Es ist eine Frage, die irgendwann in jeder Krabbel- oder Stillgruppe auftaucht: „Schläft das Baby wirklich länger, wenn es einen Abendbrei bekommt?“ Wenn man den Herstellern diverser Abend- und Gute-Nacht-Breie glaubt, dann würde dem so sein. Da steht dann auf der Verpackung, dass dies die ideale Mahlzeit vor dem Schlafengehen sei und nun eine „ruhige Nacht folgt, in der das Baby Kraft für seine Abenteuer am nächsten Tag sammeln kann“. Auf machen Verpackungen steht auch einfach nur „Träum schön“. Und von ein bisschen mehr Schlaf träumen doch recht viele Eltern, wenn die Babys mit rund einem halben Jahr nachts sogar häufiger aufwachen, als sie es in den Monaten zuvor taten.
Die Versprechen sind also groß und hören sich recht positiv an. Wenn ich allerdings allein nur auf die Versuche zahlreicher Eltern schaue, die Erfahrungen mit dem „Babybrei-Schlaftraining“ haben, fällt das Ergebnis doch eher negativ aus. Nun mögen vereinzelte Eltern aufschreien und sagen, dass es bei ihnen prima funktioniert hat. Nur war es da wohl weniger der Brei, weshalb sich am Schlafverhalten der Kinder etwas zum (für die Eltern) Positiven verändert hat. Es war vielmehr die Tatsache, dass das Kind zu diesem Zeitpunkt einfach soweit war. Somit schläft es vielleicht momentan etwas länger. Zumindest bis zum nächsten Wachstumsschub oder bis zur nächsten Zahnungskrise. Dafür müssen die Eltern aber nicht dem Abendbrei huldigen. Sie sollten es einfach genießen und ihre eigenen Schlafakkus für schlechtere Zeiten auffüllen.
Bitte nicht überfüttern!
Industriell hergestellte Abendbreie locken mit Versprechen wie „Schön sättigend vor dem Zubettgehen“ oder einem schlichten „Gute Nacht“. Sie haben meist das Ziel, den kleinen Babybauch vollzufüllen, damit das Kind in so etwas ähnliches fällt wie ein „Fresskoma“. Das kennen viele Erwachsene nach zu reichlicher Nahrungsaufnahme. Vielleicht schläft man so vollgefuttert gut ein. Aber der Rest der Nacht bringt dann oft keinen erholsamen Schlaf mehr. Der Körper ist nämlich intensiv mit Verdauungsarbeit beschäftigt. Und nicht selten geht es den Babys genau so, wenn zu früh und zu viel Brei am Abend verfüttert wird.
So mancher Abendbrei soll laut Hersteller bereits mit vier Monaten verabreicht werden. Gerade dann hat der Magen-Darmtrakt des Babys meist noch gar keine Beikostreife erlangt. Das führt dazu, dass es die schwere Breimahlzeit gar nicht richtig verwerten kann. Die Nährstoffe kommen quasi ungenutzt unten wieder heraus. Dies kann dann sogar zu dem Ergebnis führen, dass das Baby wieder früher Hunger hat, als wenn es stattdessen die optimal verdauliche Muttermilch oder bei nicht gestillten Kindern Pre-Nahrung erhalten hätte.
Die meisten Kinder in diesem Alter weisen noch gar keine entsprechenden Beikostreifezeichen auf, um wirklich Nahrung mit dem Löffel aufnehmen und entsprechend im Mund transportieren zu können. Da kommt gerne mal der Tipp, den Abendbrei doch via Flasche mit einem entsprechend großen Sauger zu füttern. Aber halt: Brei gehört definitiv nicht in die Flasche.
Brei für Nächte mit Durchschlafgarantie?
Dies birgt nicht nur das Risiko der Überfütterung, wozu sättigende Gute-Nacht-Breie gerne beitragen, da sie oft eine höhere Energiedichte haben und bisweilen auch unerwünschte Zutaten wie Zuckerzusätze beinhalten. Natürlich führt eine massive Überfütterung zu Müdigkeit und Erschöpfung. Aber das wird wie eingangs beschrieben nicht für Nächte mit Durchschlafgarantie sorgen. Und es ist einfach auch nicht gesund. Auch nicht, wenn unsere Eltern und Großeltern früher auch immer gerne ein paar Schmelzflocken in die Flasche gemixt haben und wir schließlich auch „alle noch leben“ und auch sicherlich nicht alle übergewichtig sind. Die derzeitige Datenlage spricht nun mal nicht für ein solches Vorgehen.
Eltern von kleinen Kindern sind oft müde und eerschöpft. Genau deshalb ist der Gedanke, dass ein Breichen den dringend notwendigen Schlaf herbeiführt, auch so verlockend. Dies wird aber nur in den wenigstens Fällen klappen. Bei den meisten Kindern sorgt es eher für mehr Stress, weil sie für solche üppigen Nahrungsmengen noch gar nicht bereit sind. Das gilt auch für den in der Regel gesünderen und zumindest zuckerfreien, selbst gekochten Abendbrei, der meist aus Vollkorngetreide, Obst und Milch besteht.
Mehr Babybrei sorgt nicht für mehr Schlaf
Mehr Babybrei sorgt nicht für mehr Schlaf. Schon allein darum müssen keinerlei Tricks angewendet werden, um eine bestimmte Breimenge ins Kind zu befördern. Aber Tricks und Ablenkung haben ohnehin nichts am Esstisch verloren. Wenn ein Baby bereit ist für Beikost, soll ihm diese natürlich auch altersgerecht angeboten werden – ob am Morgen oder Abend – aber ganz ohne den Hintergedanken, dass dadurch das Leben leichter oder schwerer wird. Wie bei allen Entwicklungsschritten, gilt es immer auf die Bereitschaft des Babys zu schauen. Und genau wie nicht alle Kinder gleichzeitig laufen, essen nicht alle Kinder zum gleichen Zeitpunkt gleich viel Beikost.
Eltern können sich also auch den Stress am Abendbrottisch ersparen. Sie sollten lieber in den eigenen Mittagsschlaf mit Baby investieren. Oder selbst ab und zu früh mit ins Bett gehen. Und Großeltern, die den „Abendbrei-Schlaf-Tipp“ an junge Eltern weitergeben, sollten vielleicht lieber ab und an das Enkelchen im Tuch tragen oder Wagen spazieren fahren, damit sich die Eltern etwas ausruhen können. Das ist die wesentlich bessere und gesündere Unterstützung als die Rezeptweitergabe für irgendwelche nächtlichen Kalorienbomben.
Die These „Mehr Schlaf durch mehr Brei“ ist also nicht wahr. Deshalb dürfen sich auch alle Eltern entspannen, deren Kinder ganz und gar einen Bogen um die Breikost machen. Babys schlafen nicht besser dadurch, im ungünstigen Fall aber schlechter. Deshalb sollte die Idee von Beikost, ob in Breiform oder als Fingerfood, doch einfach sein, dass Babys Neues kennenlernen, probieren und Spaß an gesundem Essen entwickeln. Und das ganz ohne Hintergedanken, egal wie müde wir Eltern auch sind…
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