene Befunde unklar sind, ist es am sinnvollsten, direkt nachzufragen und miteinander zu sprechen. Denn die Schwangere profitiert von einer respektvollen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Hebamme und Arzt.
Entscheidungsfreiheit für die Schwangere
Die Häufigkeit der Schwangerenvorsorge orientiert sich an den Vorgaben der Mutterschaftsrichtlinien. Sowohl Hebamme als auch Arzt rechnen ihre erbrachten Leistungen direkt mit der Krankenkasse ab bzw. bei privat Versicherten mit dem Patienten direkt. Es ist auch eine Vorsorgeuntersuchung durch die Hebamme möglich, wenn die Schwangere im gleichen Quartal bereits bei ihrem Frauenarzt war. Genauso ist es möglich, „nur“ für die drei Ultraschalluntersuchungen zum Gynäkologen zu gehen und die restliche Vorsorge durch die Hebamme vornehmen zu lassen.
Im Falle einer Risikoschwangerschaft ist die ärztliche Betreuung empfohlen. Trotzdem kann eine Schwangere auch dann Vorsorgeuntersuchungen oder Hilfeleistungen bei Beschwerden durch ihre Hebamme in Anspruch nehmen. Auch hier profitiert die werdende Mutter davon, wenn die Zusammenarbeit zwischen beiden Berufsgruppen gut funktioniert. In den meisten Fällen ist das auch so – und die Entscheidungsfreiheit liegt bei der Schwangeren. Trotzdem gibt es immer wieder Vorbehalte oder Unklarheiten bezüglich der Hebammenvorsorge, weshalb ich die Situation an dieser Stelle auch noch mal so ausführlich beschreibe.
Das Netzwerk „Elterninitiativen für Geburtskultur“ hat auch wegen bekannter Schwierigkeiten im Jahr 2016 eine kleine Anfrage an den Bundestag gestellt, um die Rechtslage noch mal abzuklären. Die Antwort bestätigte, dass die Vorsorge im Wechsel nicht nur möglich ist, sondern dass eine Kooperation zwischen den Berufsgruppen in den Mutterschaftsrichtlinien sogar vorgesehen ist. Auch der Deutsche Hebammenverband hat 2016 Informationsblatt für werdende Mütter zur gemeinsamen Schwangerenvorsorge von Hebamme und Ärztin herausgegeben.
Die Grundlagen sind also zumindest gegeben, so dass jede Schwangere für sich die Vorsorgeoption wählen kann, die für sie und ihre Situation am besten passt. Allerdings schränkt der derzeitige Hebammenmangel die Wahlmöglichkeiten für Schwangere doch wieder sehr weit ein. Denn aktuell wird eben nicht mehr jede Frau eine Hebamme finden, obwohl sie Hebammenhilfe in Anspruch nehmen möchte.
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