Eine häufig schon in der Schwangerschaft gestellte Stillfrage an uns Hebammen ist die nach der Notwendigkeit eines Still-BHs. Ein spezieller BH kann für Stillende sicherlich hilfreich sein. Aber es gibt in Sachen Stillen noch ein paar Dinge mehr, die man am besten schon vor der Geburt mal gehört hat. Deshalb geht es in diesem Beitrag nicht nur um die Frage zum Still-BH, sondern auch um das Stillen in den ersten Tagen.
Denn Stillen ist nicht erst nach der Geburt ein Thema. Schon von Beginn der Schwangerschaft an bereitet sich der Körper auf die Stillzeit vor. Hormonell bedingt wächst und differenziert sich das Brustdrüsengewebe. Die Brustwarze (Mamille) selbst wird sensibler, der Vorhof verändert sich in Größe und Farbe. Bereits in der zweiten Schwangerschaftshälfte kann es zur Sekretion von Kolostrum, der ersten Neugeborenenmilch kommen. Auch das Baby im Bauch trainiert fleißig seine Such-, Saug- und Schluckreflexe.
So gut vorbereitet ist rein körperlich alles für das erste Stillen nach der Geburt bereit. Und tatsächlich ist die Stillbereitschaft in den ersten zwei Stunden nach der Geburt am größten. Deshalb sollte das Baby idealerweise in diesem Zeitraum erstmalig den Weg zur Milchquelle finden. Wenn das nicht gelingt, ist es hilfreich, einige Tröpfchen Kolostrum per Hand zu gewinnen und dem Baby in den Mund zu träufeln. Und natürlich sollten in den folgenden Stunden weitere Stillversuche unbedingt gut unterstützt werden. Ein späterer Stillstart bedeutet nicht, dass das Stillen generell langfristig kompliziert wird oder nicht gelingt. Aber mögliche Schwierigkeiten treten häufiger auf, wenn in den ersten Lebensstunden kein erfolgreiches Anlegen möglich war.
Doch auch jenseits der ersten Stillmahlzeit noch in den Geburtsräumen sind die ersten Stunden und Tage entscheidend für einen guten Stillbeginn. Unmittelbar nach der Plazentageburt fallen die Hormone weg, die die Milchbildung in der Schwangerschaft zurückgehalten haben. Die Stillhormone wirken nun voll und werden vor allem durch häufiges Anlegen angeregt. Genau dies sollte in den ersten Tagen stattfinden. Am ersten Tag mindestens acht Mal, gerne auch häufiger. In den darauffolgenden Tagen sorgt noch häufigeres Anlegen dafür, dass die Milchbildung sich entsprechend einspielt.
Wie kommt man möglichst entspannt durch diese Phase?
Zehn bis zwölf oder noch mehr Stillmahlzeiten in 24 Stunden sind normal und sinnvoll für ein Neugeborenes. Zum einen zur Anregung der Milchbildung, aber auch, weil ein kleines Baby häufige Mahlzeiten braucht. Der anfangs murmelgroße Magen kann noch keine größeren Milchmengen aufnehmen und verarbeiten. Rund um den dritten Tag spüren viele Mütter die initiale Brustdrüsenschwellung („Milcheinschuss“), die anzeigt, dass es nun in die Phase der reichlichen Milchbildung übergeht.
Wochenbett einhalten
Ungefähr am dritten Tag nach der Geburt findet nicht nur der Milcheinschuss statt. Auch der große, nachgeburtliche hormonelle Umbruch führt in diesen Tagen zu Stimmungsschwankungen, die Symptome des so genannten Babyblues zeigen können. Zudem merken Mütter nun oft den Schlafmangel und die körperliche Erschöpfung nach der Geburt deutlicher. Umso wichtiger ist es, dass sie sich wirklich ausruhen und die Wochenbettruhe einhalten.
Dafür brauchen Mütter Entlastung und Menschen um sich herum, die den Haushalt und die Versorgung der Geschwisterkinder übernehmen. Sie sollte sie zudem mit genügend gesunder und leckerer Nahrung versorgen. Unterstützender Besuch kann in dieser Phase durchaus hilfreich sein. Reiner Besuch zum „Babygucken und Kaffeetrinken“ sollte in diesen ersten Tagen vermieden werden. Stillen ist gerade anfangs ein Vollzeitjob – und die kleine neugeborene Familie braucht Zeit zum Ankommen und sich kennenlernen.
Anlegen, anlegen, anlegen
Häufiges und effektives Anlegen hilft schon im Vorhinein, dass der Übergang zur reichlichen Milchbildung sanft verläuft und nicht als „schmerzhafter Milcheinschuss“ erlebt wird. Der Beginn der reichlichen Milchbildung geht meist mit einer physiologischen Brustdrüsenschwellung einher. Die Brüste und manchmal auch der Brustwarzenhof sind geschwollen und empfindlich. Auch Rötungen, glänzende Haut und vereinzelte Ödeme können auftreten.
Brustmassage vor dem Anlegen kann Milchfluss anregen
Eventuell fällt dem Baby das Andocken an der nun größeren und festeren Brust schwerer. Wenn es in den ersten Tagen an der zuvor noch weichen Brust viel Gelegenheit hatte, das Stillen zu lernen, wird es wahrscheinlich aber auch mit dieser Herausforderung gut zurecht kommen. Häufiges Anlegen sorgt in der Regel dafür, dass die initiale Brustdrüsenschwellung für Mutter und Kind nicht zu belastend in Bezug auf das Stillen ausfällt. Bei Schwierigkeiten ist die fachliche Unterstützung durch eine Hebamme oder Stillberaterin empfehlenswert.
Sanfte Brustmassage und Kühlen
Eine sanfte Brustmassage vor dem Anlegen kann den Milchfluss anregen. Wichtig ist, dass diese wirklich sehr sanft, also „streichelzart“ ausgeführt wird. Druck ausübende oder quetschende Massagetechniken sind unbedingt zu vermeiden, da sie das sensible Brustdrüsengewebe verletzen können. Hebammen und Stillberaterinnen können eine sanfte Massage zur Lockerung des Brustdrüsengewebes zeigen. Das durch die Brustmassage ausgeschüttete Hormon Oxytocin fördert den Milchfluss.
Nach dem Anlegen kann das Kühlen etwas Linderung bringen, wenn durch die Brustdrüsenschwellung Schmerzen bestehen. Wichtig ist aber, dass nicht zu viel Kälte zum Einsatz kommt, damit die Durchblutung des Gewebes nicht gestört wird. Kühlkompressen sollten also nicht direkt auf die Haut gelegt werden, sondern zum Beispiel in ein kleines Gästehandtuch gewickelt werden.
Bei Bedarf sanft stützen mit Stillbustier
Am besten lässt man in den ersten Stilltagen viel Luft an die Brust. Auch für die Mamillen, die zu Beginn der Stillzeit etwas empfindlich sein können, ist das Antrocken von Muttermilch nach dem Stillen an der Luft die beste Pflege. Bei wirklichen Schmerzen oder gar verletzten Mamillen sollte aber schnell Hilfe durch die Hebamme oder eine Stillberaterin eingeholt werden, damit die Ursache gefunden und behoben werden kann. Vielen Frauen ist es aber angenehm, wenn die schon in der Schwangerschaft deutlich schwerer gewordene Brust mit entsprechender Wäsche etwas gestützt wird.
Still-Bustiers sind gerade anfangs anpassungsfähiger
In den ersten Tagen rate ich aber eher von einem Still-BH ab, weil es durch die sich verändernde Form und Größe auch schnell mal zu einem Milchstau kommen kann, wenn zum Beispiel ein zu enger Träger oder ein Bügel auf die Milchgänge drückt. Wesentlich anpassungsfähiger sind da Still-Bustiers. Saumlose Still-Bustiers sind meist aus rundgestrickter Baumwolle oder Mikrofaser und können sich so durch ihre Elastizität der stillenden Brust anpassen. Bei Bedarf kann das Bustier auch in der Nacht getragen werden. Still-Bustiers können auch schon gut in der Schwangerschaft getragen werden. Wie viel Unterstützung für die Brust als angenehm empfunden wird ist von Frau zu Frau und natürlich auch von der Brustgröße her ganz unterschiedlich.
Stillunterstützung
Nicht nur in den ersten Tagen, sondern in der ganzen Stillzeit ist es gut, wenn man bei Fragen oder Schwierigkeiten schnell Antworten und Unterstützung bekommt. Hebammen begleiten Mütter in den ersten zwölf Wochen nach der Geburt und bleiben auch darüber hinaus Ansprechpartnerinnen bei Stillschwierigkeit – und zwar bis zum Ende der Abstillzeit. Darüber hinaus gibt es Stillberaterinnen, die angestellt in einer Klinik oder aber freiberuflich arbeiten. Auch Stillgruppen sind eine wichtige Unterstützung.
Allerdings ist ein Stillgruppenbesuch erst nach dem Wochenbett sinnvoll und ersetzt auch nicht die individuelle Einzelberatung bei akuten Problemen. Dennoch ist der Austausch von Müttern untereinander unter fachlicher Begleitung isehr wertvoll in der Stillzeit. Manche Kliniken haben auch eine Stillambulanz eingerichtet, in der zu bestimmten Zeiten eine qualifizierte Stillberaterin Ansprechpartner bei Problemen ist. Doch gerade in der ersten Wochenbettzeit sollte eine Mutter möglichst in Form von Hausbesuchen unterstützt werden, da Wege und Wartezeiten zusätzlichen Stress verursachen können.
Lieblingsstillwäsche für die Stillzeit
Den Kauf eines wirklich gut sitzenden BHs für die Stillzeit empfehle ich erst nach dem Abklingen des Milcheinschusses, weil sich die Brust in Form und Größe doch noch einmal verändert. Gerade bei Bügel-BHs ist es wichtig, dass diese wirklich passen und nicht das empfindliche Brustdrüsengewebe quetschen. Als Hebamme habe ich schon den einen oder anderen Unterwäsche-bedingten Milchstau gesehen. Die Beratung in einem Fachgeschäft lohnt sich hier. Auch wenn sich nach dem Abstillen die Brust wieder verändert und der Still-BH damit nur einige Monate oder wenige Jahre im Einsatz ist, ist es alleine fürs eigene Wohlbefinden wertvoll, auch in der Stillzeit die persönlich Lieblingsunterwäsche zu finden.
Guter Sitz auch während des Stillens
Still-BHs sollten sich unkompliziert einhändig zum Stillen öffnen und schließen oder zur Seite schieben lassen. Leicht gefütterte Cups sorgen bei der Verwendung von Stilleinlagen, dass diese nicht so auffallend sichtbar sind. Das Material der gefütterten Cups sollte aus einem atmungsaktiven Material sein, welches für ein angenehmes Körperklima sorgt.
Sport-BH für die stillende Mutter
Dies ist vor allem in den ersten Wochen ein wichtiger Punkt, da sehr viele Frauen nach der Geburt vermehrt schwitzen. Die Breite der Träger sollten der jeweiligen Größe so angepasst sein, dass sich die BHs auch mit einer größeren Brust angenehm tragen lassen. Außerdem hält eine elastische Bruststütze die Brust auch bei geöffnetem Cup am Platz, was gerade beim Stillen unterwegs sehr angenehm ist.
Stützen und Stillen mit dem richtigen Sport-BH
Auch im Kontext Sport und Schwimmen in der Stillzeit, kann sich die Anschaffung eines Sport-BHs oder eines entsprechenden Badeanzugs lohnen- zumindest wenn man recht zeitnah nach diesen Tätigkeiten wieder stillt. Es vereinfacht das Stillleben schon, wenn man nicht den ganzen BH kompliziert ausziehen muss, um das Baby nach dem Sport schnell mal zu stillen.
Gerade beim Laufen aber auch für andere Sportarten ist ein gut sitzender BH unerlässlich. Je nach Brustgröße kann es sehr unangenehm sein, wenn die Brust bei entsprechender Bewegung nicht gut genug gestützt ist. Das Gewicht der Brüste sollte gut auf die Cups sowie gut gepolsterte Träger verteilt. Ein atmungsaktives Material macht das Tragen auch bei schweißtreibenderen Sportarten angenehmer. Mit dem Laufen sollte man allerdings nicht zu früh nach der Geburt beginnen, da der Beckenboden sowie die Bänder und das Stützgewebe in diesem Bereich wirklich einige Monate brauchen, um sich entsprechend zu regenerieren. Aber auch beim beckenbodenfreundlicheren Walken sorgt ein gut sitzender Sport-BH für mehr Wohlbefinden. Und wenn man damit noch so unkompliziert stillen kann, umso besser.
Stilleinlagen nach Bedarf
Ob und wie viele Stilleinlagen man in der Stillzeit braucht ist höchst individuell. So erlebe ich in der Hebammenarbeit die gesamte Bandbreite: einige Frauen verlieren nur in den ersten Tagen etwas Milch neben dem Stillen. Andere benötigen täglich eine Packung Stilleinlagen, um halbwegs trocken durch den Tag zu kommen. Bei Frauen mit einer übermäßigen Laktation reichen Stilleinlagen meist gar nicht. Ob waschbare Einlagen oder Wegwerf-Einlagen verwendet werden, ist ebenso individuell wie die Frage nach Einwegwindeln und Stoffwindeln. Die waschbaren Modelle punkten natürlich in Sachen Nachhaltigkeit, aber letztlich muss es immer zu den persönlichen Ressourcen und Bedürfnissen passen. Und natürlich lassen sich beide Optionen auch immer mischen.
Regelmäßiges Wechseln ist wichtig
Außerdem gibt es auch noch Still-BHs, die eine ähnliche Membran wie Periodenunterwäsche integriert haben, die die Feuchtigkeit direkt aufnimmt. Für größere austretende Milchmengen können diese ggf. auch noch mit Stilleinlagen kombiniert werden. Wichtig ist hier nämlich, dass sämtliche Einlagen oder aufsaugenden Materialien nicht zu lange nass an der Mamille verweilen und Einlagen regelmäßig gewechselt werden. Bei Verletzungen der Mamille oder Soorbefalll sind aus hygienischen Gründen Einwegstilleinlagen empfohlen. Wichtig ist hier immer auch zu schauen, dass BH und Einlage nicht zu viel Druck auf die Mamille ausüben und so die Durchblutung einschränken. Ein so genannter Brust-Donut kann hier ein einfach anzuwendendes Hilfsmittel sein. Hilfe in Form von Stillberatung ist natürlich ebenso wichtig.
Die Frage nach dem richtigen Still-BH kann also ein guter Einstieg sein, um zu überlegen, was noch wichtig zu wissen ist zum Thema Stillen, damit der Start in diese Zeit möglichst optimal für Mutter und Kind gelingen kann.
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